Französischer Nationalrausch: Wo bleibt der Sportsgeist?
In der Euphorie über die eigenen Erfolge ignoriert das heimische Publikum in Paris gern auch mal Olympiasieger aus anderen Ländern.
Eine Nation im Vollrausch. Frankreich ist derzeit wahrlich besoffen von all den Erfolgen, welche die Sportlerinnen und Sportler des Landes bei den Olympischen Spielen feiern. Zu Beginn des Wettkampftages am Dienstag hatten Französinnen und Franzosen schon 48 Medaillen gewonnen, davon 13 aus Gold. Da darf man sich schon freuen.
Es wird laut in den Arenen, wann immer ein Franzose aufgerufen wird. Aber es bleibt eben oft auch sehr leise, wenn gerade keine Französin auf der Matte oder dem Platz steht. Bisweilen werden sogar Franzosen angefeuert, wenn gerade gar kein Wettbewerb mit einem Blauen läuft.
Das war am späten Montagabend so, als die deutschen Basketballerinnen gerade ihre Goldmedaille im 3x3 feierten. „Allez les Bleus!“, der Schlachtruf der französischen Fans erklang. Die Französinnen und Franzosen wollten endlich ihre Männer sehen, deren 3x3-Finale gegen die Niederlande im Anschluss an das Spiel der Deutschen angesetzt war.
Irritierende Ruhe
Relativ unbeachtet von der Mehrheit der 4.700 Fans verließen die Deutschen den Platz. In der Woche zuvor war die Ruhe in der Judohalle schon irritierend, die stets herrschte, wenn kein Athlet mit dem „FRA“ auf dem Judoanzug kämpfte.
Da konnte man sich das noch damit erklären, dass Judo eben ein schwieriger Sport ist für Leute, die sich irgendein Olympiaticket kaufen wollten und beim nur in seltensten Fällen mitreißenden Judosport gelandet sind. Aber die gerade feiernden Olympiasiegerinnen einfach ignorieren?
Die französischen Fans trieben es beim 3x3-Finale noch auf die Spitze. Bei der Siegerehrung, bei denen sich ihr Team nach der Finalniederlage mal nicht auf dem Platz in die Mitte des Podestes stellen durfte, schmetterten sie während der Siegeszeremonie einfach mal die französische Hymne und fanden sich ziemlich witzig dabei. Ist das wirklich zum Lachen – oder gerät da gerade vor lauter Nationalbesoffenheit der Sportsgeist unter die Räder? Wir werden das weiter beobachten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Abschiebung von Pflegekräften
Grenzenlose Dummheit
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Schuldenbremsen-Dogma bröckelt
Auch Merz braucht Geld
Altvordere sollen Linke retten
Hoffen auf die „Silberlocken“