Reaktionen auf Compact-Verbot: AfD fühlt sich direkt betroffen

Während die Linke weitere Aufklärung über die Finanzierung von Compact fordert, entdeckt die extrem rechte AfD auf einmal die Pressefreiheit für sich.

Compact-Aufsteller mit AfD-Politikern Höcke und Weidel auf dem Cover auf dem Parteitag der AfD

Auf dem AfD-Parteitag 2023 zeigte das extrem rechte Compact am eigenen Stand seine Auffassung von „kritischer Berichterstattung“ Foto: imago

BERLIN taz | Dass die AfD, die gerne Jour­na­lis­t*in­nen von Parteitagen oder Pressegesprächen ausschließt, sich einmal vorgeblich für die Pressefreiheit stark macht, kommt erst mal überraschend. Auf ihren Demos wird „Lügenpresse“ geschrien, Me­di­en­ver­tre­te­r*in­nen werden dort regelmäßig angegriffen und bedroht. In der Regel feindet die extrem rechten Partei die Medienlandschaft an, vorzugsweise den öffentlich-rechtlichen Rundfunk oder fordert den Bundestag auf, einzelne Beiträge von Journalisten zu verurteilen.

Mehrfach hat sie auch schon den Umbau der Medienlandschaft im Falle einer Machtübernahme angekündigt, Höcke will als Ministerpräsident direkt den Medienstaatsvertrag kündigen. Zuletzt kündigte der Bundestagsabgeordnete Martin Hess (AfD) auch im Bundestag an, in Regierungsverantwortung direkt die „linksextremistische Plattform indymedia.org“ abschalten zu wollen. „Wir werden eine klare Null-Toleranz-Strategie mit maximaler Robustheit umsetzen“, so Hess.

Doch nachdem das rechtsextreme Medienunternehmen Compact am Dienstag verboten wurde, spielt sich die Partei plötzlich zum Retter der Pressefreiheit auf. Alice Weidel und Tino Chrupalla sprachen am Dienstag von einem „schweren Schlag gegen die Pressefreiheit“. Man beobachte das Verbot mit großer Sorge. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) missbrauche ihre Kompetenzen, um kritische Berichterstattung zu unterdrücken. Das Verbot bedeute eine Verweigerung von Diskurs und Meinungsvielfalt, so Weidel und Chrupalla.

Tatsächlich ist von „kritischer Berichterstattung“ bei Compact nur wenig zu finden: So hat das Magazin des Publizisten Jürgen Elsässer 14 Jahre lang extrem rechte, antisemitische und verschwörungsideologische Hetze in Kioske, Supermärkte und Bahnhofsbuchhandlungen, auf Youtube und Marktplätze gebracht. Es war ein putinhöriges Propaganda-Organ mit engen Verflechtungen zur AfD und hat vielfach offen zum Umsturz aufgerufen. Der Verfassungsschutz stufte das Magazin seit 2021 als „gesichert rechtsextrem“ ein. Faeser hat das Magazin nach dem Vereinsrecht verboten. Sie wolle auch gegen geistige Brandstifter vorgehen und sagt zum Verbot: „Wir lassen nicht zu, dass ethnisch definiert wird, wer zu Deutschland gehört und wer nicht.“

„Netzwerk muss ans Licht“

Entsprechend halten viele Ex­per­t*in­nen das Verbot für überfällig. Die Linken-Politikerin und Rechtsextremismus-Expertin Martina Renner forderte überdies weitere Aufklärung, „über die Finanzierung aus dem Ausland und verdeckte Geldflüsse an die AfD.“ Dabei gehe es nicht nur um die Rolle von Elsässer, sondern auch um Kontakte zur extrem rechten Partei und anderen rechtsextremen Medien im Ausland – „das Netzwerk der verfassungsfeindlichen Publizisten, rechter Millionäre, autoritärer Staaten muss ans Licht“, sagte Renner.

Wie eng AfD und Compact miteinander verbandelt sind, zeigen zahlreiche Interviews, Stände auf Parteitagen und Höcke-Devotionalien im Compact-Shop, aber auch gemeinsame Mitarbeiter und mutmaßlich illegale Parteispenden. Im Vorfeld der Europawahlen tourte Chefredakteur Jürgen Elsässer unter dem Titel „Die Blaue Welle rollt“ durch die Gegend und machte faktisch Wahlkampfhilfe für die AfD.

Aus Sicht der Bundestagsverwaltung sprach einiges dafür, dass Compact mit dieser Veranstaltungsreihe illegale Parteispenden durch die Überlassung von geldwerten Vorteilen wie etwa teurer Veranstaltungstechnik erfüllt. Die AfD sah sich daraufhin gezwungen, eine Unterlassungserklärung von Elässer einzufordern, die vorsah, dass auf Compact-Veranstaltungen keine Parteilogos verwendet werden durften.

Die taktischen Distanzierungen führten allerdings nicht zum Abbruch der offensichtlichen Werbung für die AfD. Die Veranstaltungen selbst waren trotzdem wie Wahlkampfveranstaltungen für die AfD, inklusive jeder Menge Russland-Folklore und Auftritten von AfD-Politikern wie dem unter Korruptionsverdacht stehenden Petr Bystron.

„Revolutionäre Gemeinschaft“

Die AfD reagierte dann in weiten Teilen auf das Verbot entsprechend auch so, als ob sie direkt betroffen wäre: Co-Chef Stefan Möller aus der AfD Thüringen kritisierte das Vorgehen scharf und sprach vom „Ende der Pressefreiheit“. Höcke sang anlässlich des Verbots ein Loblied auf den mittlerweile rechtsextremen Aktivisten Elsässer – inklusive eines Bekenntnisses zum von Compact immer wieder propagierten Umsturz: „Während Konservative sich feige distanzieren und feinsinnig taktieren, hat er die Wagenburgmentalität einer ‚revolutionären‘ Gemeinschaft in das Rechte Lager mitgebracht“, so Höcke, „der Angriff auf Jürgen Elsässer soll uns alle treffen.“

Der AfD-Spitzenkandidat aus Brandenburg, Hans-Christoph Berndt, nannte Faeser „Antifa-Ministerin“, und sprach von „Methoden wie in einem autoritären Polizeistaat, zu dem die BRD immer mehr verkommt“. Ein DDR-Vergleich durfte nicht fehlen: „Das Establishment hält es mit Erich Mielke. Wir halten zu Compact! Jetzt erst recht!“ Mielke war der Chef der Stasi.

Auch andere rechte Me­di­en­ver­tre­te­r*in­nen solidarisierten sich mit dem extrem rechten Magazin und unterstrichen ihrerseits ihre völkische Agenda: „Verboten wird, wer das Volk erhalten will“, empörte sich etwa Philip Stein von „Ein Prozent“, einem Identitären-nahen Verein, der seinerseits im April 2023 als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft wurde.

Die Szene rechnet mit weiteren Verboten von AfD-Vorfeldorganisationen. Stein schrieb, er hoffe, dass niemanden ein Verbot unvorbereitet treffe. Andere hatten sich jedenfalls besser vorbereitet als Compact: Das rechtsextreme Institut für Staatspolitik von Götz Kubitschek hatte sich nach seiner Einstufung als „gesichert rechtsextrem“ aus Angst vor einem Verbot zuletzt organisationell neu aufgestellt.

Interessant ist auch, dass es nun in der AfD gewissermaßen einen Bekenntniszwang zur offen rechtsextremen Publikation zu geben scheint: Alice Weidel hatte sich zunächst auf X etwas zurückhaltender geäußert und nur von einem „unguten Zeichen“ gesprochen. Weil die juristische Sachlage nicht komplett einsehbar sei, sei es schwer, einzelne Kritikpunkte hervorzuheben, so Weidel, sagte aber Elsässer Unterstützung zu: „Die AfD wird das kommende Verfahren kritisch begleiten und beobachten“, versprach sie.

In der rechten Filterblase wurde sie für ihr weiches Statement kritisiert. Kurz darauf legte sie per Pressmitteilung mit Tino Chrupalla noch einmal nach und sprach vom „schweren Schlag gegen die Pressefreiheit“.

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