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Der große Film der Nebenwidersprüche

Mit „Die Unbeugsamen 2“ erzählt der Oldenburger Regisseur Torsten Körner von selbstbewussten Frauen im sozialistischen Deutschland

Der Kampf für Bürgerinnenrechte führte schon Anfang der 1980er oft in den Knast Foto: Majestic/RBB media

Von Wilfried Hippen

Die Publizistin Annette Leo nennt „die Emanzipation der Frauen das schönste Erbe der DDR“. Sie sagt das nicht nur als gestandene Historikerin, sondern auch als Zeitzeugin in Torsten Körners Film „Die Unbeugsamen 2“. Mit dem ergänzt er seine Sammlung von Filmporträts bundesdeutscher Politikerinnen, die 2021 in die Kinos gekommen war unter dem Titel „Die Unbeugsamen“. Die Dokumentation des Oldenburger Regisseurs war damals ein großer Erfolg an den Kinokassen.

In Teil zwei nun geht es um die Stellung der Frauen im real existierenden Sozialismus. Und Leos Bonmot ist einer seiner Kernsätze. Das durchaus irritiert. Denn Lobgesänge über die Gleichberechtigung der Frauen in der DDR werden in der Dokumentation nun wirklich nicht gesungen, wie der Untertitel „Guten Morgen, ihr Schönen!“ zumindest andeutet. Wenn die Frauen im Osten tatsächlich ein wenig mehr am Patriarchat gerüttelt haben als in der BRD, dann nicht, weil dies den Idealen des Sozialismus entsprach, sondern (schön marxistisch: Das Sein bestimmt das Bewusstsein) aus ökonomischen Gründen. Es gab nicht genügend Arbeitskräfte in dem kleinen Land. Also mussten die Frauen mit in die Produktion.

„Eine Hausfrau zu sein, war auch was ganz Negatives!“, sagt die in Schwerin aufgewachsene Schauspielerin Katrin Sass. Tatsächlich erzählen die 15 Frauen, die Körner über ihre Sozialisation in der DDR befragte, vor allem von ihren Berufen und Berufungen – und dies sind trotz allem fast immer Erfolgsgeschichten: Brunhilde Hanke war Oberbürgermeisterin von Potsdam, wurde aber, wie der Film belegt, als „Frau Oberbürgermeister“ angeredet. Doris Ziegler ist Malerin, Katja Lange-Müller Schriftstellerin, die Rostocker Friedensaktivistin Ulrike Poppe wurde Brandenburgs erste Beauftragte für die Stasi-Unterlagen und Tina Powileit ist eine der immer noch sehr wenigen Schlagzeugerinnen im Land.

Filmpremiere „Die Unbeugsamen 2 – Guten Morgen, ihr Schönen!“, 29. 8., 19 Uhr, Abaton, mit Regisseur Torsten Körner. Zugleich Bundesstart

Ja, in diesem Film reden viele Frauen in die Kamera, aber er ist dennoch alles andere als eine Parade von „talking heads“. Denn einerseits wurden die Interviews so geschickt geführt und montiert, dass die Gesprächspassagen durchweg kurz und pointiert sind. Zum anderen hat Körner ihre Erinnerungen mit vielen Auszügen aus Defa-Filmen, Beiträgen des DDR-Fernsehens, historischen Foto- und Musikaufnahmen passend unterfüttert. Dabei trifft er immer dann genau, wenn das Archivmaterial durch die Zeitzeuginnen als Propaganda entlarvt wird. Manchmal fechten die historischen Aufnahmen dies sogar unter sich aus. So etwa in einer sehr komischen Parallelmontage, bei der zwischen Bildern von Frauen in ekstatischem Ausdruckstanz und marschierenden Soldaten der Volksarmee hin und her geschnitten wird.

Mehr als die Hälfte des Films besteht aus solchem „found footage“, und Körner nutzt es nicht etwa nur, um die Scheinheiligkeit der Staatsideologie zu illustrieren. Auch hier erzählt er von den kleinen Freiheiten, die Künstlerinnen und Künstler in der DDR hatten, etwa wenn er Ausschnitte von rebellischen Defa-Filmen wie „Solo Sunny“, „Das Kaninchen bin ich“ oder „Die Legende von Paul und Paula“ zeigt und dem Dokumentationszyklus „Wittstock“ von Regisseur Volker Koepp gleich ein ganzes Kapitel über dessen Prota­gonistin, die Abteilungsleiterin Renate Strothmann, widmet.

„Eine Hausfrau zu sein, war auch was ganz Negatives!“

Katrin Sass, Schauspielerin

Außerdem hat Körner eine Vielzahl von Fotografien (im zu Recht gerühmten sozialdokumentarischen Stil), Wandgemälden (mit einem ästhetischen Mehrwert, der über die Staatsreklame hinausgeht) und Liedern von Künst­le­r*in­nen wie Veronika Fischer, Nina Hagen und Manfred Krug integriert. Sogar das DDR-Sandmännchen hat einen Auftritt, allerdings mit einem der Sendung zugehörigen Werbefilm für die Volksarmee im Kinderfernsehen als Widerhaken.

Ulrike Poppe aus Rostock ist stabil demokratisch Foto: Majestic/Misselwitz

Der Film ist voll mit solchen Widersprüchen, aber Körner zeigt hier eben auch, wie reich und widerspenstig die Kultur in der DDR sein konnte. Auch in diesem Sinne präsentiert er einen Teil des schönen Erbes des untergegangenen Landes.

Der Fall der Mauer und die folgende „Abwicklung“ der DDR wird ebenfalls komplex behandelt. Für die Frauen bedeutete er oft nicht nur eine Befreiung, sondern auch einen Verlust. Die Blockwalzerin und Volkskammerabgeordnete Katrin Seyfarth sagt es so: „Die Frauen haben sehr darunter gelitten … auf einmal auf dieses Minimum reduziert zu sein: Haushalt, Familie.“ In diesem Sinne ging mit der DDR auch die hart erfochtene Emanzipation der Frauen wieder den Bach hinunter.

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