: Freispruch in Athen
Der Mord an einem Polizeireporter in Griechenland bleibt nach einem Prozess ungelöst. Es ist die neueste Blamage für Mitsotakis’Regierung
Aus Athen Ferry Batzoglou
Die Brüder brechen in Tränen aus, sie umarmen sich. Gerade hat das Geschworenengericht in Athen an diesem 31. Juli das mit Spannung erwartete Urteil im Mordfall Giorgos Karaivaz gefällt: Das Gericht stimmt für den Freispruch der beiden angeklagten Männer. Ihre Freunde und Verwandte weinen vor Freude im proppenvollen Gerichtssaal – mehr als drei Jahre nach der schrecklichen Tat.
Der Polizeireporter Giorgos Karaivaz war am 9. April 2021 am helllichten Tag vor seiner Athener Wohnung auf offener Straße niedergeschossen worden. Der brutale Mord schlug auch fernab von Griechenland hohe Wellen. Erst zwei Jahre nach der Tat nahm die Polizei zwei Tatverdächtige fest, eben die beiden Brüder. Prompt kamen sie in U-Haft, nun folgte der Freispruch. Das Gericht hegte Zweifel daran, dass sie wirklich Karaivaz’Mörder sind.
Für die konservative Regierung in Athen unter Premierminister Kyriakos Mitsotakis ist der Ausgang des Verfahrens eine Blamage. Kritiker, darunter internationale Presseorganisationen, monierten zunächst, die griechischen Behörden seien bei der Suche nach den offenkundig als Auftragsmörder agierenden Tätern auffällig lange nicht fündig geworden. Sie forderten eine rasche Aufklärung. Der Umstand, dass Karaivaz über dubiose Verbindungen zwischen Kriminellen und der Polizei recherchierte, nährte die Befürchtung, wonach Mitsotakis und Co wohl kein gesteigertes Interesse daran haben dürften, im Fall Karaivaz Licht ins Dunkel zu bringen. Stichwort: Vertuschung.
Unmittelbar nach der Festnahme der beiden Brüder platzte dem damaligen Bürgerschutzminister und engen Mitsotakis-Vertrauten, Takis Theodorikakos, der Kragen: „Wer diesen tragischen (Mord-)Fall dafür benutzt hat, um die Regierung und die griechische Polizei zu verleumden, sollte sich entschuldigen.“ Doch nun entpuppen sich die von Mitsotakis’Regierung mit viel Tamtam gefeierten Festnahmen, die ausgerechnet kurz vor den jüngsten Parlamentswahlen in Athen erfolgten, letztlich nur als Luftnummer.
Schlimmer noch: In dem Prozess kam zum Vorschein, dass eine CD mit den WhatsApp-Kontakten von Karaivaz mit einem Hefter durchstochen und so vernichtet wurde. Ein hochrangiger Regierungsvertreter und der Ex-Geheimdienstchef sollen zu Karaivaz’WhatsApp-Kontakten gehört haben.
Doch nicht nur die vermeintliche Aufklärung im FallGiorgos Karaivaz verlief in diesen Tagen im Sande. In dem gigantischen Athener Abhörskandal, Griechenlands Watergate, der ebenfalls in die Amtszeit von Mitsotakis fällt, liegen keine Straftaten vonseiten des involvierten Geheimdienstes EYP, von Beamten sowie von Regierungsleuten vor, wie aus einem Bericht der Staatsanwaltschaft am Obersten Gerichtshof in Athen hervorgeht – die von einer von Mitsotakis ins Amt gehievten Staatsanwältin geleitet wird.
Und dies, obgleich die Staatsanwaltschaft in einem 286 Seiten starken Bericht einräumt, dass in insgesamt 116 Fällen Politiker, Wirtschaftsvertreter, Militärangehörige sowie Medienschaffende Ziele der berühmt-berüchtigten Spionagesoftware Predator (Raubtier) gewesen seien. In zwei Fällen sei dies mit Erfolg geschehen, indem die Opfer ahnungslos auf den zugesandten Link klickten. Ferner habe der Geheimdienst EYP 28 dieser Ziele auf konventionelle Weise ausgespäht.
Reporter ohne Grenzen
Den Umgang mit dem Abhörskandal kritisiert die Athener Investigativgruppe Reporters United. Sie enthüllte, dass Minister Adonis Georgiadis 2021 elfmal eine Predator-SMS erhielt, obwohl er nie darauf klickte. Über die wiederholten Abhörversuche habe ihn die Athener Datenschutzbehörde informiert. Dennoch habe er keine rechtlichen Schritte unternommen, sondern die Regierung stets verteidigt, stellt RU fest.
Auch andere NGOs sind alarmiert. Für Reporter ohne Grenzen befindet sich die Pressefreiheit in Griechenland „seit 2021 in einer systemischen Krise“. In der aktuellen Weltrangliste belegt Griechenland Platz 88.
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