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Demokraten im US-WahlkampfZum Leben erweckt

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Kamala Harris zieht mit Tim Walz in den US-Wahlkampf. Das ist nachvollziehbar, denn schaden wird er ihr nicht – und damit auch nicht der Euphorie in der Partei.

Begeisterte Unterstützung und nicht mehr Grabesstimmung: Die Demokraten Foto: Michael Brochstein/imago

N atürlich ist es auch eine geskriptete Euphorie, die von dem neuen demokratischen Ticket für die US-Präsidentschaftswahl ausgeht. Mit Kamala Harris und Tim Walz stehen jetzt zwei an der Spitze, die vermutlich aus einem offenen Vorwahlprozess nicht als Sie­ge­r*in­nen hervorgegangen wären. Aber nicht nur die Zehntausend, die in Philadelphia dem ersten gemeinsamen Auftritt beiwohnten, feiern sie geradezu frenetisch, auch die liberalen Medien und die Spen­de­r*in­nen überschlagen sich vor Begeisterung.

Der Grund ist einfach Erleichterung. Noch vor drei Wochen schien die Demokratische Partei klinisch tot. Mit jedem Tag, an dem Joe Biden beteuerte, er bleibe im Rennen, schienen sich mehr De­mo­kra­t*in­nen in ihr Schicksal zu ergeben. Eine katastrophale Wahlniederlage im November schien unvermeidlich, womöglich nicht nur im Rennen ums Weiße Haus, sondern auch für beide Kammern im Kongress.

Es kam anders, und die Erleichterung über Bidens Abgang ist in Energie umgeschlagen. Mindestens bis zum Ende des demokratischen Nominierungsparteitags (9. bis 22. August in Chicago) dürften Aufbruchstimmung und Geschlossenheit anhalten.

Die Auswahl von Tim Walz anstelle des Gouverneurs von Pennsylvania, Josh Shapiro, ist dabei nachvollziehbar. Shapiro hätte als klar proisraelisch positionierter jüdischer Politiker womöglich jene linken und arabischstämmigen Wäh­le­r*in­nen weiter abgeschreckt, auf deren Stimmen Harris auch angewiesen ist. Und er hätte im Gegensatz zu Walz womöglich nicht vermocht, sich hinter ihr einzureihen.

Walz wird Harris also vermutlich nicht schaden. Er hat in republikanischen Landstrichen bereits Stimmen für die De­mo­kra­t*in­nen gewonnen. Auch jetzt könnte er dabei helfen, auch wenn man die Rolle von Vizekandidaten nicht überbewerten sollte. Wenn Harris ohne Fehltritt bleibt und beide ihre Botschaften gut abstimmen, gibt es wieder eine Chance, Trumps Sieg zu verhindern. Eine Chance, mehr nicht. Aber immerhin das.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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3 Kommentare

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  • "Die Auswahl von Tim Walz anstelle des Gouverneurs von Pennsylvania, Josh Shapiro, ist dabei nachvollziehbar. Shapiro hätte als klar proisraelisch positionierter jüdischer Politiker womöglich jene linken und arabischstämmigen Wäh­le­r*in­nen weiter abgeschreckt, auf deren Stimmen Harris auch angewiesen ist."

    Diese Darstellung finde ich probelmatisch, weil undifferenziert. Shaprio ist ein klarer Kritiker Netanyahus und ist nicht proisraelischer positioniert als Tim Walz. Auf Grund von Antisemitismus wird Shapiro jedoch - bloß weil er jüdisch ist - nicht zugestanden, eine differenzierte Sicht auf die israelische Politik zu haben.

    Hier ein interessanter Artikel zur Wahl von Walz statt Shapiro aus einer liberalen jüdischen US-amerikanischen Perspektive:

    jweekly.com/2024/0...d-hes-not-running/

  • Ich freue mich einfach sehr über Harris und die Stimmung die sie miteingebracht hat.

    Gute Laune, kluge, emotionale mitreissende Reden und Vertrauen in Menschen!



    Gefällt mir! Gewinnt!

  • "Kamala Harris zieht mit Tim Walz in den US-Wahlkampf. Das ist nachvollziehbar, denn schaden wird er ihr nicht – und damit auch nicht der Euphorie in der Partei."



    Ungeschickt dargestellt. Wenn das der Hauptgrund ist, ist das



    a) sehr traurig



    b) überoptimistisch; Harris wird bei ihren Beliebtheitswerten jede Unterstützung brauchen, die sie kriegen kann