Herausforderungen für Produzenten: Faire Produkte unter Preisdruck
Die Umsätze sind stabil, aber die Herausforderungen für Produzenten von fairen Waren wachsen. Der Klimawandel verknappt weltweit Ernten.
Berlin taz | Käufer*innen in Deutschland haben vergangenes Jahr etwas mehr für fair gehandelte Produkte ausgegeben. Der Gesamtumsatz stieg um 7,3 Prozent auf 2,34 Milliarden Euro, sagte Matthias Fiedler, der Geschäftsführer des Forums Fairer Handel, am Mittwoch in Berlin.
Der Verband vertritt den Weltladen-Dachverband und eine Reihe von Unternehmen, die fair gehandelte Produkte vertreiben, darunter Naturland, Gepa und El Puente. Sie bezahlen den Erzeuger*innen zusätzlich zum Abnehmerpreis Prämien und sichern langfristige Abnahmen der Produkte zu.
Zu ihren Produkten gehören Textilien, Blumen und Lebensmittel. Am beliebtesten ist Kaffee, der bei fairen Waren fast 40 Prozent des Umsatzes ausmacht, obwohl die Einnahmen 2023 leicht zurückgegangen sind. Fair gehandelter Kaffee hat laut dem Forum Fairer Handel einen Marktanteil von 5,5 Prozent.
Vorstandsvorsitzende Andrea Fütterer wies auf die gravierenden Folgen des Klimawandels auf Ernten und Bäuer*innen hin. Aktuell zeige sich dies etwa bei der Kaffeeernte in Vietnam, die durch Dürre sehr gering ausfalle und beim Kakao in Westafrika. Die Bäuerinnen kämpfen dort seit Längerem mit geringem Niederschlag und Pilzkrankheiten, die sich durch die wärmeren Temperaturen ausbreiten. „Schokolade und Kaffee stehen exemplarisch dafür, dass dringend in nachhaltigen Anbau investiert werden muss“, sagt Fütterer.
„Lieferkettengesetz darf nicht abgeschwächt werden“
Die fairen Handelsunternehmen setzen zusammen mit den Kleinbauernorganisationen bereits einige Maßnahmen um. Es werden etwa Schattenbäume gepflanzt und stärker auf Agroforstsysteme gesetzt. Das heißt, dass beispielsweise Obstbäume zwischen die Kakaobäume gepflanzt werden.
Das wiederum helfe auch den Produzent*innen, die sich auf mehr als ein Produkt stützen können. Gerade von den konventionellen Abnehmern werde aber wenig in Anpassung investiert, kritisierte Fütterer. Gleichzeitig hat die Branche jahrelang Monokulturen unterstützt, die die Resilienz der Bäume und Böden verschlechtert haben.
Auch faire Preise sichern nicht überall das Existenzminimum. Das ist je nach Ort und Umständen unterschiedlich und die Berechnungen kompliziert. Und die fairen Handelsunternehmen stehen in Deutschland unter Preis Druck. Zu ihren Kund*innen gehören vor allem solche mit höherem Einkommen.
„Unsere Preise sind nicht zu hoch, sondern alle anderen sind viel zu billig“, erwidert Fütterer. Auch aufgrund jahrelanger Dumpingpreise hätten die Kakaobäuerinnen keine Mittel, um in Anpassung zu investieren. „Die Preise nehmen Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzung in Kauf“, sagt sie.
Deswegen brauche es gleiche Regeln für einen fairen Handel für alle, betont Fiedler. Der Geschäftsführer warnte vor einer Abschwächung des deutschen Lieferkettengesetzes, wie sie die Bundesregierung vor einigen Wochen bekannt gab. Auch die EU-Lieferkettenrichtlinie müsse schnell und ambitioniert umgesetzt werden. Die Mitglieder des Forums Fairer Handel zeigten, dass die Umsetzung der Vorgaben möglich sei. Es sei fatal, sie als Bürokratie abzutun, so Fiedler.
Fütterer forderte außerdem politische Unterstützung für Anpassungsmaßnahmen in den Lieferketten. Die Bundesregierung solle sich weiter für die Auffüllung der internationalen Klimafinanzierung und des Fonds für Schäden und Verluste einsetzen.
Leser*innenkommentare
Offebacher
Wenn Lebensmittel zu billig sind, wieso sind dann viele Leute auf die Tafel angewiesen? Wenn die Lebensmittel noch teurer werden, dann sind noch mehr Menschen auf die Tafel angewiesen, oder sie können sich (überspitzt) nur noch Wasser und Brot leisten. Ich glaube nicht, dass das Lobbyistinnen wie Frau Fütterer klar ist. Es lebe die eigene Blase.
Andreas J
@Offebacher Das die Produzenten sich (nicht überspitzt) nur noch Wasser und Brot leisten, ist aber ok für sie? Die Verteilungsprobleme der westlichen Welt können wir nicht länger den globalen Süden aufbürden, um hier den sozialen Frieden zu gewährleisten. Soviel zur eigenen Blase.