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Französischer NationalrauschWo bleibt der Sportsgeist?

In der Euphorie über die eigenen Erfolge ignoriert das heimische Publikum in Paris gern auch mal Olympiasieger aus anderen Ländern.

Fokussiert auf französiche Erfolge: Stimmung kommt bei Olympia auf, wenn die Nationalhelden am Start sind Foto: Marcus Brandt/dpa

Eine Nation im Vollrausch. Frankreich ist derzeit wahrlich besoffen von all den Erfolgen, welche die Sportlerinnen und Sportler des Landes bei den Olympischen Spielen feiern. Zu Beginn des Wettkampftages am Dienstag hatten Französinnen und Franzosen schon 48 Medaillen gewonnen, davon 13 aus Gold. Da darf man sich schon freuen.

Es wird laut in den Arenen, wann immer ein Franzose aufgerufen wird. Aber es bleibt eben oft auch sehr leise, wenn gerade keine Französin auf der Matte oder dem Platz steht. Bisweilen werden sogar Franzosen angefeuert, wenn gerade gar kein Wettbewerb mit einem Blauen läuft.

Das war am späten Montagabend so, als die deutschen Basketballerinnen gerade ihre Goldmedaille im 3x3 feierten. „Allez les Bleus!“, der Schlachtruf der französischen Fans erklang. Die Französinnen und Franzosen wollten endlich ihre Männer sehen, deren 3x3-Finale gegen die Niederlande im Anschluss an das Spiel der Deutschen angesetzt war.

Irritierende Ruhe

Relativ unbeachtet von der Mehrheit der 4.700 Fans verließen die Deutschen den Platz. In der Woche zuvor war die Ruhe in der Judohalle schon irritierend, die stets herrschte, wenn kein Athlet mit dem „FRA“ auf dem Judoanzug kämpfte.

Da konnte man sich das noch damit erklären, dass Judo eben ein schwieriger Sport ist für Leute, die sich irgendein Olympia­ticket kaufen wollten und beim nur in seltensten Fällen mitreißenden Judosport gelandet sind. Aber die gerade feiernden Olympiasiegerinnen einfach ignorieren?

Die französischen Fans trieben es beim 3x3-Finale noch auf die Spitze. Bei der Siegerehrung, bei denen sich ihr Team nach der Finalniederlage mal nicht auf dem Platz in die Mitte des Podestes stellen durfte, schmetterten sie während der Siegeszeremonie einfach mal die französische Hymne und fanden sich ziemlich witzig dabei. Ist das wirklich zum Lachen – oder gerät da gerade vor lauter Nationalbesoffenheit der Sportsgeist unter die Räder? Wir werden das weiter beobachten.

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7 Kommentare

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  • So sind sie halt, die Franzosen, erst ca. 500 m vor der Grenze taucht die erste deutsche Stadt auf Autobahnschildern auf, außerhalb der Grande Nation existiert nur ein unkultiviertes Hunnenvolk. Ich mag sie trotzdem, auch wenn das albern ist.

  • Man muss wie eigentlich überall auf der Welt davon ausgehen, das die Masse der "Fans", die dort Zeit und Geld einsetzen nicht mal annähernd einen Querschnitt der Gesellschaft abbilden und man kein sportlich faires Verhalten erwarten kann.

  • Dieser Nationaltaumel im Sport geht, wie man sieht oft genug ins Widerliche oder mindestens ins Lächerliche. Erinnert bisweilen an Stellvertreterkriege. Besonders beim Fussball, wie soeben geschehen. Was haben die Leistungen der Sportler mit deren Herkunft zu tun?



    Garnichts!!!



    Und die Medien mischen eifrig mit. Entpolitisieren kann man die Spiele so sicher nicht.

    • @ Christoph:

      Nun ja, es heißt ja auch Wettkampf.



      Das setzt, in gewisser Weise, vorraus, dass die TeilnehmerInnen gewinnen wollen und wer gewinnt, darf sich doch freuen !?



      Es handelt sich allerdings um einen friedlichen Wettstreit.



      Angesichts der derzeit wieder in Mode kommenden Kriege, als Mittel zur Problemlösung, finde ich friedliche Wettkämpfe deutlich menschlicher.



      Ich kann, angesichts von "fehlendem" Tod und Gemetzel, auch wenig Parallelen erkennen.



      Es ist ein Teil der Idee von Olympia, friedlich zu streiten und ohne Waffen, auch das Potenzial eines Landes zu präsentieren .



      Was Fankultur betrifft, so haben wir gerade einige Peinlichkeiten bei der EM hinter uns gelassen.



      Und nachdem Deutschland nicht mehr im Rennen war, ist die Begeisterung für die EM doch merklich gesunken.



      Ich würde also sagen: alles im grünen Bereich bei " les Bleues"!

    • @ Christoph:

      "Erinnert bisweilen an Stellvertreterkriege."

      Das finde ich interessant. Gerne weiter ausführen. Welcher Stellvertreterkrieg weist denn die größten Parallelen auf?

  • Eines meiner Lieblingszitate von Bertolt Brecht:

    "Kinderhymne"



    /



    ( ...)



    /



    "Und nicht über und nicht unter



    Andern Völkern wolln wir sein



    Von der See bis zu den Alpen



    Von der Oder bis zum Rhein.



    /



    Und weil wir dies Land verbessern



    Lieben und beschirmen wir's



    Und das Liebste mag's uns scheinen



    So wie andern Völkern ihrs."



    /



    Il n'y a rien à ajouter à ça

    • @Martin Rees:

      Sehr schön. Aber wenig Resonanz zu diesem Thema.