Friedensdelegation nach Kurdistan: Klage gegen Ausreiseverbot

Am Flughafen Düsseldorf setzte die Bundespolizei vor einem Jahr eine Friedensdelegation nach Kurdistan fest. Zwei Hamburgerinnen klagen dagegen nun.

Flaggen mit Konterfei von PKK-Chef Öcalan

Der Einsatz für die kurdische Sache kann einen schnell in den Fokus der Behörden rücken: Kurden-Demo Foto: Axel Heimken/dpa

HAMBURG taz | Auch jetzt sei eine Reise der internationalen Friedensdelegation wieder dringend notwendig, um mit diplomatischen Mitteln auf ein Ende der Gewalt zu drängen, sagt die Friedensaktivistin Mechthild Exo am Donnerstagvormittag in Hamburg. „Seit Mitte April dieses Jahres unternimmt die Türkei einen neuen Versuch der aggressiven Besatzung in Südkurdistan.“

Allerdings gab es in der Vergangenheit Widerstände gegen die Reisen solcher Delegationen: Während Exo im vergangenen Juni die kurdischen Gebiete im Nordirak besuchen konnte, wurden Dutzende Teil­neh­me­r:in­nen der Delegation von der Bundespolizei am Düsseldorfer Flughafen festgesetzt. Zwei Hamburgerinnen haben deshalb nun Klage eingereicht.

Am Morgen des 12. Juni 2021 wollten rund 150 Personen aus dem Bundesgebiet vom Düsseldorfer Flughafen gemeinsam nach Erbil fliegen. Darunter befanden sich Aktivist:innen, Jour­na­lis­t:in­nen und auch Politiker:innen. „Ich wollte die unterschiedlichen Positionen vor Ort kennenlernen und mich über die Lage informieren – mit unterschiedlichen Menschen ins Gespräch kommen und verstehen, was dort eigentlich passiert“, sagt die Hamburgerin Ronja H., die gemeinsam mit Theda O. die Klage vor dem Kölner Verwaltungsgericht eingereicht hat.

Insgesamt bestand die ursprüngliche Reisegruppe aus Teil­neh­me­r:in­nen aus 14 europäischen Ländern, die sich für die Belange der kurdischen Bevölkerung einsetzen.

Festgesetzt und verhört

Doch die Bundespolizei ließ H.s Ausreise nicht zu. „Schon am Check-In-Schalter haben wir bemerkt, dass wir von zwei Personen beobachtet und fotografiert werden“, sagt H. Daraufhin setzte die Bundespolizei sie über mehrere Stunden hinweg fest und verhörte sie – das Flugzeug flog ohne sie ab.

Sechs der zehn Hamburger Teil­neh­me­r:in­nen konnten ihren Flug aus diesem Grund nicht antreten. Darüber hinaus erhielten sie wortgleiche Ausreiseverbote für eine Dauer von 30 Tagen. „Mir wurde auf Basis einer nicht haltbaren Unterstellung die Reisefreiheit genommen“, sagt H.. Und auch Theda O. erhielt ein Ausreiseverbot.

Theda O., Klägerin

„Ich wollte mir ein Bild über die humanitäre Lage verschaffen und völkerrechtswidrige Angriffe dokumentieren“

Die ehemalige Lehrerin hatte durch ihre kurdischen Schü­le­r:in­nen Einblicke in deren Fluchtgründe erhalten – auch kürzlich soll die türkische Armee wieder Schulen und Geflüchtetenlager im Nordirak beschossen haben. „Ich wollte mir ein Bild über die humanitäre Lage verschaffen und völkerrechtswidrige Angriffe dokumentieren“, sagt O.

Beiden teilte die Bundespolizei mit, dass es Erkenntnisse gebe, sie wollten im Konflikt zwischen dem Nato-Partner Türkei und der Kurdenorganisation PKK als „menschliche Schutzschilde“ fungieren, um die kurdische Gesellschaft und die „Guerilla“ zusammenzubringen. Durch die Teilnahme von Bun­des­bür­ge­r:in­nen an den Reisen würden „erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland berührt“. Die PKK wird von der Bundesregierung als Terrororganisation eingestuft.

Auch Bürgerschaftsabgeordnete aufgehalten

Ein Ausreiseverbot auf Basis dieser Begründung hält die Hamburger Rechtsanwältin Cornelia Ganten-Lange für rechtswidrig. Zwar sei ein Ausreiseverbot nach dem deutschen Passgesetz möglich, doch handele es sich bei den aufgezählten Gründen „ausschließlich um Behauptungen und Spekulationen“. Es würden keinerlei belegte Tatsachen angeführt. Der Eingriff in die Grundrechte der Klägerinnen sei demzufolge nicht zulässig gewesen.

Zudem sei es inakzeptabel, dass die Verfügungen nicht individuell begründet wurden. „Das war eine Art Allgemeinverfügung“, sagt Ganten-­Lange.

Die Schilderungen der Geschehnisse am Düsseldorfer Flughafen decken­ sich mit denen der Hamburger Bürgerschaftsabgeordneten Cansu Özdemir (Die Linke). Auch sie wurde als Teilnehmerin der Friedensdelegation am Flughafen festgesetzt – obwohl sie ihrer Aussage nach den Be­am­t:in­nen klar gemacht hat, dass sie als Abgeordnete eines deutschen Parlaments Immunität besitzt. Zwar wurde ihr letztlich kein Ausreiseverbot erteilt – die Be­am­t:in­nen hinderten sie dennoch am Betreten des Flugzeugs.

Özdemir sagte im taz-Interview, dass es eine „politische Anordnung“ für das Ausreiseverbot gegeben habe – eine Beamtin habe ihr das auf Nachfrage mitgeteilt. Unklar ist jedoch weiterhin, ob und wenn ja, vom wem eine Anordnung an die Bundespolizei zur Festsetzung kam. „Ich kann mir nur den Innen- und den Außenminister als Anordnende vorstellen“, sagte Özdemir im vergangenen Juni.

Ganten-Lange hofft, durch das Verfahren an Informationen darüber zu gelangen. Das hat sich bislang allerdings als schwierig erwiesen: Nicht alles in den Akten ist einsehbar – aus staatlichen Geheimhaltungsgründen.

Wann die nun eingereichte Klage vor dem Verwaltungsgericht verhandelt wird, ist noch nicht absehbar.

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