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100 Jahre Rote HilfeDer Anwalt der Unterdrückten

Der Rote-Hilfe-Strafverteidiger Hans Litten machte sich einen Namen als Anwalt von Opfern von Nazi- und Polizeigewalt und nahm sogar Hitler in die Zange.

Das Landgericht in Berlin-Mitte ehrt Hans Litten mit einer Büste Foto: Steinach/imago

Berlin taz | Als „Anwalt des Proletariats“ hat es der einstige Rote-Hilfe-Strafverteidiger Hans Litten in die Serie „Babylon Berlin“ geschafft. In der dritten Staffel – die 1929 spielt – tritt der Anwalt erstmals auf und erklärt die Arbeit der Organisation: „Wir gewähren Rechtshilfe für Unterprivilegierte. Für Arbeiter, für Arbeitslose. Wir beraten die Menschen. Wir vertreten sie vor Gericht. Wir kämpfen für diese Menschen und helfen ihnen so zu etwas, was ihnen zusteht: nämlich zu ihrem Recht!“

Bei ihren Auftritten raucht die Figur Litten eine Kippe nach der anderen. Litten ist eine von wenigen historischen Persönlichkeiten, die mit ihrem tatsächlichen Namen und ihrer historisch verbrieften Geschichte in der Serie vorkommen.

Der echte Hans Achim Litten wurde 1903 in Halle an der Saale geboren und war nach Angaben seiner Nichte Nichtraucher. Abgesehen davon ist seine Darstellung in „Babylon Berlin“ wohl recht originalgetreu. Litten machte sich bereits früh einen Namen als Anwalt von Kom­mu­nis­t*in­nen sowie von Opfern von Nazi- und Polizeigewalt.

Seine Man­dan­t*in­nen wurden ihm immer wieder von der Roten Hilfe vermittelt. Unter anderem verteidigte er im Jahr 1929 De­mons­tran­t*in­nen des sogenannten Blutmai: Auf einer 1.-Mai-Demo waren 33 Zi­vi­lis­t*in­nen getötet worden; Überlebende wurden wegen schweren Landfriedensbruchs angeklagt.

Litten nahm Hitler ins Kreuzverhör

Litten setzte sich gegen den aufkommenden Nationalsozialismus ein. Als sein wohl größter Moment gilt, als der damals 28-jährige Anwalt 1931 in einem Prozess wegen eines SA-Überfalls den „Parteiangestellten“ Adolf Hitler als Zeugen vor das Schwurgericht Berlin-Moabit laden ließ und ihn im Kreuzverhör derartig in die Enge trieb, dass Hitler die Beherrschung verlor und Litten anbrüllte.

Als die Rote Hilfe 1933 verboten wurde, gehörte Litten zu den Ersten, die verhaftet wurden. In den folgenden fünf Jahren war er in verschiedenen Konzentrationslagern und „Zuchthäusern“ inhaftiert. 1938 nahm er sich im KZ Dachau das Leben. In Berlin erinnert die Littenstraße, an der das Amtsgericht Mitte seinen Sitz hat, an den antifaschistischen Anwalt.

Auch ein 2006 gegründetes Archiv zur Geschichte von Soli-Organisationen der Arbeiterbewegung benannte sich nach Hans Litten. Zum Ärger des rechtsextremen Ex-Verfassungsschutzchefs Hans-Georg Maaßen, der 2018 veranlasste, das Litten-Archiv als „extremistische Gruppierung“ in den Verfassungsschutzbericht aufzunehmen.

„Babylon Berlin“ konnte das offenbar nicht schrecken – und das Archiv freute sich über die Figur ihres Namensgebers in der Serie. Der erste Auftritt war sogar eine Pressemitteilung wert. Darin heiß es: „Der Anwalt der Roten Hilfe Hans Litten wird in Babylon Berlin als das dargestellt, was er bestimmt immer auch war: Offen und sympathisch, Hilfesuchenden vorurteilslos zugewandt, gut informiert, außerordentlich engagiert und ‚auch nicht die Bohne‘ extremistisch.“

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9 Kommentare

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  • So von Hallenser zu Hallenser & da meine Beiträge zu Hans Litten eh in der Tonne landen - kl Hinweis zum Archiv.



    www.hans-litten-ar...0-jahre-rote-hilfe



    & schön differenziert ua zur Roten hilfe - zu Hilde Benjamin & zur KPD!



    www.zukunft-brauch...ng.de/hans-litten/



    “Geschrieben von: Thomas Fuchs | Erstellt: 27. Dezember 2022



    Hans Litten (1903–1938)“ - umfänglich -



    “…Litten hatte sich zwar den „Ruf“ eines „Anwalts des Proletariats“ erworben, war aber kein unselbständiges Werkzeug der kommunistischen Partei und ihrer Rechtsschutzorganisation, der „Roten Hilfe“. Daher hatte er schon die nötige Unabhängigkeit, frei zu entscheiden, welche Mandate er übernehmen wollte oder auch rein zeitlich bedingt übernehmen konnte (um dem jeweiligen Fall die gebührende Aufmerksamkeit zu widmen) und welche Prozessstrategie er verwendete. Der Strafverteidiger Litten galt als Verfechter der sog. Konfliktverteidigung, sofern nötig. Diese beinhaltet im Gegensatz zu einer konzilianten Strategie der Verständigung mit Gericht und Staatsanwalt, dass der Verteidiger auch eine härtere Befragung von (Belastungs-)Zeugen durchführt oder – je nach Anlass - …f

  • " Als sein wohl größter Moment gilt, als der damals 28-jährige Anwalt 1931 in einem Prozess wegen eines SA-Überfalls den „Parteiangestellten“ Adolf Hitler als Zeugen vor das Schwurgericht Berlin-Moabit laden ließ und ihn im Kreuzverhör derartig in die Enge trieb, dass Hitler die Beherrschung verlor und Litten anbrüllte."

    --> Das ist noch deutlich untertrieben. Das Verhör durch Litten ließ den GröFaZ über Jahre nicht los. Er wurde auf persönlichen Befehl Hitlers am Tag der Reichtstagsbrandverordnung verhaftet (anwaltverein.de/de...erung/hans-litten).

    Er war einer der wenigen, die Hitler vor der Machtübernahme in die Enge getrieben und aus der Fassung gebracht hatten. Dafür zahlte er aber auch den höchsten Preis: Folter und Misshandlung bis zum Selbstmord aus Verzweiflung (den seine Peiniger interessanterweise verhindern wollten, da sie ihn weiter quälen wollten).

    Merke: Am besten helfen gegen Faschisten gute Anwälte. Gute Richter und Staatsanwälte sind allerdings auch nicht zu verachten.,

    • @Kriebs:

      Merke: Wie das Beispiel Litten zeigt, helfen gute Anwälte nur solange, wie das Recht, nach dem die Anwälte, Richter und Staatsanwälte agieren, dies zulässt. Wenn 'Unrecht' geltendes Recht ist, hilft nur 'Rechtsbruch'. Und 'Rechtsprechung' kann das 'Politik-machen' nicht ersetzen; in einer idealen Demokratie würde die Politik dem Recht immer vorausgehen.

      • @Stoersender:

        "Und 'Rechtsprechung' kann das 'Politik-machen' nicht ersetzen"

        --> Sie haben keine Vorstellung, wie sehr ich diesen Satz als wahr unterstreiche. Ich möchte noch ergänzen, auch Wissenschaft kann Politik nicht ersetzen.

        Die bundesdeutschen Politiker haben verlernt Politik zu machen. Es wird sich regelmäßig versteckt hinter: "Das sagt die Wissenschaft!" oder "Wenn wir was falsch gemacht haben, wird es uns das Verfassungsgericht schon sagen."

        Echte politische Projekte (die auch scheitern können) mit politischen Konsequenzen gibt es doch gar nicht mehr. Fritz Merz hat dem Kanzler mal zugerufen, er sei ein Klempner der Macht. Man möchte ihm sagen: Nicht nur Scholz, sondern im Prinzip der gesamte Bundestag!

      • @Stoersender:

        Es fragt sich auch, wie ein intelligenter Mensch wie Litten es nicht hat kommen sehen. Tucholsky hat nicht gewartet, bis sie ihn verhaftet haben.

        • @Kurt Kraus:

          Mit Verlaub - das fragt sich nicht - bereits zitiert - aber geschreddert s.o. ⛓️



          “…Bereits vor diesem Felseneck-Prozess, in dem Hans Litten vom Gericht als Verteidiger und Nebenklägervertreter abgelehnt wurde, weil er eine „hemmungslose parteipolitische Propaganda im Prozeß entfaltet [und] den Gerichtssaal zum Tummelplatz politischer Leidenschaften“ gemacht habe, hatte Litten einen von der „Roten Hilfe“ gestellten Begleitschutz. Den Vorschlag, für eine Zeit ins Ausland zu gehen, lehnte er mit der Begründung ab:



          „Die Millionen Arbeiter können nicht hinaus, also muß ich auch hier bleiben.“



          de.wikipedia.org/wiki/Hans_Litten



          & der Einfluss seiner Mutter -



          NS-Opfer Irmgard und Hans Litten



          Der lange Kampf einer Mutter um ihren Sohn



          www.deutschlandfun...mpf-einer-100.html



          “„Keine Löwin wäre imstande, so lange und so ausdauernd um ihr Kind zu kämpfen“, sagte der Schriftsteller Max Fürst über Irmgard Litten. © Uccello



          (Ps als ich kurz vor der Wende mit Kollegen “zu Besuch mit Stasi-Begleitung



          im Stadtbezirksgericht Mitte, Oberstes Gericht, GeneralStA vor seiner Büste stand dachte ich: “Aha - kackfrech SED-DDR-usurpiert!“)

          • @Lowandorder:

            Danke für die Details! Carl v.Ossietzky war der Meinung, er schade den Nazis im KZ mehr als draußen. Wie Tucholsky damals schon ahnte und wir heute wissen, war das eine groteske Fehleinschätzung, der auch Litten aufgesessen zu haben scheint. In jedem alliierten Schützengraben wäre beider Tod weniger sinnlos gewesen.

          • @Lowandorder:

            “Aha - kackfrech SED-DDR-usurpiert!"

            -->Mit der SED Diktatur hätte Litten als Intellektueller, noch dazu dem jüdischen zugeneigter, wohl auch gehadert. Fairerweise muss man aber auch zugeben, dass er - als Vertrauensanwalt der roten Hilfe - sich relativ leicht von einem linken System vereinnahmen lässt.

            Dem Mensch Litten wird das wohl nicht gerecht, dem Anwalt der roten Hilfe durchaus.