Breakdance bei Olympia: Mit Powermoves zu den Spielen
Breakdance, kurz Breaking, gehört erstmals zum Programm der Olympischen Sommerspiele. Die Litauerin Dominika Banevič, 16, will eine Medaille gewinnen.
In einem Plattenbauviertel am Rande der litauischen Hauptstadt Vilnius hat Dominika Banevič ihren Übungsraum. Sie ist bereits seit ihrem achten Lebensjahr Breakdancerin oder Breakerin. Sie hat sich hier einen eigenen Trainings
raum eingerichtet, ausgestattet ist er nur mit dem Wesentlichen: viel Tanzfläche, ein großer Spiegel, dazu Trainingsbedarf wie ein Gymnastikball. Und eine Musikanlage, gestellt von ihrem Hauptsponsor, jenem Limonadenfabrikanten, der in so viele Trendsportarten investiert. Es läuft gerade ein Song des HipHoppers Mos Def. „Ich breake am liebsten zu Old-School-HipHop aus den Neunzigern“, sagt Banevič. „Musik spielt eine wichtige Rolle in meinem Leben, sie ist ein Teil von mir.“
Von der Schule zum Profi
Banevič, gerade mal 16 Jahre alt, wird ihr Land bei den Olympischen Sommerspielen in Paris (26. Juli bis 11. August) vertreten, wenn die Sportart Breaking zum ersten Mal im offiziellen Programm vertreten ist. Im Jahr 2023 hat die Litauerin die World Breaking Championship in Belgien gewonnen und somit als eine der ersten Athlet:innen die Qualifikation für Paris geschafft. Banevič macht derzeit nichts anderes als zu trainieren, sie hat kürzlich die 10. Klasse der Schule abgeschlossen und geht bis zum Sommer auf keine weiterführende Schule, weil sie sich auf ihren Sport konzentrieren will.
Dominika Banevič, Breakerin aus Litauens Hauptstadt Vilnius
„Im Moment trainiere ich normalerweise sechs, sieben Stunden pro Tag. Breaking-Einheiten, Krafttraining, alles, was dazugehört“, sagt sie beim Gespräch in einem Nebenzimmer ihres Trainingsraums. „Aber ich genieße es. Mein Körper ist am Ende des Tages müde, aber die Seele ist glücklich.“ Dominika Banevič ist zum Star in Litauen geworden, das liegt zum einen an ihrem beeindruckenden Tanzstil, zum anderen aber wohl auch an ihrer selbstbewussten, unerschrockenen Art.
Als sie an diesem Wintermorgen über ihre Ziele spricht, kommt sie allerdings eher wie eine ganz normale 16-Jährige rüber, die genervt ist, dass sie so viele Fragen beantworten muss. Meist rattert sie die Antworten herunter. Wirkt trotzdem erwachsen, geschult und professionell, wenn sie Sätze sagt wie: „Zum Glück bin ich in so einem jungen Alter zum Breaking gekommen. Ich kann nun beruflich das tun, was ich liebe.“ Ihre Mutter, eine auch noch jugendlich wirkende Frau, begleitet ihre Tochter sehr oft und ist auch an diesem Morgen dabei, doch das Wort überlässt sie ihrer Tochter, die fließend Englisch spricht.
Dass Breaking olympisch wird, war anfangs umstrittener als in anderen Sportarten. Breakdance kommt aus der Subkultur, ist in den 1970ern auf den Straßen New Yorks entstanden, der Tanz ist eng mit der Musik des HipHop und Funk sowie mit Graffitikultur verbunden. Eine Sportart mit ordentlich Street Credibility also, eher nicht vereinbar mit Vereins- und Verbandsstrukturen und einer Bühne wie Olympia.
Die Tänzer:innen nennen sich B-Boys und B-Girls – Banevič tritt als B-Girl Nicka an. Schon als 2016 bekannt wurde, dass Breaking erstmals bei den Youth Olympic Games dabei sein sollte, gab es Streit innerhalb der Szene. Als Breaking unter die Dachorganisaton der World Dance Sports Federation (WDSF) aufgenommen werden sollte, folgten Proteste und eine Gegenpetition („Get the WDSF’s Hands Off Hip-Hop“).
Battles zu Musik
Eine gewisse Skepsis in der Szene besteht bis heute. Unter anderem liegt das am Wertungssystem. Breaker:innen treten immer in „Battles“ gegeneinander an, die Gegner:innen tanzen im Wechsel spontan zu Musik, die ein DJ auflegt und nicht von ihnen ausgewählt wird. Die Battles bestehen aus drei Runden, die auch „Throw Downs“ genannt werden, in jeder Runde tanzen beide Kontrahent:innen nacheinander und „antworten“ aufeinander. Dabei werden sie von Jurys bewertet.
Für Olympia sind als wichtigste Kriterien Technik, Vokabular, Ausführung, Musikalität und Originalität festgelegt worden. Kriterien wie Originalität werden dabei zum Beispiel von Breaker:innen hinterfragt, weil sie ihren Sport eher als Kunstform sehen, die schwer in solchen Parametern zu messen ist.
16 B-Boys und 16 B-Girls werden am Ende am olympischen Turnier teilnehmen. Es gibt mehrere Wege sich zu qualifizieren, im Mai und im Juni fanden in Schanghai und Budapest noch wichtige Ausscheidungswettkämpfe statt. Aus Deutschland wird niemand dabei sein, zuletzt scheiterten die besten deutschen Breakerinnen Sanja Jilou Rasul (B-Girl Jilou) und Pauline Nettesheim (B-Girl Pauline) in der Qualifikation im Juni in Budapest.
Dominika Banevič ist schon im Alter von fünf Jahren auf das Breaking aufmerksam geworden. „Ich schaute mir Zeichentrickfilme an und sah zufällig ein Youtube-Video mit Breaking-Moves. So etwas hatte ich noch nie zuvor gesehen.“ Sie habe sofort angefangen, zu Hause Bewegungen auszuprobieren. „Mit acht Jahren besuchte ich meinen ersten Breakdance-Kurs in einem Kinder- und Jugendzentrum in Vilnius“, sagt sie. Vilnius hat zwar keine besonders große Szene, aber Wettbewerbe wie der „Vilnius Street Battle“ finden seit vielen Jahren statt.
„Vielleicht klappt es ja beim 101. Mal.“
Im Teenageralter begann sie an Battles teilzunehmen. Schon 2021 gewann sie bedeutende Turniere, eines etwa in der Slowakei. „Mein Charakter war von klein auf so stark, und ich habe daran geglaubt, dass ich es schaffen kann“, sagt sie über ihren Weg an die Weltspitze. Selbst wenn eine Bewegung beim 100. Mal nicht perfekt ist, trainiert sie weiter, „vielleicht klappt es ja beim 101. Mal.“ Mit dieser Einstellung ist sie 2023 litauische Sportlerin des Jahres geworden, die Stadt Vilnius wirbt in einem Imagefilm mit der jungen Breakerin. Viermal war sie litauische Meisterin in ihrer Disziplin.
Dominika Banevič freut sich auf die Olympischen Spiele, trotz aller Kritik aus der Szene. „Für mich persönlich sind sie eine große Chance und ich sehe nur Gutes darin. Es ist großartig, der Welt zu zeigen, dass Breaker:innen genauso hart arbeiten wie andere Athlet:innen, und es verdienen, diese große Plattform zu bekommen. Ich bin dankbar dafür, Teil der Geschichte zu sein!“, erklärt sie.
Ungewöhnlich scheint, dass Banevič – von den Krafttrainingseinheiten abgesehen – ohne Trainer auskommt. Ohne die finanzielle Unterstützung des Litauischen Olympischen Komitees und des Litauischen Tanzsportverbands hätte sie freilich kein eigenes Trainingsstudio. Auch der Brausehersteller und ein Elektronikkonzern unterstützen sie finanziell. Banevič sagt, sie sei den Menschen sehr dankbar, die an sie glaubten und sie auf ihrem Weg unterstützten.
Bis zu einer Olympischen Medaille ist es für Dominika Banevič noch ein langer Weg – wenn man aber sieht, wie sie in ihrem Studio nun am Regler der Musikanlage dreht und kurz darauf zu einem Track des US-Rappers Nas einige Powermoves hinlegt, zweifelt man nicht daran, dass dies ihr großes Ziel ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Fans angegriffen
Gewalt in Amsterdam
+++ Nach dem Ende der Ampel +++
Habeck hat Bock
Auflösung der Ampel-Regierung
Drängel-Merz
Die Regierungskrise der Ampel
Schnelle Neuwahlen sind besser für alle
Angriffe auf israelische Fans
Sie dachten, sie führen zum Fußball
Schönheitsideale in der Modewelt
Zurück zu Size Zero