Roman von Cormac McCarthy als Comic: Dreck und Mühsal

Zeichner Manu Larcenet adaptiert mit seinem lakonisch realistischen Comic „Die Straße“ erfolgreich den Roman von Cormac McCarthy.

Bilder des Untergangs und der Einsamkeit: ein Panel aus „Die Straße“ Foto: Reprodukt

Wolken, die sich zusammenballen. Keine weißen Wolken an einem freundlichen, blauen Sommerhimmel, sondern bedrohliche, überwiegend schwarze Gebilde, die auf- und niedersteigen. Aschewolken, die als dichtes, erstickendes Gestöber über das Land ziehen können und vor denen ein hohläugiger Mann und ein kleiner Junge unter einer Plastikplane notdürftig Schutz suchen.

Schon die ersten beiden Seiten von „Die Straße“ machen, ohne dass ein Wort fiele, sofort deutlich: Dieser Comic zeigt eine Welt, in der bereits die Hoffnung auf mehr als das nackte Überleben eine Kühnheit darstellt.

Was genau geschehen ist, bleibt zwar unklar, vermuten lässt sich aber, dass die Erde nach einem größeren atomaren Schlagabtausch seit Jahren von einem nuklearen Winter heimgesucht wird. Das Gebiet, durch das der Vater und sein Sohn langsam zu Fuß ziehen, auf dem Weg in wärmere, südliche Gefilde, waren einmal die USA.

Alles ist tot und verbrannt, die Städte ebenso wie die Wälder und Tiere. Etwas anzubauen und zu ernten, ist unmöglich; die einzige Nahrung, die sich hier und dort noch auftreiben lässt, besteht aus Konserven. Da diese aber nur selten zu finden sind, ist unter den wenigen Überlebenden der Kannibalismus zu einer gängigen Praxis geworden.

Manu Larcenet: „Die Straße. Nach dem Roman von Cormac McCarthy“. Aus dem Französischen von Maria Berthold und Heike Drechsler. Reprodukt Verlag, Berlin 2024, 160 Seiten, 25 Euro

Ins Archaische zurückgestürzte Horden halten sich Menschen als Frischfleisch. Dem Zusammenbruch der Zivilisation entspricht der komplette Verlust von Humanität – an der gleichwohl der Vater mit verzweifelter Kraft festzuhalten versucht: „Wir sind die Guten“, versichert er seinem Sohn immer wieder.

„Die Straße“ ist eine Adaptation des gleichnamigen, 2006 erschienenen Romans des im letzten Jahr verstorbenen US-amerikanischen Autors Cormac McCarthy. Von den zahlreichen populären Filmen, Comics und Büchern mit einem postapokalyptischen Setting unterscheidet sich McCarthys Werk entschieden. In ihm gibt es nicht die geringste Spur von Abenteuer und Heldentum, nur Dreck und Mühsal, Erschöpfung und Schmerzen.

Von unschätzbarem Wert sind Dinge geworden, die früher alltäglich waren: ein Fernglas, mit dem sich nach Bedrohungen Ausschau halten lässt; eine halb zerrissene Landkarte; ein Einkaufswagen aus einem Supermarkt, in dem Vater und Sohn ihre paar Habseligkeiten transportieren; ein Revolver, in dem nur noch zwei Kugeln stecken.

Mit „Brodecks Bericht“ (2016) hat der französische Comic-Zeichner Manu Larcenet schon einmal ohne Qualitätsverluste einen Roman in einen Comic übertragen. Hier ist ihm dies erneut gelungen. Dem unbarmherzigen, lakonischen Realismus McCarthys bleibt er mit fast ausschließlich schwarz-weißen Bildern und kleinformatigen Panels, in denen die Figuren wie eingesperrt wirken, treu. Dass er sich dem Pittoresken und Schauerlichen, das der Roman weitgehend meidet, nicht völlig entziehen kann, liegt in der Natur des Mediums Comic: Ruinen haben ihre eigene Ästhetik, und die Zeichnung einer mumifizierten Leiche oder der Überreste eines kannibalistischen Mahls ist zwangsläufig eindringlicher als deren Beschreibung in ein, zwei Sätzen.

Roman wie Comic finden schließlich zu einem unerwarteten, gedämpften Happy End. Allerdings mit einem Unterschied: Mit der Schilderung einer Forelle in einem Gebirgsbach lässt McCarthy im letzten Absatz kurz die Schönheit der Welt vor ihrem Untergang aufleuchten. Im Comic ballt sich zum Abschluss dagegen eine riesige, die ganze Seite einnehmende Aschewolke.

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