Unruhen in Bangladesch: Inzwischen mehr als 200 Tote

Bei den Protesten sterben neben Studierenden auch Rikschafahrer, Kinder und Polizisten. Regierungschefin Sheikh Hasina bleibt unversöhnlich.

Die Armee patrouilliert in einem gepanzerten Fahrzeug auf der Autobahn Dhaka-Chittagong am vierten Tag der von der Regierung verhängten Ausgangssperre

Premier Hasina hielt die Ausgangssperre samt Schießbefehl für angemessen Foto: Rajib Dhar/dpa

Nicht nur Studierende sind bei den großen Protesten letzte Woche in Bangladesch getötet wurden. Auch Arbeiter, Rikschafahrer und Kinder starben, auch Polizisten. In der Leichenhalle des größten Krankenhauses der Hauptstadt Dhaka liegen zahlreiche Tote mit Schusswunden. Die Tageszeitung Prothom Alo zählt inzwischen 202 Tote.

Mitte Juli waren landesweite Proteste gegen wieder eingeführte Quoten für Jobs im Staatsdienst eskaliert, nachdem Sicherheitskräfte und Mitglieder der Regierungspartei Awami-Liga samt ihres studentischen Flügels gegen Demonstranten vorgingen. Erst eine Eil­entscheidung des Obersten Gerichts, das die umstrittene Reform stark einschränkte, führte zu einer Protestpause.

Die Gewalt stürzte die Regierung in eine Krise. In den letzten Tagen wurden Berichten zufolge 4.500 Personen festgenommen, meist gehören sie zur oppositionellen Nationalist Party (BNP) und der islamistischen Partei Jamaat. Sie sind Erzfeinde von Regierungschefin Sheikh Hasina (76), die sich seit 2009 an die Macht klammert.

Regierungschefin Hasina verliert Rückhalt

Die Zustimmung zu ihrer autoritären Regierung schwindet. Hasina ist kein Garant für Stabilität im Land mehr, was sie sonst gern betonte. Vielmehr wird die Krise immer mehr zu einer Bewährungsprobe für eine der mächtigsten Frauen Asiens.

Die blutigen Proteste werfen einen Schatten auf Bangladesch, das in den letzten Jahren wirtschaftliche Fortschritte machte und Anerkennung für die Aufnahme hunderttausender aus Myanmar geflüchteter Rohingya bekam. Doch die Fassade bröckelt: Vetternwirtschaft schürt Unmut, es fehlen Arbeitsplätze, Freiheiten wurden eingeschränkt.

Hasina verteidigt ihre Politik: Nach den gewaltsamen Zusammenstößen eine Ausgangssperre samt Schießbefehl zu verhängen, sei nötig gewesen, um die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten. „Durch die Verhängung einer Ausgangssperre zerstört die Regierung jetzt die Beweise für die Tötung und Angriffe auf unbewaffnete Menschen“, klagt hingegen BNP-Generalsekretär Mirza Fakhrul Islam Alamgir.

Innenminister Khan macht Opposition verantwortlich

Erst seit das Internet wieder zugänglich ist, kommen Bilder vom Ausmaß der Gewalt zum Vorschein. Nahid Islam von Students Against Discrimination, der wichtigsten Organisation hinter den Protesten, sagt, er sei gefoltert worden. Er fordert die Wiedereröffnung der Unis und Gerechtigkeit für alle Getöteten. Dabei distanziert er sich von den Zerstörungen während der Proteste.

Am Mittwoch machte Innenminister Asaduzzaman Khan erneut Oppositionsparteien für die Gewalt verantwortlich. Hasina legte am Donnerstag nach und forderte, die Schuldigen vor Gericht zu stellen, nachdem sie zuvor eine zerstörte U-Bahn-Station besucht hatte.

Wenn das Land Fortschritte mache, würden Verschwörer es zurückdrängen und ein „Bild der Zerstörung“ beklagen. Versöhnlich klingt das nicht, während die Nation trauert und um Frieden und Stabilität ringt. Eine Entschuldigung bei den protestierenden Studenten wäre einfach, doch Hasina scheint dazu nicht bereit, kritisiert der Aktivist Shahidul Alam.

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