Long-Covid-Erkrankung: Das zehrende Ringen um Anerkennung

Paula Büttelmann infizierte sich mit Corona, erkrankte am Chronischen Fatigue-Syndrom. Die Sportstudentin schafft heute nicht mehr als 600 Schritte am Tag.

Bundesweit machen Menschen auf ME/CFS Erkrankung aufmerksam. Hier bei einer Liegenddemo in Berlin Foto: Jörg Carstensen/dpa

HAMBURG taz | Paula wirkt wie eine sehr aufgeweckte Person, aber nach einem halbstündigen Zoom-Gespräch wird sie sich erst mal wieder hinlegen. Es bleibt ihr einziger Termin an diesem Tag, die restliche Zeit verbringt sie im Bett.

28 Jahre alt ist Paula. Vor gut zwei Jahren hat sie sich mit Corona infiziert. „Ich hatte kaum Symptome, wusste es nur, weil der Test positiv war“, erzählt sie. Erst drei Monate später kam ME/CFS, umgangssprachlich auch chronisches Fatigue-Syndrom genannt, eine besonders starke Variante von Long-Covid-Erkrankungen.

Die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg zählte allein in den ersten drei Quartalen des vergangenen Jahres knapp 14.000 Fälle von Post-Covid-Krankheiten. Am Severe-ME-Awareness-Day forderten rund 100 De­mons­tran­t*in­nen vor dem Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) mit einer Liegenddemo eine bessere Versorgung und mehr Forschung.

Für Paula ist eine Demo zu anstrengend. Ihr Lehramtsstudium in Geografie und Sport hat sie schon längst aufgeben müssen und bereits zu Beginn der Krankheit war sie stark eingeschränkt: „Bis zur nächsten U-Bahn nahm ich für eine Haltestelle den Bus, das konnten meine Kom­mil­i­to­n*in­nen überhaupt nicht verstehen.“ Ihnen wirft sie das nicht vor, aber über Ärzte kann sie sich aufregen.

Paula Büttelmann leidet seit über 2 Jahren an Long-Covid Foto: privat

Vor Kurzem war sie in der Klinik der Berufsgenossenschaft in Bergedorf. Dort können sich Long-Covid-Erkrankte, die sich auf der Arbeit angesteckt haben, untersuchen lassen. Die Erfahrung, die sie dort machte, war jedoch unterirdisch. „Ich hatte Atteste von anderen Ärzten dabei, die ME/CFS diagnostiziert haben. In Bergedorf machten sie viele Untersuchungen, aber weil die Ergebnisse in kein Schema passten, attestierten sie mir eine psychosomatische Erkrankung.“ Sie verschrieben ihr Psychotherapie und „Aktivierung“.

Das klingt absurd und macht Paula wütend, denn nichts sei in dieser Situation schlimmer, als sich zu überlasten und wenn alles auf die Psyche geschoben wird. Ihr maximales Bewegungspensum liegt bei 600 bis 700 Schritten am Tag. Darüber hinauszugehen, kann zu einem Crash führen, dann ist sie für fünf bis 14 Tage noch platter als ohnehin schon.

Selbst der Elektrorollstuhl löse viele Probleme nicht. Die Geräusche und der Stress auf der Straße – das sei einfach zu viel. „Ich habe jetzt eine 50-prozentige Behinderung bestätigt bekommen, mit der ich Bus und Bahn fahren darf, aber die kann ich aufgrund von Reizüberflutung sowieso nicht benutzen.“ Viele andere Menschen in ihrer 70-köpfigen Selbsthilfegruppe kämpfen um Anerkennungen. „Fast alle haben einen Anwalt“, sagt Paula.

Trotz ihrer wenigen Energie beschäftigt sich Paula anscheinend sehr viel mit dem Thema. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nehme Long Covid ernst, spreche von einer Volkskrankheit. Es gebe auch einen Bundesausschuss, der Richtlinien für den Umgang mit Long Covid auf den Weg gebracht hat, aber in Hamburg scheine das niemanden zu interessieren.

Nach dem Haus- und Facharzt sollen Betroffene eine Long-Covid-Ambulanz aufsuchen. „Hier gibt es das aber nicht“, sagt Paula. In Bergedorf könnten sich eben nur Menschen untersuchen lassen, die sich auf der Arbeit angesteckt haben und das UKE wolle eine solche Ambulanz nicht einrichten.

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