Keine Frage von Zahlen

Jüdische Perspektiven auf die Wahlen in Sachsen

Von Anna Hoffmeister

Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland wird es auch in Zukunft geben. Sie wahrzunehmen und anzuerkennen ist daher weiterhin wichtig. Das gilt auch für die jüdische Gemeinschaft. Denn die deutsch-deutsche Teilung hat auch zu erheblichen Unterschieden zwischen dem jüdischen Leben in Ost und West geführt.

Welche Unterschiede das sind, wie die jüdische Gemeinschaft sie wahrnimmt und wie sie damit umgeht, war Thema der Podiumsdiskussion „Jüdisch. Demokratisch. Ostdeutsch.“ am Sonntag in Leipzig. Organisiert von der jüdischen Studentenorganisation Hillel Deutschland, kamen dazu rund 100 überwiegend junge Menschen im Jüdischen Kultur- und Begegnungszentrum Ariowitschhaus zusammen.

Es liegt eine jugendliche Heiterkeit in der Luft. Statt großer Diskussionen herrscht weitgehende Einigkeit. Doch wer ist eigentlich gemeint, wenn von jüdischen Ostdeutschen die Rede ist? Mit Zahlen zwischen 0,03 und 0,08 Prozent leben hier bundesweit die wenigsten Jüdinnen und Juden. Und sie werden immer älter: Nur 20 Prozent sind jünger als 40 Jahre alt. Viele von ihnen sind in den 1990er Jahren aus der Sowjetunion eingewandet, sprechen Ukrainisch und Russisch.

Nora Pester vom Verlag für jüdische Kultur und Zeitgeschichte Hentrich & Hentrich macht deutlich, dass diese Stimmen gehört werden müssen. Denn auch sie waren von den Umstrukturierungen nach der Wende betroffen. Doch was bedeutet die geringe Mitgliederzahl in Ostdeutschland für die jüdische Gemeinschaft und ihre Arbeit?

Zsolt Balla, Rabbiner des Landesverbandes Sachsen, sieht dem gelassen entgegen. „In unserem Orangensaft ist auch nur ein Prozent Konzentrat.“ Das sorgt für Gelächter. Der Einfluss jüdischen Lebens sei eben in den meisten Fällen keine Frage von Zahlen, sondern des Engagements Einzelner.

Mit Blick auf die Landtagswahlen in Ostdeutschland, das Erstarken von Rechten, auch das wird deutlich, braucht es dennoch mehr Verbündete. Denn gerade in Bezug auf die Abgrenzung zur AfD, so meint Joël Ben-Yehoshua von der Universität Jena, sei „auf die Parteien der Mitte kein Verlass“. Aber auch zivilgesellschaftliche Bündnisse seien oft zu inkonsequent, den Antisemitismus in den eigenen Reihen zu benennen.

Abschließend kommen junge jüdische Stimmen zu Wort. Wie sieht die jüdisch-ostdeutsche Utopie im Jahr 2025 aus? Es ist ein Leben ohne Polizeischutz vor der Synagoge, mit freien Tagen an jüdischen Feiertagen und einem koscheren Café um die Ecke.