Bericht zu Repression in Peru: Wer gab den Schießbefehl?

Sicherheitskräfte erschossen 2022 50 Menschen in Peru. Nun macht Amnesty International Präsidentin Boluarte direkt verantwortlich.

Eine Demonstratin trägt ein Foto der peruanischen Präsidentin auf dem sie mit Waffen zu sehen ist. Darunter steht das Wort "Asesina"

Lima, Peru, 19. Januar 2023: Eine Demonstrantin klagt die peruanische Präsidentin Dina Boluarte an Foto: Paolo Aguilar/epa

LIMA taz | Am 15. Dezember 2022 starb der 34-Jährige Jhon Mendoza in der südperuanischen Stadt Ayacucho. Ein Polizist hatte ihn von hinten erschossen. Als eine Passantin ihm helfen wollte, wurde sie von Polizisten geschlagen; mehrere Polizisten sahen zu, wie Mendoza auf der Straße starb. „Mein Bruder war nicht mal bei der Demo dabei“, sagt seine Schwester Yovana Mendoza.

Zwischen Dezember 2022 und Januar 2023 erschossen Polizisten und Soldaten fünfzig meist junge Männer, die nach der Absetzung des indigenen Präsidenten Pedro Castillo gegen dessen Nachfolgerin und den Kongress protestierten. Einige hatten an den Protesten teilgenommen, andere waren zufällig auf der Straße.

Bis heute ist kein Polizist oder Soldat dafür vor Gericht gestellt worden, geschweige denn haben Politiker Verantwortung übernommen.

Amnesty International hat nun eine eigene Untersuchung zu der Frage vorgelegt, wer die Schießbefehle gegeben hat und damit letztendlich verantwortlich ist für die 50 Getöteten. Die Rechercheure der Menschenrechtsorganisation haben dafür 110 Betroffene, Zeugen, ehemalige Minister, Polizisten, Militärs und Behördenvertreter interviewt. Sie haben audiovisuelles Material gesichtet und 56 Anträge auf Zugang zu öffentlichen Informationen gestellt. 12 davon haben sie vor dem Presserat eingeklagt. Das Ergebnis ist eindeutig: Präsidentin Dina Boluarte, die peruanische Polizei und das Militär tragen Verantwortung.

1.200 Schuss bei einem Einsatz

Entgegen der auch in Peru geltenden internationalen Norm, dass man auf Demonstranten nicht scharf schießt, habe die Polizei scharfe Schusswaffen zugelassen und sogar eine Eliteeinheit geschickt. Ideologisch untermauert wurde dies mit der Bezeichnung der Demonstranten als „Terroristen“, „Kriminelle“ und als „feindliche Personen“.

Obwohl im Dezember bereits 16 Personen durch die Polizei umgekommen waren, hat diese ihre Direktiven für den Umgang mit Demonstranten nicht geändert und weiterhin scharfe Waffen eingesetzt. Am 9. Januar 2023 sterben weitere 18 Menschen an Schüssen der Polizei.

Die Streitkräfte, die nach der Ausrufung des Notstands eingesetzt wurden, waren keinen Deut besser. An einem einzigen Einsatz in Ayacucho wurden 1.200 Schuss Munition eingesetzt, so interne Dokumente, deren Einsicht Amnesty International erwirken konnte.

Doch die Hauptschuld, so Amnesty International, liege eindeutig bei Präsidentin Boluarte. Sie habe monatelang regelmäßig Kontakt mit den Kommandanten von Polizei und Armee gehabt und ihre Macht nicht genutzt, um dem Morden Einhalt zu gebieten. „Sie hätte nur ein Wort sagen müssen und die Polizei hätte ihr Vorgehen geändert“, kommentiert Yovana Mendoza, die Schwester des ermordeten Jhon Mendoza.

Amnesty will Staatsanwaltschaft anspornen

Es seien alle Grundlagen gegeben, so Hauptrechercheurin Madeleine Penman, um Boluarte nach peruanischem Gesetz wegen „mittelbarer Täterschaft“ anzuklagen. Mit derselben Begründung wurde einer ihrer Vorgänger im Amt, Alberto Fujimori, 2009, wegen Vergehen gegen die Menschlichkeit verurteilt.

Obwohl der peruanische Nachrichtendienst Boluarte frühzeitig sagte, dass die Demonstranten nicht mit Terroristen des in Verbindung gebracht werden können, hält sie bis heute daran fest, dass die Demonstranten gewalttätige Kriminelle und Terroristen gewesen seien.

Amnesty International will mit dem Bericht die peruanische Staatsanwaltschaft anspornen, bei der Suche nach Verantwortlichkeiten die Befehlskette bis nach oben zu durchleuchten und sich nicht mit den mittleren Rängen zufriedenzugeben.

Den peruanischen Premierminister Gustavo Adrianzén hat der Bericht bereits aufgestört. Der Staat würde sich nicht nach einer Nichtregierungsorganisation richten, sagte er im peruanischen Fernsehen. Der Bericht sei politisch motiviert, die Regierung weise alle Anschuldigungen zurück.

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