: Vor der Zeit zur Strecke gebracht
In einigen Ministerien liegen vorbereitete Gesetze, die es dank vorgezogener Wahlen nur noch bis zum Papierkorb schaffen dürften
VON ULRIKE HERRMANNUND NICK REIMER
Noch sortiert Rot-Grün, welche Gesetze man weiter behandeln will – und was von der Tagesordnung des Bundestages verschwindet, weil die Vorhaben sowieso keine Chance mehr haben. Nächste Woche entscheiden die Fraktionen endgültig, wie sie mit den vorgezogenen Neuwahlen umgehen. Doch schon jetzt zeichnet sich ab: Oft war die politische Facharbeit umsonst, die in den letzten Monaten und Jahren geleistet wurde. So führt allein eine Liste des Bundesumweltministeriums 32 Gesetzestexte auf, die noch auf dem Weg durch Bundestag und Bundesrat sind. Einige Beispiele:
Nichts mehr wird es mit einer Novelle zur Förderung der Kraft-Wärme-Koppelung. Damit sollte diese klimafreundliche Energieerzeugung konkurrenzfähig werden gegenüber konventionellem Strom. Die Union hat bisher noch nie viel Sympathie für Kraft-Wärme-Koppelung gezeigt. Diese Technik dürfte also tot sein.
Ebenfalls auf der Liste: ein Energieeffizenzgesetz, das Energiesparen attraktiv machen sollte. Dieses Anliegen sahen die Stromkonzerne, die um ihren Markt fürchteten, schon immer mit Sorge.
Auch der lang diskutierte Gebäude-Energiepass kommt vorerst nicht. Er sollte Gebäude in Effizienzklassen einteilen – ähnlich wie dies bei Kühlschränken schon lange der Fall ist. Die Immobilienwirtschaft zeigte sich nicht begeistert.
Auch gefährdet ist das Bundeswaldgesetz. Es sollte die Bewirtschaftung, den Pestizideinsatz und die Haftung von Förstern und Wanderern regeln. Im August 2004 wurde der Referentenentwurf vorgestellt, im Winter zwischen den einzelnen Ministerien abgestimmt. Ursprünglich sollte es noch vor der Sommerpause in den Bundestag eingebracht werden. Das ist nun sinnlos geworden – die zweite Lesung war nach der Sommerpause angesetzt. Dieses Schicksal ereilt auch das Urwaldgesetz – das die unkontrollierte Ausbeutung der Urwälder stoppen soll – ebenso wie die Umsetzung der Aarhus-Konvention, die dem Wahlvolk mehr Umwelt-Informationsrechte und Bürgerbeteiligung bringen soll. Auch das neue Bundesjagdgesetz ist zwar geschrieben – aber umsonst. „Teile des Gesetzes stammen noch von den Nazis“, mahnt BUND-Chef Gerhard Timm. „Die Grünen waren die erste politische Kraft, die bereit waren, der mächtigen Jagd-Lobby auf die Füße zu treten.“
Als die Elbe 2002 die Deiche überflutete, da entdeckten alle die Umweltpolitik. Doch danach wurde es zäh. Ein erstes Hochwasserschutzgesetz wies schwere Mängel auf, deswegen sollte schließlich ein zweites folgen. „Bei den letzten Wahlen sind SPD und Grüne mit großen Visionen und wissenschaftlichen Konferenzen wie die Tiger losgestürmt. Beim Hochwasserschutzgesetz sind sie als Bettvorleger gelandet“, urteilt Timm. Problematisch sind vor allem die vielen Ausnahmen für die Landwirtschaft und die Häuslebauer in den Flutungsgebieten. Doch eine verbesserte Novelle wird es vor der Wahl nicht mehr geben – selbst der Fachreferentenentwurf ist noch nicht einmal abgestimmt.
Auch in den anderen Ministerien liegen Gesetze, die es nur noch bis zum Papierkorb schaffen dürften. Ganz oben auf der Liste: das Entsendegesetz, das für alle Branchen einen Mindestlohn ermöglichen sollte. Die Union hat dieses Vorhaben im Bundestag abgelehnt und wird im Bundesrat nicht freundlicher reagieren. Doch das Problem Lohndumping dürfte die Union einholen, sobald sie an der Regierung ist. Gut möglich also, dass die CDU irgendwann doch noch den Mindestlohn entdeckt, um ihre Wähler zu befrieden.
Das Verbot der Kettenduldung wird auch nicht mehr gelingen. Die Ausländerbeauftragten wollten verhindern, dass Flüchtlinge immer nur für kurze Zeit in Deutschland bleiben dürfen und in permanenter Unsicherheit leben. Ob der Bundesrat ein entsprechendes Gesetz absegnen müsste, ist strittig – allerdings gibt es bisher noch nicht einmal einen Entwurf.
Unklar ist noch, was mit dem Präventionsgesetz geschieht, über das der Bundesrat heute abstimmt. Es geht um 250 Millionen Euro, die jährlich für die Gesundheitsvorsorge ausgegeben werden sollen – das Geld würde von den Sozialversicherungen kommen. Schließlich würden sie profitieren, wenn ihre Mitglieder gesünder sind. Mal sehen, ob die Union das heute im Bundesrat auch so sieht.
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