Russische Attacken auf die Ukraine: Koordinierter Raketenangriff

Zahlreiche Regionen in der Ukraine standen am Montag unter massivem Beschuss. Es war einer der größten und längsten russischen Angriffe in diesem Jahr.

Bei einem der schwersten Luftangriffe seit Wochen suchen Menschen am Montag in Kyjiw Zuflucht in einer U-Bahn-Station Foto: Yevhenii Zavhorodnii/reuters

KYJIW taz | Russland hat am Montag einen der größten und längsten Raketen- und Drohnenangriffe auf die Ukraine in diesem Jahr verübt. Auch am Nachmittag waren noch russische Kamikazedrohnen im ukrainischen Luftraum unterwegs. Es ist unklar, wie viele der anfliegenden Raketen und Drohnen von der Luftverteidigung abgewehrt werden konnten. Es gab mehrere Tote und Verletzte. Bis Redaktionsschluss war das Ausmaß der Schäden noch nicht absehbar.

Nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hat Russland das Nachbarland mit mehr als 100 Raketen und Marschflugkörpern verschiedener Typen attackiert. Dazu kamen mehr als 100 Shahed-Angriffsdrohnen iranischer Bauart sowie vergleichbare Modelle. Der Massenangriff war wohl koordiniert: Schon nach Mitternacht waren aus verschiedenen Richtungen Drohnen aus Russland in die Ukraine eingedrungen.

In Kyjiw gab es gegen 3 Uhr den ersten Luftalarm, gegen 6 Uhr dann den zweiten. Gut eine Stunde später kamen Raketen und Marschflugkörper dazu, die von Flugzeugen aus dem russischen Luftraum abgefeuert wurden. So können sie von der Ukraine nicht aufgehalten werden: Zum einen darf das Land westliche Waffensysteme nicht gegen Basen auf russischem Territorium einsetzen, zum anderen sind sie auch zu weit entfernt.

Der Telegram-Kanal von Kyjiws Bürgermeister Vitali Klitschko berichtete von mehreren Explosionen im Stadtgebiet. Ob es sich tatsächlich um Raketeneinschläge handelte, war noch unklar. „Die Luftverteidigung arbeitet“, heißt es dort. Wenn sie eine Rakete abfängt, geht das in der Regel auch mit einer Explosion einher. In der Hauptstadt dauerte der Luft­alarm 7 Stunden und 46 Minuten.

Versteckt im Korridor

Yulia, die in Kyjiw am östlichen Ufer des Dnipro wohnt, schickt der taz am Vormittag eine Nachricht: „Mir geht es gut. Ich verstecke mich noch immer im Korridor“. Wenn es keinen Luftschutzkeller gibt oder man es nicht mehr dorthin schafft, soll man möglichst einen fensterlosen Raum im Inneren eines Gebäudes aufsuchen. Sie habe mehrere Explosionen gehört. Als es eine weitere Explosion gibt, schreibt sie, „Oh mein Gott. Das war nah.“

Ähnliche Meldungen häufen sich den ganzen Vormittag über aus vielen Regionen in der ganzen Ukraine. Angriffe werden unter anderem aus Odessa, Dnipro, Krywyj Rih und Saporischschija gemeldet. Auch in den frontnahen Regionen Sumy und Charkiw im Nordosten gibt es Luftalarm. Die ukrainische Luftwaffe meldete den Anflug ballistischer Raketen in den Regionen Lwiw und Wolyn an der polnischen Grenze. Dort, in der Stadt Luzk, schlug eine Rakete in ein mehrgeschossiges Wohnhaus ein. Dabei soll es Todesopfer gegeben haben.

Schutz in der U-Bahn

Die Angriffe galten einmal mehr auch der Energieinfrastruktur der Ukraine. Bei Kyjiw wurde ein Wasserkraftwerk angegriffen. Wie groß der Schaden ist, war am Nachmittag noch nicht klar. In einem Teil Kyjiws setzte für einige Stunden die Wasserversorgung aus, weil die Pumpen nicht mehr funktionierten. In den Metrostationen im Zentrum suchten Tausende Menschen Schutz vor den Luftangriffen.

In Odessa wurde der Tramverkehr eingestellt. Bereits in der Nacht zu Sonntag war in der Stadt Kramatorsk in der Region Donezk ein Hotel bombardiert worden. Ukrainische Quellen sprachen von einer Rakete. In dem Gebäude war auch ein Team der Nachrichtenagentur Reuters untergebracht. Mehrere Journalisten wurden verletzt, ein Sicherheitsberater getötet.

Aufrüstung in Belarus

Unterdessen forderte die ukrainische Regierung Belarus auf, seine Truppenkontingente sowie militärische Ausrüstung von der gemeinsamen Grenze abzuziehen. Eine erhebliche Anzahl von Personal, insbesondere Spezialeinheiten, Waffen und militärische Ausrüstung, darunter Panzer, Artillerie, Antiflugzeugraketen, Luftverteidigungsausrüstung und technische Ausrüstung seien in der Region Gomel nahe der Nordgrenze der Ukraine aufgefahren worden. Auch die Anwesenheit von Söldnern der ehemaligen Wagnergruppe sei erfasst worden, heißt es in einer Erklärung des Außenministeriums unter Berufung auf ukrainische Geheimdienste vom Sonntag.

Belarus solle unter dem Druck Moskaus keine tragischen Fehler begehen, forderte die Ukraine. Im Falle einer Verletzung der Staatsgrenze der Ukraine durch Belarus werde Kyjiw alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um das in der UN-Charta garantierte Recht auf Selbstverteidigung umzusetzen.

Der Sekretär des belarussischen Sicherheitsrates, Alexander Wolfowitsch, sprach laut Nachrichtenportal Nastojaschee Vremja von über 17.000 Soldaten, die an der Grenze stünden. Präsident Alexander Lukaschenko hatte den Schritt vor einigen Tagen in einem Interview mit dem russischen Staatssender Rossija 1 damit begründet, dass die Ukraine die 120.000 bereits an der Grenze stationierten Soldaten um weitere aufgestockt habe.

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