Investigativmedium in Guatemala: Ein Leuchtturm der Pressefreiheit
2022 zwang die Regierung in Guatemala das Investigativmedium „El Periódico“ ins finanzielle Aus. Nun läuft es unter dem Namen „eP Investiga“ wieder an.
Seit 1996 schaute die guatemaltekische Zeitung El Periódico den Mächtigen im Land auf die Finger. Das einflussreiche Investigativmedium deckte immer wieder die Veruntreuung öffentlicher Mittel auf – „Fiscalisación“ heißt das auf Spanisch. Dafür wurde die Zeitung nicht nur gefeiert, sondern auch angegriffen: Sie wurde den meist konservativen Regierungen des Landes ein Dorn im Auge.
Die korrupteste von allen – die bis zum 14. Januar amtierende Regierung von Alejandro Giammattei – nahm im Juli 2022 einen Anlauf, dem Medium erfolgreich den Stecker zu ziehen. Gründer und Herausgeber José Rubén Zamora wurde von einer Spezialeinheit der Polizei festgenommen. Der fingierte Vorwurf: Geldwäsche. Bis heute sitzt er im Gefängnis.
„Parallel dazu wurden die Konten vom El Periódico eingefroren, potenzielle Geldgeber und Anzeigenkunden unter Druck gesetzt, so dass wir Ende November 2023 die Printausgabe und am 15. Mai auch die Online-Ausgabe einstellen mussten“, erinnert sich die damalige Redaktionsleiterin Julia Corado gegenüber der taz.
Nun macht das Onlineportal eP Investiga da weiter, wo El Periódico aufhörte – unter Leitung von Gersón Ortiz. Der 40-jährige Journalist mit dem graumelierten Bart war jahrelang einer der leitenden Redakteure des Vorgängerblatts. Auch die ehemalige Redaktionsleiterin Julia Corado ist wieder dabei, nun als eine von drei Ressortleiter:innen, sowie rund ein Dutzend weitere Journalist:innen – die meisten ebenfalls mit El-Periódico-Vergangenheit.
Schwere Bedingungen
Die Neugründung ist ein Versuch, einen Leuchtturm der Pressefreiheit in Guatemala wieder aufleben zu lassen. 4.000 Leser:innen hat das Portal täglich, Tendenz steigend. „Wir haben durch Spenden und feste Förder:innen aus Guatemala und dem Ausland eine finanzielle Absicherung für sechs Monate“, erklärt der Chefredakteur Ortiz. „Nun brauchen wir Abonnent:innen, um schnell auf eigenen Füßen zu stehen und die Redaktion zu erweitern.“
Die Bedingungen sind jedoch nach wie vor schwierig. Zwar hat sich die Situation der Berichterstatter:innen in Guatemala mit der neuen sozialdemokratischen Regierung merklich verbessert, sagt Diego España, Redakteur bei der linksliberalen La Hora, zur taz, aber die Kriminalisierung von Berichterstatter:innen sei längst nicht vorbei: „Die Regierung von Bernardo Arévalo arbeitet mit den Medien zusammen. Das lässt sich jedoch für den Justizsektor nicht sagen“, so der 23-jährige Journalist. Er freue sich über den Schub für die mediale Vielfalt in Guatemala.
Denn sechs Monate nach der Vereidigung des sozialdemokratischen Reform-Präsidenten macht sich Ernüchterung breit. Das sieht eP-Investiga-Chefredakteur Gersón Ortiz nicht anders: „Die Regierung hat Hoffnungen geweckt, die unrealistisch waren, wie die Absetzung von Generalstaatsanwältin María Consuelo Porras“. Längst gilt Porras als mächtigste Frau Guatemalas. Sie kontrolliert de facto das Justizsystem, wird von den Richter:innen am Verfassungsgericht gedeckt und hat die Justiz gegen die Regierung in Stellung gebracht.
Gründer weiterhin in Haft
Mit einer Welle von Vorladungen und Ermittlungsverfahren gegen Kabinettsmitglieder erschwert sie dem Kabinett von Bernardo Arévalo die Arbeit. Das jüngste Beispiel: der Rücktritt von Gesundheitsminister Óscar Cordón am 12. Juni – nach Dutzenden von Vorladungen.
De facto herrscht ein offener Konflikt zwischen Regierung und Generalstaatsanwältin, die noch ein Mandat bis 2026 hat – und nur über eine Gesetzesreform oder ein Referendum aus dem Amt entfernt werden kann. „Die Regierung verfügt über keine kohärente Strategie und keine Mehrheit im Parlament“, sagt Gersón Ortiz und zuckt mit den Schultern.
Inzwischen sitzt Zamora, der Herausgeber von El Periódico und eine Ikone des investigativen Journalismus in Mittelamerika, seit fast zwei Jahren in Haft. Am 5. Juli wurde er von der kolumbianischen Medienstiftung Gabo mit einem Preis für sein journalistisches Lebenswerk ausgezeichnet. Ein positives Zeichen. Denn so bleibt der Fall Zamora im Gespräch. Den Preis nahm sein in Miami lebender Sohn José in Kolumbien entgegen. „Internationale Aufmerksamkeit ist essenziell für uns, und nicht nur deshalb schätzen wir als Familie die Arbeit von eP Investiga“, sagt er der taz.
Korrupte Justiz
Doch die Aussichten auf ein faires Verfahren in Guatemala sind laut Julia Corado gering: „Zamora ist ein Unbequemer in den Augen der korrupten Justiz. Selbst die vielen Artikel und Beiträge über ihn in der internationalen Presse haben nicht dazu geführt, dass die Staatsanwaltschaft eingeknickt ist.“
Auch eP Investiga steht vor Herausforderungen: Der Sitz des Portals liegt aus Sicherheitsgründen nicht in Guatemala, sondern in Mexiko-Stadt. „Wir müssen unsere Strukturen vor dem Zugriff der guatemaltekischen Behörden schützen“, sagt Chefredakteur Gersón Ortiz. Das sei eine logische Konsequenz, nachdem El Periódico quasi ökonomisch erdrosselt worden sei.
Und das ist auch einer der Gründe, weshalb Gersón Ortiz derzeit noch aus dem Ausland für eP Investiga arbeitet. Gleichzeitig ermittelt die guatemaltekische Generalstaatsanwaltschaft gegen Ortiz und einige Kolumnisten von El Periódico – wegen Einschüchterung der Justiz.
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