Klage gegen Ausreiseverbot: Roter Teppich für Diktator Erdoğan

Eine „Friedensdelegation“ um Hamburgs Linken-Fraktionschefin Cansu Özdemiwurde auf dem Weg nach Kurdistan ausgebremst – das war unrechtmäßig.

Der Einsatz für die kurdische Sache kann einen schnell in den Fokus der Behörden rücken: Kurden auf einer Demo Foto: David Young/dpa

DÜSSELDORF taz | Die Bundespolizei hat Mitglieder einer Delegation von pro-kurdischen Aktivist:innen, zu der mit Cansu Özdemir auch die Co-Fraktionsvorsitzende der Linken in der Hamburgischen Bürgerschaft gehörte, am Düsseldorfer Flughafen unrechtmäßig an einer Reise in den kurdischen Teil des Iraks gehindert. Das hat das Verwaltungsgericht Köln nach Klagen von Delegationsteilnehmerinnen am Mittwoch in zwei Einzelfällen entschieden.

Die aus rund 20 Menschen bestehende „Friedensdelegation“ hatte sich am 12. Juni 2021 aus Hamburg auf den Weg gemacht. Ziel sei gewesen, „als Teil einer internationalen Delegation die dort lebende Zivilbevölkerung für eine friedliche Lösung gegen den völkerrechtswidrigen Krieg der Türkei in Südkurdistan zu unterstützen“, so die Initiative Defend Kurdistan.

Für einen „Skandal“ hält Özdemir, was dann am Düsseldorfer Flughafen geschah: „Nach dem Sicherheitscheck sind wir von Bun­des­po­li­zis­t:in­nen eingekesselt worden“, sagte sie der taz. „Auf meinen Einwand, ich sei Abgeordnete, wurde mir gesagt: Das ist ein Befehl von oben.“

Offenbar sei die Reise auf Basis einer „politischen Anordnung“ verhindert worden, um den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan nicht zu verärgern, glaubt Özdemir noch heute: „In diese Anordnung muss das Bundesinnen- oder das Bundesaußenministerium involviert gewesen sein.“

Cansu Özdemir, Die Linke

„Wir sind von der Bundespolizei eingekesselt worden“

Mitglieder der Delegation aus Hamburg seien teilweise „vier bis fünf Stunden“ festgehalten worden – und verpassten wie Özdemir selbst ihren Flug. 16 Delegationsmitgliedern untersagte die Bundespolizei außerdem für einen Monat die Ausreise in den Irak. Dokumentiert wurde dies auch mit einem Stempel im Reisepass.

Zur Begründung hieß es, die De­le­ga­ti­ons­teil­neh­me­r:in­nen könnten die von der Europäischen Union, nicht aber von den Vereinten Nationen als terroristische Vereinigung eingestufte Arbeiterpartei Kurdistans unterstützen wollen. Konkret bestehe der Verdacht, sie könnten sich der PKK als „menschliche Schutzschilde“ gegen Angriffe des türkischen Militärs zur Verfügung stellen – was nicht nur Özdemir, sondern auch die beiden Klägerinnen vor dem Düsseldorfer Verwaltungsgericht, Ronja H. und Theda O., als „realitätsfern“ zurückwiesen.

Ausreiseverbote sind rechtswidrig

„Ich wollte auf der Reise Öffentlichkeitsarbeit für die Friedensdelegation leisten“, erklärte Ronja H. im Gerichtssaal. „Mit unseren Klagen wollen wir klarmachen, dass wir massive Eingriffe in unsere Grundrechte wie durch diese ‚Ausreiseuntersagungen‘ nicht einfach hinnehmen“, so die Klimaktivistin zur taz – und bekam wie Theda O. Recht: Die Ausreiseverbote seien rechtswidrig, urteilte das Kölner Verwaltungsgericht.

Zwar erlaubt das Passgesetz, Ausreisen zu untersagen, wenn „die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet“ seien. Dies muss aber mit „Tatsachen“ begründet werden – der bloße Verdacht, als „menschliche Schutzschilde“ fungieren zu wollen, reiche nicht aus. Auch der Hinweis, die PKK re­krutiere gezielt europäische Jugendliche, sei insbesondere mit Blick auf die 2021 bereits 70-jährige Theda O. wertlos.

„Sehr positiv“ sei die Entscheidung, findet Özdemir. Sie konnte nicht klagen, da sie keine formelle Ausreiseuntersagung erhalten hat. Ihre Anzeige wegen Freiheitsberaubung und Nötigung wurde von der Staatsanwaltschaft Düsseldorf abgeschmettert. „Das Urteil macht klar, wie die Bundespolitik dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan unrechtmäßig den roten Teppich ausrollt“, kritisiert die Linke – „und so einen islamistischen Diktator stützt“.

Allerdings: Angewendet wird das Druckmittel der Ausreiseverweigerung von der Bundespolizei noch immer. Erst am 30. Juli wurden am Münchener Flughafen fünf Studierende festgehalten, die an Gedenkveranstaltungen zum zehnten Jahrestag des Genozids an den Je­si­d:in­nen im Irak teilnehmen wollten. Auch in diesem Fall sind bereits Klagen angekündigt.

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