piwik no script img

Nach der Wahl in VenezuelaAufruf zur digitalen Denunziation

Venezuelas Regierung hat die Zweifel am Wahlsieg Nicolás Maduros bislang nicht ausräumen können, geht aber verschärft gegen die Opposition vor.

Caracas am Mittwoch: Der venezolanische Präsident Maduro spricht auf einer Pressekonferenz im Präsidentenpalast Miraflores Foto: dpa

Bogotá taz | In der Woche nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl verschärft die venezolanische Regierung die Gangart gegen die Opposition. Laut Medienberichten und dem Außenminister von Costa Rica hat das Maduro-Regime Haftbefehle gegen Oppositionsführerin María Corina Machado und Präsidentschaftskandidat Edmundo González erlassen. Costa Rica hat beiden Asyl angeboten. Machado lehnte dankend ab. Sie wolle weiter gemeinsam mit den Menschen kämpfen.

Am Dienstag waren Op­po­si­ti­ons­an­hän­ge­r:in­nen erneut in Massen gegen Maduro auf die Straßen gegangen. Am Mittwoch blieb es überwiegend ruhig in der Stadt. In den Armenvierteln, den früheren Hochburgen des Erdöl-Sozialismus, zeigten Bilder und Videos massive Polizeipräsenz, um Proteste zu unterdrücken.

Verteidigungsminister Vladimir Padrino López nannte die Proteste einen Putschversuch. Dahinter steckten die Faschisten der extremen Rechten, unterstützt würden sie von den nordamerikanischen Imperialisten und ihren Alliierten.

Mindestens 16 Menschen sind laut der Nichtregierungsorganisation Foro Penal und Angaben von Krankenhäusern bei den Protesten inzwischen getötet worden. Darunter soll laut Verteidigungsministerium ein Soldat sein.

Regierung setzt auf digitale Denunziation

Nach offiziellen Angaben wurden bei den Protesten mehr als 1.000 Menschen festgenommen. Die Sicherheitskräfte nahmen auch Wahl­zeu­g:­in­nen fest, berichtet die Washington Post. Sie sind es, die mit den ihnen rechtlich zustehenden Kopien der Wahlprotokolle dazu beitragen können, Wahlbetrug nachzuweisen.

Bei der Verfolgung von angeblichen Staatsfeinden setzt die Regierung auf digitale Denunziation: Präsident Nicolás Maduro hat die Ve­ne­zo­la­ne­r:in­nen aufgefordert, Demonstrierende zu melden, die seinen Wahlsieg anzweifeln. Dazu sollen sie eine App namens VenApp verwenden, die die Regierung 2022 eingerichtet hatte, um Stromausfälle und medizinische Notfälle zu melden. Laut Washington Post verschwand die App am Mittwoch aus den Stores von Apple und Google. Google begründete dies damit, dass sie gegen die Richtlinien gegen Einschüchterung und Schikane verletze. Auch in einem neuen Telegram-Kanal postet die Regierung Fotos von Menschen auf Protesten und bittet um Hilfe bei der Identifizierung.

Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) hat sich am Mittwoch auf keine gemeinsame Resolution einigen können, um Transparenz zu fordern. Auch Brasilien und Kolumbien enthielten sich der Stimme. Obwohl deren linke Präsidenten – Kolumbiens sonst so mitteilungsbedürftiger Präsident Gustavo Petro erst am Mittwoch – zuvor ebenfalls Zweifel an dem offiziellen Wahlergebnis geäußert und eine Veröffentlichung der Ergebnislisten gefordert hatten.

Die US-Regierung hat ihre Wortwahl indes verschärft. „Unsere Geduld und die der internationalen Gemeinschaft endet langsam“, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby. Die Zeit für die venezolanische Wahlbehörde werde knapp, um „vollständige und detaillierte Daten“ zu veröffentlichen, „damit jeder die Ergebnisse sehen kann“.

Carter Center: „Totaler Mangel an Transparenz“

Am Dienstag veröffentlichte das Carter Center, die größte internationale Mission, die mit 17 Mit­ar­bei­te­r:in­nen seit dem 29. Juni den Wahlprozess hatte beobachten können, eine Erklärung: „Die Präsidentschaftswahl hat nicht internationalen Standards genügt und kann nicht als demokratisch angesehen werden“, heißt es da. Die Ausrufung Nicolás Maduros zum Wahlsieger sei durch „einen totalen Mangel an Transparenz“ gekennzeichnet gewesen, es sei nicht möglich, die Wahlergebnisse zu verifizieren.

Viele andere internationale Wahl­be­ob­ach­te­r:in­nen waren ausgeladen worden, wie etwa die Beobachtungsmission der EU, oder durften nicht einreisen.

Präsident Nicolás Maduro hat jetzt den Obersten Gerichtshof des Landes aufgefordert, das Ergebnis der Präsidentschaftswahl zu prüfen. Die Regierungspartei sei zudem bereit, alle Listen der abgegebenen Stimmen zu veröffentlichen, sagte Maduro am Mittwoch. Allerdings ist das Gericht komplett unter Kontrolle der Maduro-Regierung. Die Überprüfung werde nicht unabhängig sein, kritisierte das Carter Center.

Die Opposition hat derweil wie angekündigt alle ihr zugänglichen Wahlprotokolle samt Auswertung auf einer Onlineplattform veröffentlicht. Dort können Wahl­zeu­g:­in­nen zum Beispiel nachschauen, ob die Ergebnisse der Protokolle mit ihren vom Wahlsonntag übereinstimmen. Mittwochabend (Ortszeit) waren über 80 Prozent digitalisiert.

Flugverkehr nach Caracas ist eingeschränkt

Laut der Website hat Oppositionskandidat Edmundo González mit 37 Prozent Vorsprung gewonnen. Laut dem Ergebnis, das der (ebenfalls von Maduro kontrollierte) Wahlrat kurz nach Mitternacht am Montagmorgen verkündete, lag González hingegen 7 Prozentpunkte hinter Maduro.

Der Flugverkehr aus und nach Caracas ist eingeschränkt. Aber nicht etwa, weil Demonstrierende den Flughafen in Maiquetía blockieren würden. Schuld sind die diplomatischen Zerwürfnisse mit Staaten, die das Wahlergebnis anzweifeln oder Transparenz fordern: Dominikanische Republik, Panama und Peru. Ihre Airlines dürfen nicht mehr starten und landen, hat die venezolanische Luftfahrtbehörde verfügt.

Hingegen sind seit Dienstag mindestens drei ungeplante Flieger aus Kuba in Caracas gelandet. Die kubanische Regierung ist eng mit Maduro verbündet. Es ist unklar, was die Flugzeuge geladen hatten. Die Zeitung Diario Las Americas schreibt, dass Maduro nicht einmal seinen eigenen Militärs traue und daher möglicherweise Spione aus Kuba einfliegen würden. Denn die unteren und mittleren Ränge litten, anders als die Generäle, ebenfalls unter der Wirtschaftskrise.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare