Talfahrt der Börsen: Erst mal kein Grund zur Panik

Schlechte US-Arbeitsmarktzahlen ließen die Börsenkurse zeitweise rutschen. Doch sollte eher der Krieg im Nahen Osten beunruhigen.

Am Montag war die Stimmung auf dem Börsenparkett der Wall Street nicht die beste Foto: Richard Drew/ap

BERLIN taz | Heute scheint die Welt wieder in Ordnung zu sein. „Was in Tokio passiert ist, war nicht normal im Sinne neuer Informationslage“, sagt Thomas Theobald, Finanzmarktexperte beim Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), einen Tag nach dem Börsenrutsch. Doch das sei kein Grund zur Panik gewesen. „Gesunde Gegenbewegungen“ hätten inzwischen dafür gesorgt, dass sich die Lage wieder beruhigt.

Thomas Theobald, Finanzmarktexperte

„Was in Tokio passiert ist, war nicht normal“

Am Montagmorgen hatte zunächst eine Hiobsbotschaft die Finanzwelt erschüttert: Der japanische Aktienleitindex Nikkei war um 12,4 Prozent eingebrochen. Das war der größte Kursrutsch seit 1987. Andere Börsen wurden mit der schlechten Stimmung angesteckt. Auch der deutsche Leitindex DAX rutschte am Montag um 1,82 Prozent auf 17.339 Punkte ab. Doch die Erholung folgte sogleich. Der Nikkei stieg am Dienstag wieder um ebenfalls rekordverdächtige 9,4 Prozent, auch in Frankfurt kletterten die Aktienkurse wieder nach oben. Es war also alles doch nicht so schlimm.

Dabei sind Aktienkurse so etwas wie Wetten auf künftige Gewinne. Steigen sie, dann bedeutet das, dass die Investoren davon ausgehen, dass die Unternehmen ordentlich Gewinne machen. Gleichzeitig sinken sie, wenn die Geschäftsaussichten mau sind. Insofern sind die Finanzmärkte eigentlich so etwas wie ein Spiegel der Wirtschaft. Zumindest in der Theorie. Denn praktisch gibt es eine Reihe weiterer Faktoren, die die Börsenkurse beeinflussen.

Zum einen ist auf den Finanzmärkten eine ganze Menge Psychologie mit im Spiel. Zum anderen beeinflussen auch die Notenbanken die Börsenkurse maßgeblich. Senken sie ihre Zinsen, dann bedeutet das frisches Kapital für die Finanzmärkte, was wiederum die Aktienkurse in die Höhe treibt. So kam es schon häufiger vor, dass es den Börsen gut ging, obwohl die Realwirtschaft darbte.

„Übertriebene Marktpsychologie“

Beim jüngsten Kursrutsch war laut Experte Theobald eine gute Portion „übertriebene Marktpsychologie“ mit im Spiel. Denn der Auslöser waren neue Konjunkturdaten aus den USA. Doch die sind eigentlich gar nicht so schlecht, wie die Reaktion der Börsen erwarten ließ. Was die Börsen aufschreckte, war die Nachricht, dass in den USA im Juli weniger neue Arbeitsplätze geschaffen wurden als zunächst erwartet. So kamen „nur“ 114.000 neue Jobs außerhalb der Landwirtschaft hinzu. Experten hatten mit rund 175.000 gerechnet.

Für Theobald rechtfertigt dies nicht die Stärke der Kursrutsche. „Zwar zeichnet sich eine Konjunkturdelle in den Vereinigten Staaten ab, eine Rezession ist derzeit aber nicht in Sicht“, sagt er. So ist die US-Wirtschaft bisher relativ gut durch die letzten Krisen gekommen. Im vergangenen Jahr wuchs sie um 2,5 Prozent. Zum Vergleich: Die deutsche Wirtschaft schrumpfte 2023 um 0,3 Prozent.

„Es ist weniger überraschend, dass die US-Wirtschaft einen Zinsdämpfer erfährt, sondern dass sie so lange so robust durchgehalten hat“, sagt deshalb Ökonom Theobald. Für ihn gibt es drei andere Gründe, warum die Börsenkurse am Montag so abgesackt sind: Erstens warteten in letzter Zeit eine Reihe von Tech-Unternehmen mit schlechten Quartalszahlen auf, für die sich überzogene Erwartungen gebildet hatten. Das setze auch die Aktien von IT-Giganten wie Apple, Amazon und Alphabet unter Druck.

Zweitens herrscht derzeit an den Börsen derzeit so etwas wie Urlaubsstimmung. Das heißt, dass weniger gehandelt wird. Dies wiederum führt dazu, dass einzelne Transaktionen größere Auswirkungen auf den Kurs haben und es so schneller zu Ausschlägen kommen kann.

Angst vor Eskalation in Nahost

Vor allem aber verunsichert die Situation im Nahen Osten auch die Finanzmärkte. „Es herrscht derzeit eine große Unsicherheit, ob es zu einer Eskalation kommt. Und solche Ungewissheiten sind immer Gift für die Finanzmärkte“, sagt Theobald. Er geht davon aus, dass deshalb in nächster Zeit Marktschwankungen häufiger auftreten können, weil sich die Lage unmittelbar auf den Ölpreis auswirkt.

Schließlich ist der Nahe Osten laut Angaben der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) mit einem Anteil von knapp einem Drittel an der globalen Förderung nach wie vor der weltweit wichtigste Erdölproduzent. Kriege in der Region trieben in der Vergangenheit schon mehrfach die Ölpreise nach oben.

Im Rahmen des Jom-Kippur-Krieges 1973 zum Beispiel drosselten die arabischen Länder ihre Ölforderung, um die westlichen Länder bezüglich ihrer Unterstützung Israels unter Druck zu setzen. Die Folge war eine Ölpreiskrise. Das ließ die Inflation damals in der Bundesrepublik auf über 7 Prozent steigen. So hoch waren die Teuerungsraten erst wieder in der Energiepreiskrise, die der russische Angriff auf die Ukraine 2022 ausgelöst hatte.

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