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Krise der LinksparteiBSW bekommt weiteren Zulauf

In Mecklenburg-Vorpommern läuft der Linken-Staatssekretär Friedrich Straetmanns zur Wagenknecht-Partei über.

Wird den Linken-Sticker am Revers wohl ablegen: Friedrich Straetmanns Foto: M.Popow /imago

Berlin taz | Nächster Abgang bei der Linkspartei: Friedrich Straetmanns, Staatssekretär für Justiz, Gleichstellung und Verbraucherschutz in Mecklenburg-Vorpommern, hat seinen Übertritt zum Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) angekündigt. „Die Linke hat politische Kernthemen wie das Thema ‚Frieden‘ aufgegeben“, begründete der 63-jährige Bielefelder seine Entscheidung.

Außerdem beklagte er „unrealistische Migrationsforderungen“, „Nischenpolitik“ und die „Kritikunfähigkeit“ der Parteiführung. Das BSW überzeuge ihn hingegen „mit einer schnörkellosen, sprachlich klaren Orientierung auf die Politikziele, die meine Grundüberzeugungen darstellen“.

Straetmanns saß von 2017 an vier Jahre lang für die nordrhein-westfälische Linkspartei im Bundestag. Aufgrund zu schlechter Listenplatzierung verpasste der Jurist 2021 den Wiedereinzug und wurde kurz darauf überraschend zum Staatssekretär in Mecklenburg-Vorpommern ernannt. Mitglied der Linken war der frühere Sozialrichter seit der Gründung 2007, zuvor gehörte er 20 Jahre der SPD und dann der kurzlebigen WASG an.

Das BSW begrüßte erwartungsgemäß die Entscheidung Straetmanns. Sie kenne ihn „als ausgesprochen fähigen Juristen und guten Politiker“, sagte Parteichefin Wagenknecht dem Nachrichtenportal t-online. „Weitere vernünftige und kluge Köpfe aus meiner früheren Partei werden folgen“, twitterte der BSW-Europaabgeordnete Fabio De Masi.

Weniger begeistert zeigte sich hingegen der Linken-Vorsitzende Martin Schirdewan. Er halte Straetmanns für einen „Charakterzwerg“, sagte Schirdewan am Montag in Berlin und forderte ihn zum Rücktritt auf.

„Aus familiären Gründen“

Landesjustizministerin Jacqueline Bernhardt von der Linken sagte in einer Mitteilung, dass sie ihr bisheriger Parteifreund bereits im Juli darüber informiert habe, aus familiären Gründen zum 1. September dieses Jahres aus dem Amt des Staatssekretärs ausscheiden zu wollen. Wegen eines geordneten Übergangs könne dieser Schritt zum 1. Oktober erfolgen.

„Ich habe deutlich gemacht, dass eine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand zu hohen Versorgungsbezügen aus den vorgetragenen Gründen nicht in Frage kommt“, so Bernhardt. „Allerdings hätte er die Möglichkeit, einen Antrag auf Eintritt in den Altersruhestand zu stellen. Diesen Antrag hat er nicht gestellt“, sagte die Ministerin.

In Mecklenburg-Vorpommern hat das BSW bisher noch keinen eigenen Landesverband gegründet. Trotzdem holte die neue Partei in dem dünn besiedelten Land an der Ostsee bei der Europawahl im Juni mit 16,4 Prozent ihr bundesweit bestes Ergebnis. Die seit Herbst 2021 mit der SPD regierende Linke stürzte hingegen auf 4,9 Prozent ab. Die nächste Landtagswahl findet voraussichtlich im Herbst 2026 statt.

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12 Kommentare

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  • Auch wenn gerade einige Kriege jeden Tag aktuell sind, ist es vielleicht möglich, Kriegsrethorik in diesem Bereich zu belassen?



    Überläufer? Wir sind hier nicht im Krieg und beim Wechsel einer Grünen zur CDU fand sich auch noch anderes Vokabular. Was kommt als Nächstes: "Verräter"?

  • Schon bezeichnend, eine Partei aus Funktionären....lauter Häuptlinge, keine Indianer. Karrieristen aller Länder vereinigt Euch.

  • Opportunismus ist immer mindestens zweifelhaft, aber manchmal sind die Pfründe wohl einfach zu verlockend. Der Herr hätte doch schon viel früher wechseln können, wenn er die Parteiziele des BSW so exakt teilt.

    Ich hatte ja Hoffnung, dass Wagenknecht mit ihrer bedachten Mitgliedersuche wirklich frische Leute anlocken könnte, ohne ein neuer Hort für egozentrische Wahnis zu werden wie jede andere bestehende Partei. Aber daraus wird wohl nichts.

  • Gut so. Gut für das BSW und gut für uns Menschen. Die klare Sprache, ohne Schnörkel und Gelaber, hat nun einen weiteren Linken überzeugt.

    • @Ernie:

      Jo, das BSW hat einen weiteren Linken überzeugt, nicht mehr links zu sein.



      Nach dem Verschwinden der Linken aus den Parlamenten sind demnächst die Grünen die "linkste" in den Parlamenten vertretene Partei in Deutschland. Gell, Herr Kretschmann ... LOL.

  • Je mehr vernünftige Leute der Linken jetzt zum BSW gehen, desto klarer links-sozialdemokratisch vorgeprägt wird das BSW sein, wenn es sich für eine breite Mitgliedschaft öffnet. Desto schwerer wird es dann noch von anderen Bestrebungen zu kapern sein. Mir erscheint die Parteiaufbau-Strategie des BSW sehr gut durchdacht.

    • @Kohlrabi:

      Die Posten werden von Frau Wagenknecht danach verteilt, dass jeder nur sagt, was sie zulässt.



      Das ist keine Partei, sondern eine Sekte mit Wagenknecht als Guru.



      Eine lächerliche Veranstaltung!

    • @Kohlrabi:

      BSW = links sozialdemokratisch?



      Meinen Sie das ernst.



      Nicht einmal Frau Wagenknecht ordnet BSW links ein

      • @GMS:

        Gewiss meine ich das ernst. Freilich räume ich ein, dass das Programm derzeit in den Bereichen Wirtschaft, Soziales, Steuern und Finanzen noch etwas unscharf ist und dass man da Verschiedenes hineininterpretieren kann. Das wird sich bis zur Bundestagswahl klären.

        Die linkssozialdemokratische Ausrichtung macht sich für mich an der Personalauswahl fest. Es gibt da nirgends dubiose Querdenker oder so. In Thüringen ist die Spitzenkandidatin Katja Wolf eine Bürgermeisterin, ehemals Linkspartei. In Sachsen ist mit Sabine Zimmermann eine Gewerkschafterin und ehemalige Abgeordnete der Linken an der Spitze. Im Berliner Landesverband ist Josephine Thyrêt an die Spitze gewählt worden, Betriebsratsvorsitzende bei Vivantes und Aktivistin gegen Klinikschließungen.

    • @Kohlrabi:

      Ja, klug insoweit, als man gezielt Theaterstadl aufführt, und jetzt schon nur noch von früher faselt. Natürlich, die Zuschauer sind schließlich die größte Wählergruppe in M-V.

      Dass die Justiz in M-V dermaßen überaltert ist, sodass der Betrieb in wenigen Jahren grundlegend gestört sein wird, erscheint vor der Abendsonne der nahenden Rente der letzten 10 Jahre nur als Umriss.

      Die Leute, die geblieben sind, fragt man mit einer Mischung aus Anerkennung und Nachsicht nach ihren Gründen – als wäre dieser Wunsch eine zerbrechliche Ablagerung einer provinzialistischen Schicht. Man hat weniger Sympathie für die Bleibenden, als für die Idee des Bleibens. Dieser Mann ist nur einer der Verantwortlichen.

    • @Kohlrabi:

      Das BSW ist links? Ich lach mich schlapp!

      • @Kaboom:

        Allerdings!