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Rosatom im EmslandWarten auf den Showdown in Lingen

Gegen den Einstieg der Russen beim Brennelementehersteller Framatome gab es 11.000 Einwendungen. Im November werden sie öffentlich erörtert.

Expertenhilfe aus Russland: Die Erweiterung der Brennelementeproduktion in Lingen bleibt umstritten Foto: Friso Gentsch/dpa

Hannover taz | Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne) hat aus seiner Ablehnung nie einen Hehl gemacht und tut das auch jetzt nicht: „Geschäfte mit dem Kriegstreiber Putin sollten generell und gerade auch im sensiblen Atomsektor nicht gemacht werden“, lässt er sich in einer Pressemitteilung seines Hauses zitieren.

Es geht – wieder einmal – um die Brennelementefabrik Framatome ANF im niedersächsischen Lingen. Seit 2021 ringt man hier um ein Joint Venture des französischen Unternehmens mit einer Tochterfirma des russischen Staatskonzerns Rosatom. Das Ziel des Unternehmens: die Erweiterung der Produktpalette um Brennstäbe für Reaktoren russischer beziehungsweise sowjetischer Bauart. Das Problem Christian Meyers: Einfach so verbieten geht auch nicht.

Der Anlass der jüngsten Pressemitteilung des Umweltministeriums ist, dass nun ein weiterer Schritt des atomrechtlichen Genehmigungsverfahrens abgeschlossen ist. Seit Januar lagen die Antragsunterlagen von Framatome öffentlich aus. Knapp 11.000 Einwände hat das Umweltministerium bis zum Ablauf der Frist Anfang März erhalten.

Ein Großteil davon geht auf die Kappe der Atomkraftgegner von den Organisationen „ausgestrahlt“ und „Agiel“, die fleißig Unterschriften unter Sammeleinwendungen zusammengetragen haben und auch sonst kaum eine Gelegenheit auslassen, gegen die Anlage mobilzumachen. Aber die enorm hohe Zahl der Einwände mache ja deutlich, wie viele Menschen sich hier in der Region um die äußere und innere Sicherheit sorgen, erklärt Umweltminister Meyer.

Welches Interesse treibt Rosatom?

Nun musste das Umweltministerium einen Erörterungstermin festlegen, bei dem die Einwände öffentlich diskutiert werden können. Das soll zwischen dem 19. und 22. November in Lingen passieren. Erst danach kann das Ministerium eine Entscheidung treffen, bei der es sich eng mit dem Bund abstimmen will.

Für die Gegner des Vorhabens ist klar: Wer russischen Experten die Tore zu einer europäischen Atomfabrik öffne, riskiere Sabotage, Spionage und damit die Sicherheit Deutschlands und Europas. Außerdem finanziere man auf diese Weise indirekt Wladimir Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine. Der Atomsektor musste von den Sanktionen ausgenommen werden, weil zu viele europäische Länder auf Lieferungen aus Russland angewiesen sind.

Die Befürworter hingegen argumentieren, langfristig könne die Produktion von Brennelementen in Lingen genau diese Abhängigkeit verringern. Neben osteuropäischen Ländern wie Ungarn, Tschechien und der Slowakei verwenden auch die Ukraine und Finnland Reaktoren russischer Bauart.

„Aber warum sollte Rosatom ein Interesse daran haben, osteuropäische Staaten unabhängiger zu machen?“, fragte die Grünen-Abgeordnete Britta Kellermann noch im März im Landtag. Branchenkenner vermuten, die Russen versuchen, sich mithilfe eines europäischen Partners Marktanteile zu sichern – auch für den Fall, dass die EU ihre Sanktionen doch noch auf den Atomsektor ausdehnt.

Erst in diesem Jahr hat zudem das US-amerikanische Unternehmen Westinghouse begonnen, die Ukraine mit Brennstäben russischer Bauart zu beliefern, die in Schweden gefertigt werden und bedroht damit das bisherige russische Monopol.

Die tatsächliche Gefährdung ist umstritten

In Lingen geht es bei der Debatte aber auch um die rund 400 Arbeitsplätze in dem sonst nicht ausgelasteten Werk. Im Stadtrat scheiterte eine Resolution der Grünen gegen die Erweiterung zuletzt daran, dass die anderen Parteien die wirtschaftlichen Interessen der Region wichtiger fanden.

Ein Gutachten, das der Atomrechtsexperte Gerhard Roller im Auftrag des Bundesumweltministeriums schon im vergangenen Jahr erstellt hat und auf das sich Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer auch jetzt wieder beruft, zeigt allerdings: Auf solche grundsätzlichen außenpolitischen Bedenken allein darf sich das Ministerium in diesem Verfahren nicht stützen.

Es müssten schon konkrete Gefährdungsszenarien für diese Anlage und durch den Zugriff auf sicherheitsrelevante Strukturen dazukommen, damit das im Atomgesetz vorgesehene „Versagungsermessen“ greift.

Framatome hat prompt ein Gegengutachten in Auftrag gegeben, um darzulegen, dass das Ministerium das Vorhaben auf dieser Grundlage praktisch gar nicht verbieten kann.

Geheime Halle im Gewerbegebiet

Erst vor einem Monat hatte das Unternehmen einmal mehr für Schlagzeilen gesorgt. Atomkraftgegner entdeckten im Lingener Gewerbegebiet eine eigene Halle, in der russische Experten wohl schon einmal Testläufe und Schulungen abhalten sollten. Die Umweltschützer argwöhnten, hier sollten heimlich Fakten geschaffen werden, bevor die erforderliche Genehmigung vorliege.

Auch das sieht das Unternehmen natürlich anders: Gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung erklärte Framatome, die Behörden seien über das Vorgehen in der Halle informiert gewesen. Weil man ohne Uran arbeitete, brauchte man auch keine Genehmigung.

Aber vermutlich diente auch dieses Szenario eher dazu, Sicherheitsbedenken auszuhebeln. Denn wenn der russische Kooperationspartner gar keinen Zugang zur eigentlichen Produktionsanlage hätte, entfielen diese ja.

Das zähe Ringen um die Brennelementefabrik wird jedenfalls so schnell nicht enden. Das niedersächsische Umweltministerium kann derzeit nicht sagen, wann das Genehmigungsverfahren abgeschlossen sein wird. Und möglicherweise schließen sich dann ja noch juristische Auseinandersetzungen an.

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