Antifaschistischer Protest: Der AfD die Freude vermiesen
Berlin kann nicht nur Party, sondern auch Partycrashen: Zum Beispiel bei der AfD, der Antifaschist*innen die Feier über die Wahlergebnisse vermiest haben.
Beim Verlassen des S-Bahnhofs Blankenburg kam man nicht an ihnen vorbei: Direkt am Ein- bzw. Ausgang singt der Berliner Zeckenrapper Refpolk die Hook „No pasarán!“, das Echo kommt von einigen Hundert Menschen, die am späten Sonntagnachmittag spontan nach Pankow gekommen sind, um der AfD ihre Wahlparty zu versauen.
Mit der Parole No pasarán – auf Deutsch sie kommen nicht durch – hatte Dolores Ibárruri vom Politbüro der spanischen kommunistischen Partei 1936 zu Beginn des spanischen Bürgerkriegs zur Verteidigung der Demokratie gegen die faschistischen Truppen Francos aufgerufen. Ihr leidenschaftlicher Appell an alle Arbeiter, Bauern und Antifaschisten, die Freiheit und die demokratischen Errungenschaften des Volkes gegen den faschistischen Aufstand zu verteidigen, wirkt an diesem Tag beklemmend aktuell.
Denn den hier Versammelten geht es um nichts weniger als die Verteidigung der Demokratie gegen die Faschist*innen von der AfD, die bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen ein Drittel der Stimmen eingefahren haben.
Um der Rechtsaußenpartei die Freude darüber zu vermiesen, hatten mehrere antifaschistische Gruppen nach Neukölln mobilisiert, wo die Wahlparty ursprünglich hatte stattfinden sollen. Nachdem diese jedoch spontan abgesagt wurde, fuhren die Antifaschist*innen kurzerhand quer durch die Stadt zum neuen Veranstaltungsort, einem AfD-Büro in Pankow im Norden Berlins.
Für Brandenburg gibt es noch Hoffnung
Obwohl einige Teilnehmer*innen auf dem Weg verloren gingen, schafften es noch rund 400 bis 500 Menschen raus aus dem S-Bahn-Ring. „Fck AfD“, „Björn Höcke ist ein Nazi“ und „AfD-Verbot jetzt“ wehte den Ankommenden auf großen Fahnen entgegen. Ein Sprecher der Antifa Nordost rief die Aktivist*innen aus der Hauptstadt dazu auf, die Genoss*innen in Brandenburg in ihrem Kampf gegen Rechts tatkräftig zu unterstützen. Schließlich soll die nächste Wahlparty der AfD nach der Brandenburg-Wahl in drei Wochen weniger frohlockend ausfallen.
Auffällig viele junge Menschen, Seite an Seite mit den Omas gegen rechts, zogen anschließend vom Bahnhof zum wenige Hundert Meter entfernten Bürgerbüro, wo Beatrix von Storch und andere Höcke-Fans per Livestream die Ergebnisse der Ost-Wahlen verfolgten.
Nicht nur in der Unterführung war die Parole Alerta, Alerta Antifaschista! ungewöhnlich laut zu vernehmen, auch am Zielort wurde ordentlich Krach gemacht: Mit Löffeln auf Kochtöpfen, lauten Pfiffen, „Ganz-Berlin-hasst-die-AfD“-Rufen und in Redebeiträgen ließen die Antifaschist*innen ihrer Wut und Frustration über die hohen Wahlergebnisse der Rechtsextremisten freien Lauf.
Obwohl die Polizei penibel darauf achtete, dass die linken Demonstrant*innen der AfD-Wahlparty ja keinen Schritt näher kommen als erlaubt, waren sie gut zu sehen und zu hören. Und das nicht nur für die Handvoll AfDler, die vor dem Büro herumlungerten und die wenigen, die der Demo zu nahe kamen und ordentlich ausgeschimpft wurden. In Berlin ist Partycrashen eben noch antifaschistische Pflicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Geschlechtsidentität im Gesetz
Esoterische Vorstellung
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Protest in Unterwäsche im Iran
Die laute Haut
Nach Diphtherie-Fall in Berlin
Das Problem der „Anthroposophischen Medizin“