Wenn ein Dammbruch droht

In den peruanischen Anden kämpft ein Bauer gegen schmelzende Gletscher – und vor Gericht gegen den Energiekonzern RWE

Bereits 2018 hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm festgestellt, dass Klimaschäden grundsätzlich eine Unternehmenshaftung begründen können. Jetzt muss es in einem konkrten Anwendungsfall urteilen – mit einem Kläger aus einem viele tausend Kilometer entfernten Land.

Denn der peruanische Bauer Saúl Luciano Lliuya hat den deutschen Kohlekonzern RWE wegen dessen Beitrag zur Klimaerhitzung verklagt. Er lebt in den Anden, wo die Gletscher rasant schmelzen. Oberhalb seines Dorfes ist dadurch ein See stark angeschwollen. Die Anwohner fürchten, dass der Damm brechen und eine Flutwelle ihre Häuser wegspülen könnte. Deshalb pumpen sie Wasser ab, was Geld kostet.

Jetzt muss das OLG Hamm entscheiden, ob RWE für Klimaschäden haftbar gemacht werden kann. Der Essener Kohlekonzern, so die Argumentation, sei mit seinem Ausstoß von Treibhausgasen maßgeblich mitverantwortlich für das Abschmelzen der Andengletscher. Auf das Konto von RWE gingen 0,47 Prozent aller weltweiten Treibhausgas-Emissionen. Diesen Anteil soll RWE auch an den Kosten der Vorsichtsmaßnahmen für Saúl Luciano Lliuyas Andendorf tragen. Es geht nur um einige tausend Euro, an sich ein verschwindend geringer Betrag für den Konzern, der für das Jahr 2023 einen Jahresnettogewinn von 4,5 Milliarden Euro vermeldete. Doch bekäme Saúl Luciano Lliuya Recht, hätte das eine Signalwirkung. So könnten etwa auch untergehende Inselstaaten wie die Malediven den Konzern auf Schadensersatz verklagen. Für RWE wäre das ein Dammbruch und kaum finanzierbar.

Zuletzt hatten Gutachter den See in den Anden untersucht. „Es geht um die Frage, ob der Damm tatsächlich zu bersten droht“, erläutert Bernhard Kuchler, Sprecher des Gerichts. Kläger und Beklagte hätten nun umfangreiche Anmerkungen an das Gutachten gemacht, die zu erörtern seien. Kuchler: „In diesem Jahr wird es wohl keinen Verhandlungstermin mehr geben.“