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Hotel mit geflüchteten AngestelltenMiteinander ist es auch zu schaffen

Die Arbeitskräfte fehlen, jammert das Hotelgewerbe. Für das Resort Mark Brandenburg macht sich nun bezahlt, Geflüchteten eine Chance gegeben zu haben.

Für den Service braucht man Leute Foto: Jeong Hwa Min

Neuruppin taz | Es duftet nach frisch gemähtem Gras. Ein Kellner serviert auf der Terrasse des Resorts Mark Brandenburg in Neuruppin einen Orangensaft und bringt die Karte. Auf dem nahen Ruppiner See schnattern die Wasservögel.

„Der Alltag hat Pause“ wirbt das Viersternehotel mit dem Spa-Bereich mit Therme, Schwimmbad und Fitnessstudio für sich. Für Habtom Okubagabr, der hier die Zimmer herrichtet, ist das Hotel Alltag. Die Arbeit ist körperlich schwer, das Arbeitsklima aber beschreibt der Geflüchtete aus Eritrea, der seit 2019 hier arbeitet, als angenehm. „Die Chefs und die Gäste haben viel Respekt“, sagt er. Therme und Sportangebote darf er als Mitarbeiter kostenlos nutzen, das leckere Hotelessen bekommt er zu einer günstigen Pauschale. Und seine Augen leuchten, als er erzählt, dass das Hotel jedes Jahr in der Vorweihnachtszeit ein Schiff anmietet und mit dem gesamten Personal gemeinsam in See sticht.

International auch bei Mitarbeitern

125 Mitarbeiter aus 17 Nationen arbeiten im Hotel. Darunter sind Geflüchtete wie Okubagabr, EU-Bürger, die im Rahmen der Freizügigkeit hier arbeiten, aber auch eigens aus Ägypten und Serbien angeworbene Arbeitskräfte, sagt Personalchefin Franziska Schröder der taz. Ohne die nichtdeutschen Mitarbeiter müsste das Hotel den Betrieb einstellen. Und doch haben es gerade sie schwer bei alltäglichen Besorgungen in der Stadt. Es gibt nicht nur rassistische Anfeindungen im Bus oder beim Einkauf. Der Wohnungsmarkt ist auch in Neuruppin angespannt. „Wer keinen deutschen Namen hat, hat da praktisch keine Chance“, sagt Franziska Schröder. Deshalb hat das Hotel selbst Wohnungen angemietet, um sie an die Mitarbeiter weiterzuvermieten.

Nix wie hin

Die Besonderheit

Das Resort Mark Brandenburg ist mit 130 Doppelzimmern eines der größten Wellnesshotels im Land Brandenburg. Es liegt im Ortskern Neuruppins idyllisch am Ufer des Ruppiner Sees und ist mit der Fontane-Therme verbunden. Die Therme wird aus jodhaltiger Naturheilsole gespeist, die aus 1.700 Metern Tiefe gefördert wird.

Die Zielgruppe

Urlauber und Kurzzeittouristen, die Entspannung bei aktiver Bewegung wie Wassersport und Radfahren um den See suchen. Dazu: Fußballprofis und Autogrammjäger. Während der Fußball-EM hat das kroatische Team hier Quartier genommen.

Hindernisse auf dem Weg

Ein Viersternehotel hat einen Preis, den sich nicht alle leisten können. Die Preise variieren in Abhängigkeit von der Jahreszeit.

Auch Okubagabr wohnt in einem WG-Zimmer in einer vom Hotel angemieteten Wohnung. Vorher wohnte er im Asylheim am Stadtrand und war auf die selten fahrenden Busse angewiesen, um in die Innenstadt zu kommen, in der auch das Hotel steht. „Es wird immer schwerer, Wohnungen zu finden, die fußläufig vom Hotel entfernt sind“, sagt Schröder. Gerade die Geflüchteten und angeworbenen Arbeitskräfte seien auf den Fußweg zur Arbeit angewiesen. „Sie haben maximal ein Fahrrad.“

Dass das Resort Mark Brandenburg Geflüchteten eine Chance auf dem Arbeitsmarkt gibt, ist nicht neu. Das weiß Karin Hopfmann, die heute Rentnerin ist und davor bei der AWO Neuruppin als Flüchtlingsberaterin tätig war. „Die Zusammenarbeit war immer professionell, die Geflüchteten wurden gut behandelt“, sagt sie der taz. Es sei ihr auch gelungen, dort für Menschen Arbeit zu finden, die ohne den Job keinen Aufenthaltstitel bekommen hätten.

Mit der Coronapandemie zahlte sich dieses Engagement für das Hotel aus. Viele Arbeitskräfte wandten sich von Hotels und Gastronomie ab. Der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga geht von 65.000 fehlenden Arbeitskräften in der Branche bundesweit aus. Auch das Resort Mark Brandenburg ist betroffen. Jetzt brauchten nicht nur die Geflüchteten die Jobs, auch das Hotel war dringender als zuvor auf sie angewiesen. Und da machte es sich gut, dass es unter ihnen bereits einen guten Ruf als Arbeitgeber hatte.

Eine Prämie für Vermittlungen

„Die Geflüchteten müssen wir nicht suchen“, sagt die Personalchefin. „Sie finden uns.“ So war es auch bereits bei Habtom Okubagabr. „Mein afghanischer Kumpel aus dem Wohnheim hat mich hierher mitgenommen. Ich habe einen Tag Probe gearbeitet und danach einen Arbeitsvertrag bekommen“, erzählt er. Vergangenen Sommer habe er selbst einen arbeitssuchenden Landsmann mitgebracht und dafür sogar eine Prämie bekommen. Inzwischen sei der allerdings in ein anderes Bundesland umgezogen. Denn in Brandenburg machen besonders Eritreer schlechte Erfahrungen mit der Ausländerbehörde, sagt Okubagabr. „Wir bekommen hier keinen Reiseausweis, den Eritreer in fast allen anderen Bundesländern erhalten.“ Den benötigt er, um Verwandte im Sudan und in Luxemburg zu besuchen.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

„Der Alltag hat Pause“ steht auch um Durchgang vom Hotel zum Wellnessbereich. Wenn man im Fitnessstudio ins Fahrradergometer tritt oder in der Sauna schwitzt, kann man den Blick auf den See genießen und zuschauen, wie Möwen ihre Kreise ziehen. Wie für Küche und Restaurant sucht das Hotel auch hier wie andere Anbieter Mitarbeiter. 2022, erzählt Personalchefin Franziska Schröder, habe es plötzlich die Möglichkeit gegeben, zwei Masseurinnen aus der Ukraine zu gewinnen. „Wir haben sie direkt in Berlin aus dem Zug geholt und mit anderen Hotels um sie konkurriert.“ Die Erfahrung mit geflüchteten Arbeitskräften zahlte sich aus, ebenso der kurze Weg nach Berlin. „Wir“, sagt Schröder, „waren schneller.“

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