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Wirtschaftliche Lage in DeutschlandTeufelskreis der schlechten Laune

Hannes Koch
Kommentar von Hannes Koch

In Deutschland arbeiten so viele Menschen wie nie zuvor. Dennoch ist die Stimmung in der Wirtschaft mies. Ein Grund dafür ist der Hickhack in der Ampel.

Trüber Aussichten oder erfrischendes Nass? Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

I ndividuell kann Arbeitslosigkeit dramatisch sein. Ökonomisch und gesellschaftlich betrachtet aber ist die leicht auf 6,1 Prozent gestiegene Arbeitslosenquote, die die Bundesagentur für Arbeit kürzlich vermeldete, keine Katastrophe. Zum Vergleich: Mit 13 Prozent und fast fünf Millionen Jobsuchenden war das Problem 2005 viel drückender als heute.

Und ein wichtiger Punkt wird oft vergessen: Seit der Wiedervereinigung haben noch nie so viele Leute in Deutschland gearbeitet wie jetzt – über 46 Millionen. Das ist ein Zeichen dafür, dass die Wirtschaft grundsätzlich intakt ist, die große Mehrheit der Unternehmen leistungsfähig und die Rechtsordnung solide.

Trotzdem steckt das Land in einem Teufelskreis der schlechten Laune. Mit ihrem Hickhack tragen die drei Parteien der Bundesregierung einiges dazu bei. Mancher Firmenvorstand hat wahrscheinlich auch deshalb keine Lust auf Investitionen. Man wartet einfach mal ab. Die Lage verschlechtert die Laune und umgekehrt.

Den großen Veränderungsprozess, in dem Deutschland steckt, kann man der Regierung jedoch nicht anlasten. Zum Beispiel die Umstellung von fossiler auf erneuerbare Energie sollte so oder so passieren. Diese weltweit stattfindende Transformation ist teuer, kompliziert, ihr Fortgang ungewiss. Das verunsichert sowohl Unternehmen als auch Privathaushalte.

Auch die neuen globalen Gegensätze zwischen den ökonomischen und politischen Weltmächten sind dem Willen der deutschen Regierung zum guten Teil entzogen. So kann diese oft nur reagieren und muss versuchen, das zu stark auf China ausgerichtete deutsche Wirtschaftsmodell durch neue Import- und Exportbeziehungen zu anderen Staaten auszubalancieren.

Allerdings werden jetzt auch die Grundlagen für den Aufschwung gelegt. Einiges geht voran: schnellere Genehmigungen, riesige Mengen Ökostrom, große Industrieansiedlungen, Einbürgerung von Geflüchteten, die mit anpacken wollen. Die nächste Gute-Laune-Phase wird kommen.

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Hannes Koch
Freier Autor
Geboren 1961, ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er schreibt über nationale und internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik. 2020 veröffentlichte er zusammen mit KollegInnen das illustrierte Lexikon „101 x Wirtschaft. Alles was wichtig ist“. 2007 erschien sein Buch „Soziale Kapitalisten“, das sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt. Bis 2007 arbeitete Hannes Koch unter anderem als Parlamentskorrespondent bei der taz.
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5 Kommentare

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  • Schlechte Laune? Hickhack? Ungewisser Fortgang? Es gibt bessere nachvollziehbare Erklärungen.

    Die Planungen zur Energiewende sehen allein für den Umbau der Strom- und Gasnetze in den nächsten 20 Jahren Kosten von 1200 Mrd. EUR vor. Zahlbar von den hier abgabepflichtigen Unternehmen. Dazu kommen Kosten für Speicher, Bau und Betrieb von Gaskraftwerken und unnütz produzierten Strom. Die Kostenbeteiligung entfällt hinter der Grenze.

    Demographisch bedingt werden die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung noch stärker steigen als die Erhöhungen der Rentenbeiträge. Inzwischen wird mit 50 Prozent Sozialversicherungsbeiträgen gerechnet. Das bedeutet für Arbeitnehmer weniger Netto. Für Arbeitgeber höhere Löhne. Daher werden Arbeitsplätze hier reduziert.

    Die Zukunft gehört CO2-armen Produktionen. In Äquatornähe liefert ein Solarmodul die 4-fache Ausbeute; dazu gut verteilt über das Jahr auch während hier Winter ist. Egal, ob Sonne oder Wind. Deutschland wird dauerhaft mehr Anlagen zur Stromproduktion vorhalten, warten und erneuern müssen als konkurrierende Regionen. Plus Gas!

    Weitere Gründe: Fachkräftemangel, Bürokratie, zunehmende planwirtschaftliche Eingriffe durch die Politik.

  • "In Deutschland arbeiten so viele Menschen wie nie zuvor.

    Man-frau vergleiche die Lohnstruktur und die Art der Arbeit von 2024 mit 2005 (Stichwort Amazon Billiglöhner)

    Solche Milchmädchenrechnungen zulasten der Arbeiter ausgerechnet in der taz lesen zu müssen ist schon mehr als peinlich.

  • Exzessive und undurchsichtige Vorschriften mit entsprechenden Verwaltungskosten, unsichere Energieversorgung, steigende Energiekosten, schlechte Infrastruktur, sinkender Bildungsstandard etc.



    Natürlich geht es den Unternehmen nicht prickelnd. Und Stand jetzt werden reihenweise Stellen abgebaut oder ins Ausland verlagert. Besonders die Produktion, aber auch die Entwicklung.

  • Unternehmen wollen Planungssicherheit. Die gibt es mit der Ampel nicht. Das ist schon Grund genug, sie abzuwählen. Ob die nächste Regierung unter Merz das besser hinkriegt, ist äußerst fraglich, weil es da auch eine Koalition mit wenig Gemeinsamkeiten geben wird. Aber vielleicht sitzt dann die Lektion, dass Koalitionsstreit allen Koalitionären schadet. Rot und Grün können den Schaden übrigens wegstecken, die FDP kaum. Die Ampel scheitert nicht an ihrem Programm, sondern an ihrer handwerklichen Unfähigkeit.

  • Und an Weihnachten kommt das Christkind, versprochen…