Folgen von Lichtverschmutzung: Insekten verschmähen Blätter
Durchgängig eingeschaltete Straßenlampen machen Blätter härter und für Insekten ungenießbar. Darunter könnte die Nahrungskette leiden.
Berlin taz | Straßenlaternen, die die ganze Nacht an sind, verändern die Blattstruktur von Bäumen und machen sie für Insekten ungenießbar. Durch eine verlängerte Photosynthese beeinflusst das künstliche Licht die natürliche Ökologie der Pflanzenwelt, wie eine neue Studie aus China zeigt.
Bevor die Forscher der Chinesischen Akademie der Wissenschaften ihre Proben nahmen, hatten sie bemerkt, dass sich die Blätter in Städten deutlich von jenen in ländlichen Gebieten unterschieden.
„Uns ist aufgefallen, dass im Vergleich zu natürlichen Ökosystemen die Blätter von Bäumen in den meisten städtischen Ökosystemen kaum Anzeichen von Insektenschäden aufweisen. Wir waren neugierig, warum“, wird einer der Studienautoren, Shuang Zhang, im britischen Guardian zitiert.
Eine Erklärung für seine ungewöhnliche Beobachtung lieferten dann die Studienergebnisse, die in der Fachzeitschrift Frontiers in Plant Science veröffentlicht wurden: In Städten verhärten sich die Blätter, deswegen knabbern die Insekten nicht mehr an ihnen.
In den urbanen Gegenden, die nachts am meisten Licht abkriegen, waren die Blätter extrem widerstandsfähig und wiesen keine Insektenbisse auf. Grund dafür soll die Lichtverschmutzung sein. Sie verändert die chemischen Verbindungen, die für die Nährstoffzusammensetzung der Blätter verantwortlich sind. So bekommen die Blätter einen schlechten Geschmack oder werden von Insekten schlechter verdaut.
Lichtverschmutzung setzt Bäumen zu
Warum das passiert, lässt sich von den Wissenschaftlern nicht genau bestimmen. Sie gehen aber davon aus, dass das künstliche Licht – ein zusätzlicher Stressfaktor für Pflanzen – die Photosynthesedauer der Bäume verlängert.
Anstatt ihre Ressourcen allerdings für die Produktion von Biomasse zu verwenden und zu wachsen, verteidigen die Bäume ihre Blätter gegen Pflanzenfresser. Die Blätter werden dadurch nicht nur härter, sondern zersetzen sich auch langsamer. Dies hat Folgen für das Ökosystem, unter anderem für die Verfügbarkeit von Nährstoffen für andere Pflanzen und Lebewesen.
Die Studie verglich Bäume, die sich in Größe, Alter und Standort ähnelten, aber unterschiedlicher Lichtintensität ausgesetzt waren. Insgesamt untersuchten Zhang und seine Kollegen fast 5500 Blätter von japanischen Schnurbäumen sowie Rot-Eschen an 30 verschiedenen Orten in Peking.
Leser*innenkommentare
Woodbine
Es ist längst "zu weit", geehrter Herr Rudi Hamm. Die Zahl der Insekten ist in einigen Gebieten Deutschlands um 80 bis 90 % zurückgegangen.
Der Mensch mit all seinem Krams, nebst Nutz- und Haustieren, besetzt inzwischen über 90 % des Planeten, - für unsere Mitgeschöpfe bleibt nicht mehr viel übrig. Selbst in den ablegensten Gebieten des Planeten leiden sie unter den Auswirkungen unserer schlechten Angewohnheiten. Nichts bleibt ohne Folgen, auch nicht die Dauerbeleuchtung. Oder der ständige Geräusch- und Lärmteppich, mit dem wir alles auslegen.
Mal Nombre
In Städten verhärten sich die Blätter, deswegen knabbern die Insekten nicht mehr an ihnen.
Könnte es nicht auch daran liegen, daß es in Städten generell und dafür maßgeblich weniger Insekten gibt als in Naturräumen? Und daß die trockener Luft Veränderungen in der Blattstruktur hervorruft?
Gestern gesehen: öffentliche geneigte Grünflächen mit Benzin-Rasentrimmer gemäht und anschließend mit Benzi-Laubbläser abgepustet. Das freut das Insekt!
Rudi Hamm
Wenn es so weit ist, dass die Insekten schon von den Blättern an Straßenlaternen abhängig sind, weil der Rest der Natur nicht mehr genug hergibt, dann ist es eh schon zu weit. Und noch eine Frage: Kann es speziell in China nicht auch an der vielen Stadtchemie (Smog, Feinstaub, Heizungsruß, etc.) liegen
Null Substanz
"Anstatt ihre Ressourcen allerdings für die Produktion von Biomasse zu verwenden und zu wachsen, verteidigen die Bäume ihre Blätter gegen Pflanzenfresser."
Das ist etwas anthropozentrisch gedacht. Mag sein, daß dies dabei herauskommt. Wenn ich mal meine Phantasie benutze, könnte es sein, daß durch die längere Photosynthesezeit der Wasserverlust ansteigt und ein Regelmechanismus dafür sorgt, die Cuticula zu verdicken um diesen auszugleichen. Aber wer weis das schon.
Monomi
@Null Substanz Irgendwie müsste bei der Ursachenforschung für die härteren Blätter wohl auch der Temperaturunterschied zwischen Stadt und Land rausgerechnet werden. Der Schluß auf die Lichtverschmutzung erscheint mit den Infos aus dem Artikel doch etwas flott.
95820 (Profil gelöscht)
Gast
@Null Substanz "Das ist etwas anthropozentrisch gedacht."
Etwas?
Sogar die Nahrungskette leidet
wenn der Mensch sich nicht bescheidet. :-)
Ich hoffe, dass sie nicht mal reißt
und dem Menschenkind beweist,
dass es ganz am Ende ist.