Welt-Aids-Konferenz: Let’s talk about Sex
HIV und Aids sind weitgehend aus dem Bewusstsein verschwunden. Soll die Krankheit nicht grassieren, muss öffentlich über Sex gesprochen werden.
A ids ist keine Bagatellinfektion, auch wenn das Thema inzwischen kaum mehr Aufregung verbreitet als der Ausbruch einer Schweinegrippe irgendwo in Europa. Oder anders formuliert: Aids, die potenziell tödliche Infektionskrankheit, ist ziemlich weit weg. Weniger als 2.000 Menschen stecken sich jährlich mit dem HI-Virus an. Aber sie sind durch eine Fülle von Medikamenten so geschützt, dass es bei ihnen nicht zu einem Zusammenbruch des körpereigenen Immunsystems kommen muss.
Aids ist zu einer Langfristerkrankung geworden, wie es Diabetes schon lange ist: Jene, die erkrankt sind, müssen sich lebenslänglich medikamentös einstellen, aber geheilt werden sie durch pharmakologische Interventionen im Leben nicht mehr. Zu einer Pandemie ist Aids in volkswirtschaftlich wohlhabenden und gesellschaftlich liberalen Staaten nie geworden. Und das, weil vor allem schwule Betroffene der Pharmaindustrie vor 40 Jahren Beine gemacht haben, damit diese aus durchaus an Homosexuellen desinteressierten Gründen nicht mit der Entwicklung von Medikamenten aufhört.
Der Fortschritt in Sachen Aids-Bekämpfung war auch die Folge von sexueller Aufklärung: Wer Prävention wollte, musste über sexuellen Praktiken sprechen. In Ländern wie Russland und Belarus, aber auch in arabischen und afrikanischen Staaten, in denen Minderheiten, schwule Männer, Sexarbeiterinnen*, Drogenabhängige verfolgt und stigmatisiert werden, konnte die Infektionskrankheit nicht eingedämmt werden. Allein deshalb, weil Homosexualität dort so repressiv diskriminiert und jede Aufklärung über Infektionswege sowie ihre Verhütung verhindert wird. Es ist nicht verwunderlich, dass solche Länder höchste Infektionsraten aufweisen.
Das ist die wichtigste Botschaft, die von der 25. Welt-Aids-Konferenz in München ausgehen sollte. Sie ist bedeutender als jedes Reden über pharmakologische Fortschritte: Wer Aids nicht grassieren lassen will, muss öffentlich über Sexuelles sprechen. Das wäre eine politische Botschaft von Wucht – keine andere verdient es, so deutlich formuliert zu werden.
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