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Jüdischer Restaurantbesitzer über Hass„Wir lassen uns nicht einschüchtern“

In Chemnitz betreibt Uwe Dziuballa das Restaurant „Schalom“. Es läuft gut, muss aber von der Polizei beschützt werden. Ist die Stadt noch lebenswert?

Macht weiter, trotz Anfeindungen: der Restaurantbesitzer Uwe Dziuballa Foto: Jan Woitas/dpa
Jan Feddersen
Interview von Jan Feddersen

taz: Herr Dziuballa, wie ist es, in Chemnitz das jüdische Restaurant „Schalom“ am Leben zu halten?

Uwe Dziuballa: Meine Familie und ich betreiben das „Schalom“ seit 24 Jahren. Und, ja, wir sind da. Das ist schon fast die Nachricht: Wir sind präsent. Uns gibt es, wir sind da. Die Neugier auf koschere Küche war prinzipiell da.

Im Interview: Uwe Dziuballa

seit 2000 Inhaber des Restaurants „Schalom“, 1965 in Karl-Marx-Stadt (heute: Chemnitz) zur Welt gekommen, Elektroingenieur. Vor Ort unterstützt er alles, was multikulturell ist.

Was unterscheidet Ihre Küche von der anderer Restaurants in Chemnitz?

Nun, wir bereiten die Speisen eben nach jüdischen Regeln zu – koscher. Aber wie das für die jüdische Kultur üblich ist, sind wir immer zum Mix bereit. Mit Lust bereit. Osteuropäisch, mitteleuropäisch, auch sächsisch, aber koscher. Das wurde zunächst von einem älteren Publikum sehr geschätzt, dass es sich jetzt ins Jüngere geändert hat, freut uns.

Haben Sie Anfeindungen erlebt?

Gerade nach dem 7. Oktober, dem Überfall der Hamas-Terroristen gegen Israel, wurde es schwieriger denn je. Wir wollen nicht meckern, aber neulich ist meine Frau von einer, vermuten wir, syrischen Frau beleidigt worden. Wir werden euch alle schlachten, hieß es. Weil der Vorfall gefilmt wurde, haben wir ihn zur Anzeige gebracht, das geht jetzt vor Gericht.

Und zuvor?

Nach dem 7. Oktober stehen wir permanent unter Bewachung durch die Polizei. Ehrlich gesagt haben wir das nie gewollt. Aber es hat natürlich negative Resonanzen gegeben.

Weil Jüdisches mit Israelischem gleichgesetzt wird?

Meinetwegen auch das, aber das stört uns nicht. Was aber auffällt, ist, dass der 7. Oktober und die israelischen Reaktionen auf die Terroranschläge zum Vorwand genommen wird, um an uns als Juden sein oder ihr Mütchen zu kühlen.

Inwiefern?

Als wir im Herbst auf Social Media ankündigten, für drei Wochen wegen unseres Urlaubs zu schließen, hieß es bei manchen: Jetzt wollt ihr wohl auch Kinder töten, ihr Schweine. Als Gastronom, der nicht oft Ferien machen kann, sagte ich mir nur: Töten steht in der Zeit wirklich nicht auf unserer Agenda. Wir sind Deutsche jüdischen Glaubens. Wie es auch Deutsche christlichen Glaubens gibt. Wir sind Teil eines Volks, das nicht homogen ist und nie war.

Scheint ein antisemitisches Ding zu sein.

Zu Coronazeiten haben wir schlechte Erfahrungen gemacht. Als die Lockdowns waren, hieß es in den sozialen Medien, die Juden seien dafür verantwortlich, weil sie an Corona verdienen würden. Es sind Gerüchte, nichts stimmt an ihnen, wie an antisemitischem Geraune ja nie irgendetwas zutraf, aber so war und ist es auch heute.

Sie tragen eine Kippa – mit unseren Berliner Erfahrungen im Kopf gefragt: Können Sie das gefahrlos?

Ich trage sie immer und fast überall. Nicht im Bett und unter der Dusche. Im Sommer ein Strohhut darüber, weil meine Kopfhaut Sonne nicht so gut verträgt. Einschüchtern durch hässliche Kommentare lasse ich mich nicht.

Die Polizei weiß Sie zu schützen?

Ja, das tut sie. Junge Beamte, mit denen man gut auskommt, besonders im normalen Alltag. Ich denke dann immer: Haben die nicht Besseres zu tun, als uns zu bewachen? Aber so ist die Atmosphäre momentan, auch in Chemnitz.

Sind Sie ein tapferer Mann?

Nein. Ich dachte vor zehn Jahren, als wir schon lange unser „Schalom“ hatten, ach, bestimmte Sachen würden sich auswachsen, die Leute würden sich an uns gewöhnen, wir müssen nur durchhalten. Aber so ist es nicht geworden.

Ist Chemnitz weiterhin für Sie und Ihre Familie lebenswert?

Ich bin studierter Elektrotechniker, habe lange in Jugoslawien gelebt und dachte nach der Wende, jetzt wird alles besser. Ist aber nur begrenzt geworden. Chemnitz ist natürlich lebenswert, wir haben gern unser Restaurant hier. Auf ein negatives Erlebnis gibt es 25 positive. Solange das Verhältnis nicht eins zu fünf wird, ist alles relativ gut.

Uwe Dziuballa ist als Gast auf dem taz Panter Forum in Chemnitz am 24. August geladen. Kostenlose Anmeldung ab sofort möglich.

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6 Kommentare

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  • Stattt Flugreisen könnte die TAZ Reisen nach Chemnitz anbieten mit Verköstigung in diesem Restaurant.



    Das fördert Demokratie und Menschlichkeit.

    Alles erdenklich Gute für die Familie!

  • Was hat ein koscheres Restaurant in Deutschland mit Israel oder gar der israelischen Regierung zu tun?



    Exakt so viel wie Domino's Pizza mit der Regierung Meloni - nichts.

    Bei den IS-Attentätern mussten sich hier lebende Muslime publikumswirksam distanzieren und fanden dennoch Schweinsköpfe vor den Moscheen, nach dem Überfall Putins auf die Ukraine bekamen sofort in Deutschland lebende Russen jede Menge Hass ab.

    Es ist immer das Selbe.

  • Ein mutiger Mann. Den solle man unterstützen!

  • Solche Konflikte wie derzeit in Israel führen leider immer wieder dazu, dass Menschen, die mit den Konfliktparteien in Verbindung stehen, angefeindet werden. Das ist eine sehr große Gefahr für das friedliche Zusammenleben hier in diesem Land. Deshalb müssen wir uns alle klar positionieren und uns schützend vor die Opfer der Anfeindungen stellen.

  • Juden mit Israel gleichzusetzen ist natürlich sehr abwegig. Man kann, soll und darf selbstverständlich die derzeitige Politik und das Vorgehen der dortigen Regierung hinterfragen. Viele tun das, viele tun das öfters, siehe den EU-Außenbeauftragten. Unsere Regierung tut das sehr wenig und wenn dann auch noch viel zu leise. Und ja es gibt auch Deutsche mit jüdischen Glsuben die das tun. Je mehr, desto besser. Gerne such in Chemnitz.

  • Ich bewundere Herr Dziuballa für seinen Mut und wünsche ihm und seiner Familie viel Kraft.

    Es ist beschämend, dass ein jüdisches Restaurant nur unter Polizeischutz betrieben werden kann.

    Den ganzen Hatern wünsche ich Magen-Darm-Beschwerden.

    Sollte es mich mal nach Chemnitz verschlagen, werde ich im Schalom die Speisekarte rauf und runter futtern.