Wer zurWahl steht

Bei den Landtagswahlen im Herbst gelten Zugewinne für die AfD als sicher. Doch wer sind die Rechten, die in die Parlamente von Thüringen, Sachsen und Brandenburg einziehen wollen? Wir haben die Hintergründe von mehr als 150 AfD-Kandidat:in­nen recherchiert und zeigen eine Auswahl

Von Jean-Philipp Baeck
, Anne Fromm
, Malene Gürgen
, Gareth Joswig
und Konrad Litschko

Thüringen

Das kleine Bundesland ist für die völkisch-nationalistische Strömung der AfD ein Rückzugsraum, in dem sie extrem rechte Forderungen und Konzepte erprobt und die Radikalisierung der Gesamtpartei maßgeblich vorangetrieben hat. 2015 gründete Björn Höcke, der bei der Wahl am 1. September als Spitzenkandidat antritt, hier mit der Erfurter Resolution den völkischen Flügel.

Laut Verfassungsschutz ist die AfD in Thüringen klar rechtsextrem. Björn Höcke wurde wiederholt wegen SA-Parolen („Alles für Deutschland“) verurteilt. Zuletzt forderte er Säuberungen in der Justiz und sprach bei einer Rede davon, dass man in Deutschland auch gut mit 20 bis 30 Prozent weniger Menschen leben könne. Das Thüringer Wahlprogramm trägt den Titel „Alles für Thüringen“ – eine revisionistische Anlehnung an die Losung der SA.

Die meisten Politiker auf der Wahlliste sitzen entweder schon im Landtag oder sind Mitarbeiter der Partei. Die Nominierung der Kan­di­da­t:in­nen hatte im Vorfeld in einigen Wahlkreisen zu Streit geführt. In Westthüringen etwa lehnte der Landesvorstand um Björn Höcke zwei Direktkandidaten ab, die von der dortigen Parteibasis korrekt gewählt wurden. Der Landesvorstand wollte Neuwahlen durchsetzen, die beiden Kandidaten zogen dagegen erfolgreich vor Gericht. Das half ihnen allerdings nicht: Der Vorstand verweigerte eine notwendige Unterschrift, die AfD tritt in den Wahlkreisen nun ohne Direktkandidaten an. Aus der Partei kommt dazu heftige Kritik. Der Wartburger Bundestagsabgeordnete Klaus Stöber wirft Höcke öffentlich vor, „unliebsame Mitglieder mit Stasimethoden zu verunglimpfen“. Dafür droht Stöber jetzt der Parteiausschluss.

Für Felix Steiner, Sprecher der Mobilen Beratung in Thüringen, sind Geschichten wie diese ein Hinweis darauf, wie hierarchisch der Landesverband geführt wird. „Offensichtlich wird versucht, alles unter Kontrolle zu halten, damit es keine Skandale nach außen gibt. Auch bei der Auswahl der Kandidaten“, sagt Steiner. Die AfD Thüringen sei der „Vorreiter der Professionalisierung von Radikalität“.

Der Ermittler in eigener Sache

Bereits seit 2019 sitzt Torsten Czuppon im Erfurter Landtag. Vor seiner Abgeordnetenkarriere war er Polizist, unter anderem als Gruppenführer der Thüringer Wasserwerferstaffel. Nachdem er rechtsextreme und geschichtsrevisionistische Beiträge in sozialen Medien geteilt und mehrfach T-Shirts der rechtsextremen Kleidungsmarke Thor Steinar getragen haben soll, wurde er in den Streifendienst versetzt.

Einer dieser Vorfälle sorgte für einen langen Rechtsstreit, der gerade erst zu Ende gegangen ist: Auf einem Seminar der KZ-Gedenkstätte Buchenwald zum Thema „Geschichtsrevisionismus und Holocaustleugnung“ soll Czuppon 2017 im Thor-Steinar-Shirt teilgenommen haben. Als die Polizei ein Disziplinarverfahren einleitete, erstattete er Anzeige gegen zwei Zeugen und bearbeitete die Anzeigen auch noch selbst. Das Amtsgericht Erfurt verurteilte ihn im Juli 2022 zu einer hohen Geldstrafe: 150 Tagessätze, insgesamt 30.000 Euro wegen der Verfolgung Unschuldiger. Im Juni 2024 lehnte das Thüringer Oberlandesgericht die Revision ab, das Urteil ist damit rechtskräftig. Das Disziplinarverfahren wird nun wieder aufgenommen und kann für Czuppon mit der Entfernung aus dem Dienst enden.

Die Social-Media-Aktivistin

Wiebke Muhsal kandidiert auf Platz 3 der Landesliste, zudem ist sie Direktkandidatin für den Wahlkreis Saale-Holzland-Kreis II. Dort kandidiert auch der CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt. Von 2014 bis 2019 saß Muhsal schon einmal für die AfD im Thüringer Landtag. Ihre Abgeordnetenkarriere startete sie mit einem Betrug: Sie hatte den Arbeitsvertrag einer ehemaligen Mitarbeiterin in ihrem Wahlkreisbüro in Jena um zwei Monate vordatiert und bekam so zu Unrecht Geld aus dem Landtag. Ein Erfurter Gericht verurteilte sie zu 80 Tagessätzen à 100 Euro.

In den sozialen Medien ist sie so erfolgreich wie niemand sonst bei der Thüringer AfD. Bei Tiktok und Instagram kommentiert sie regelmäßig politische Debatten und erzählt aus ihrem Alltag. Besonders engagiert ist sie in der Familien- und Bildungspolitik. Sie selbst hat Jura studiert und ist Mutter von fünf Kindern. Das nutzt sie auch für ihre politischen Botschaften: „Für mich ist die AfD die Partei für Frauen!“, schreibt sie auf Instagram, und „Echte Frauen braucht das Land.“

Der Burschenschaftler

Als Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Landtagsfraktion ist Torben Braga Björn Höckes rechte Hand im Parlament. Zudem ist er Mitglied der Marburger Burschenschaft Ger mania, die Verbindungen zur rechtsextremen Szene hat. Vertreter der sogenannten Neuen Rechten haben bei der Burschenschaft Vorträge gehalten, darunter Mitglieder des mittlerweile aufgelösten Instituts für Staatspolitik (IfS). Braga war außerdem Sprecher des Verbands Deutsche Burschenschaft, der auch rechtsextreme Burschenschaften umfasst.

Den Kontakt zur Thüringer Neonazi­szene scheut Braga nicht: 2015 traf er sich mit der rechtsextremen Bürgerinitiative Wir lieben Meiningen zur „Vernetzung“, wie die Gruppe später auf Facebook schrieb. Im vergangenen Sommer zählte Braga zu den 15 Gästen des Berliner Ex-Finanzsenators Peter Kurth (ehemals CDU), der für ein Sommerfest prominente Köpfe der rechten und rechtsextremen Szene auf seiner Dachterrasse versammelt hatte.

Der Büroleiter

Robert Teske ist Björn Höckes Büroleiter und bei fast allen Terminen fest an der Seite des Landesvorsitzenden. Der Speditionskaufmann ist nach eigenen Angaben Fördermitglied des rechtsex­tremen Vereins Ein Prozent, lobt die Aktionen der Identitären Bewegung und trat zusammen mit dem Identitären-Kader Jonas Schick in einem Podcast auf. Bevor er in den völkisch dominierten AfD-Landesverband Thüringen wechselte, hatte Teske auch Kontakt zu Bremer Neonazis.

Teske vertritt die neurechte Verschwörungsideologie vom „Großen Austausch“, forderte schon 2017 „Remigration“ und hält die BRD für ein „Unrechtsregime“. Als er noch in der Jungen Alternative Bremen war, posierte er bei einer USA-Reise mit Schusswaffen und „Grüßen“ an den Bremer Innensenator Ulrich Mäurer, der das Waffenrecht verschärfen wollte. Teske ist Direktkandidat im Kyffhäuserkreis, wo der völkische Flügel jahrelang seine Jahrestreffen abhielt. Die Prozesse gegen Höcke nennt er „Schauprozesse“.

Der Reichsbürger

Der pensionierte Arzt Wolfgang Lauerwald sitzt für die AfD seit 2019 im Landtag, aber ist auch fest in der Mischszene aus Neonazis, Reichsbürgern, und Rechtsrockern verankert. Im April 2024 nahm er in Gera an der Reichsbürger-Demo „25+1 Bundesstaaten“ teil, einem der größten Treffen der Szene überhaupt.

25 Bundesstaaten hatte das deutsche Reich inklusive der Ostgebiete. Ebenso beanspruchen die Reichsbürger mit „+1“ das französische Elsaß-Lothringen. Auf der Demo wurde die derzeit für Terror angeklagte Reuß-Gruppe als „politische Gefangene“ bezeichnet und stolz eine Fahne des Fürstentums Reuß präsentiert. Und dann stimmten Teilnehmer auch noch das Horst-Wessel-Lied an, die verbotene Parteihymne der NSDAP.

Die Zahnärztin, die Putin mag

Corinna Herold sitzt seit 2014 im Thüringer Landtag und ist Unterzeichnerin der Erfurter Resolution. Die Zahnärztin trägt gerne Pelzmäntel und verbindet eine bürgerliche Fassade mit rechtsextremem Gedankengut. Bis heute ist sie Mitglied in der geschlossenen Facebook-Gruppe Bürgerwehr Untersuhl, Gerstungen und Umgebung, die unter anderem vom ehemaligen NPD-Kader Andreas Niebling organisiert wird. Aber auch zahlreiche weitere Neonazis aus der gesamten Bundesrepublik sind in der Gruppe vernetzt und hetzten darin mit Gewaltfantasien gegen Migrant:innen.

Als Landtagsabgeordnete forderte Herold von der Landesregierung Statistiken darüber, wie viele Homo- und Bisexuelle sowie trans Personen im Freistaat Thüringen leben. Auf Facebook teilt sie Reden von Wladimir Putin und bekennt sich „stolz“ zu den Reichsbürgern der Gruppierung Freies Thüringen.

Sachsen

Mühe, sich vom ganz rechten Rand abzugrenzen, gibt sich bei der sächsischen AfD niemand. Ihre Po­li­ti­ke­r:in­nen sprechen seit Jahren immer wieder auf Pegida-Demonstrationen, obwohl die Organisation auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD steht, sie verbreiten völkisch-nationalistische Hetze und nutzen extrem rechte Kampfbegriffe wie den der „Remigration“ oder einer drohenden „Umvolkung“.

Seit Dezember 2023 gilt die sächsische AfD dem Landesverfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“. Dagegen klagt die Partei zwar, geschadet hat ihr die Einstufung allerdings nicht. Landeschef Jörg Urban selbst verweist seitdem auf steigende Mitgliederzahlen und mehr Spenden. Der AfD ist der Stempel wohl ganz recht, muss sie sich in Sachsen doch von einer CDU abgrenzen, die mit ihrem Law-and-Order-Kurs, der Forderung nach weniger Geflüchteten und der Nähe zu Russland inhaltlich nicht gerade Abstand nach rechtsaußen wahrt.

Sächsische Wäh­le­r:in­nen entscheiden sich dennoch lieber für das Original. Alle Umfragen der vergangenen zwölf Monate sehen die AfD als stärkste Kraft bei der Landtagswahl am 1. September. Auch bei den jüngsten Zahlen vom Juni liegt sie mit 30 Prozent einen Punkt vor der CDU. „Dass die AfD in Sachsen offen rechtsextrem ist, hält offenbar niemand davon ab, sie zu wählen“, sagte Michael Nattke, Geschäftsführer des Kulturbüro Sachsen, der taz.

Der systemfeindliche Anführer

Jörg Urban ist seit 2018 Landesvorsitzender der AfD Sachsen. Er kandidiert auf Listenplatz 1 und als Direktkandidat im Wahlkreis Bautzen 5. Urban sitzt seit 2014 im Landtag und gilt als Sympathisant des völkischen Flügels. Mehrfach trat er bei Pediga-Demonstrationen auf und besuchte einmal das ehemalige Institut für Staatspolitik des neurechten Vordenkers Götz Kubitschek. Urban sprach von einem drohenden „Bevölkerungsaustausch“ und von „tonangebenden Globalisten in Politik, Medien und Konzernen“, womit er antisemitisch konnotierte Verschwörungsideologien bediente.

Auf Facebook schrieb Urban 2018: „Auch das derzeitige Regime werden wir mit Hilfe der vernünftig denkenden Menschen zum Einsturz bringen!“ Er äußerte sich rassistisch darüber, dass das Volk „weitgehend homogen“ bleiben solle. In einer Rede auf einer prorussischen „Friedensdemo“ Anfang 2023 in Dresden geißelte Urban die „ukrainische Kriegsmaschinerie“.

Der Bodyguard

Arthur Österle ist Direktkandidat für den Wahlkreis Erzgebirge 5. Im August 2020 war er beim Sturm auf den Reichstag in Berlin dabei. Österle sprach in Bezug darauf von einem „Missverständnis“. 2018 war er Chefordner und Einheizer bei Aufmärschen des Bündnisses Pro Chemnitz. Von ihnen gingen rassistische Gewalttaten aus. Ein Foto zeigt ihn im gleichen Jahr bei einer Demonstration der neonazistischen Kleinstpartei III. Weg. Ebenfalls seit 2018 ist er AfD-Mitglied. Bereits 2019 kümmerte sich Österle beim Bundesparteitag der AfD um die „Security“ und ist aktuell der stellvertretende Sicherheitsbeauftragte des sächsischen Landesverbands.

Der Rechtsaußenanwalt

Der Leipziger Strafverteidiger Roland Ulbrich ist selbst der AfD zu rechts. Dennoch wurde er im Wahlkreis Nordsachsen 1 als Direktkandidat auserkoren. 2019 zweifelte er an, dass der antisemitische Anschlag in Halle auf die Ermordung der Betenden abzielte und fragte: „Was ist schlimmer: eine beschädigte Synagogentür oder zwei getötete Deutsche?“ Die Bonner Studentenverbindung Corps Rhenania warf das langjährige Mitglied daraufhin raus.

In der AfD bremste das seine Karriere nicht. 2019 zog er in den sächsischen Landtag ein, wurde Stadtrat in Leipzig und später Vize des Bundesschiedsgerichts der AfD. Im Januar 2024 trat er von dem Posten zurück, nachdem herauskam, dass er sich in einem Eilbeschluss auf das nationalsozialistische Reichsbürgergesetz von 1935 bezogen hatte – eines der antisemitischen Nürnberger Rassengesetze. Die Partei strebte danach einen Ausschluss an. Ulbrich kam einem Rauswurf aus der Fraktion mit seinem Austritt zuvor. Parteimitglied ist er geblieben.

Der Soldat

André Wendt sitzt seit 2014 im Landtag, seit 2019 ist er dessen zweiter Vizepräsident. Jetzt steht der Berufssoldat auf Listenplatz 4 und als Direktkandidat im Wahlkreis Dresden 4 erneut zur Wahl. Für Empörung sorgte 2017 eine seiner Anfragen, in der er sich nach den Kosten für die Sterilisation für „unbegleitete minderjährige Ausländer“ erkundigte. 2018 befürchtete er: „Homosexuelle aus aller Welt dürfen an unsere Sozialtöpfe.“ Im gleichen Jahr sprach er von einer „rechtswidrigen Flutung Europas, Deutschlands und Sachsens mit Millionen Menschen, darunter viele Analphabeten, Kriminelle, Antisemiten, Islamisten, Vergewaltiger, Messerstecher und Armutsmigranten“. Wendt nahm an mehreren Auslandseinsätzen der Bundeswehr teil und wurde mit deren Ehrenkreuz ausgezeichnet.

Der Journalist mit dem SS-Symbol

AfD Brandenburg in der Wiesenhalle in Jüterbog am 16. März 2024 Foto: Hannes Jung/laif

Andreas Harlaß ist Direktkandidat im Wahlkreis Dresden 2. Der Journalist ist Sprecher der AfD Sachsen und Mitglied im Landesvorstand. Harlaß schrieb jahrelang für die Bild-Zeitung und die Junge Freiheit (JF). In einer JF-Kolumne zählte er 2014 Argumente dafür auf, dass der deutsche Überfall auf Polen 1939 nicht als „heimtückisch“ zu bezeichnen sei, weil er einem polnischen Angriff zuvorgekommen sei. In einem Facebook-Post schrieb er mutmaßlich in Bezug auf Muslime von „primitiven Menschen“. Harlaß wurde daraufhin von einem Kritiker als Neonazi und Anhänger der NS-Rassentheorie bezeichnet. Er klagte auf Unterlassung, das Amtsgericht Dresden wies den Antrag ab.

Nach dem antisemitischen Attentat auf eine Synagoge in Halle schrieb Harlaß: „Der Psycho von Halle hat Deutsche erschossen, keine Semiten.“ AfD-Chef Tino Chrupalla bezeichnete das später als „inakzeptablen Einzelfall“. Immer wieder tauchten bei Harlaß Symbole mit Bezug zum Nationalsozialismus auf: Auf einem Bild, das er selbst postete, ließ sich beispielsweise die Schwarze Sonne erkennen, ein SS-Symbol. Auch zeigte Harlaß sich in einem Poloshirt aus dem Versandhandel der neonazistischen Organisation Artgemeinschaft.

Brandenburg

Der Landesverband der Brandenburger AfD gehört von jeher zu den radikalsten. Das hat auch mit ihrem früheren Vorsitzenden Andreas Kalbitz zu tun, einst enger Verbündeter von Björn Höcke. Als im Jahr 2020 Fotos von ihm in einem Zeltlager des verbotenen Vereins Heimattreue Deutsche Jugend auftauchten, wurde er aus der Partei geworfen. In der AfD-Landtagsfraktion saß er dennoch bis zuletzt als Parteiloser – die Fraktion änderte dafür eigens die Geschäftsordnung. Nach der Wahl am 22. September ist damit Schluss: Kalbitz wurde nicht mehr auf die Landesliste gewählt oder für ein Direktmandat nominiert, er hat es sich mit persönlichen Verfehlungen und seinem aggressiven Stil inzwischen mit zu vielen in der Partei verscherzt.

Weniger radikal geworden ist der Landesverband dadurch nicht. Inzwischen führt Hans-Christoph Berndt die Landtagsfraktion, den Kalbitz einst in die Partei holte. Offensiv knüpfte er Netzwerke in die rechtsextreme Szene. Landeschef ist René Springer, früher Referent von Parteigründer Alexander Gauland. Auch er hat keine Probleme mit Radikalen, beschäftigt einen früheren Identitären als Mitarbeiter. Er erklärte, seine Partei werde „Ausländer in ihre Heimat zurückführen, millionenfach“ – das sei „kein Geheimplan, das ist ein Versprechen“.

Berndt und Springer wollen die AfD professioneller aufstellen – und haben sich damit zunächst gegen das vormalige Kalbitz-Lager durchgesetzt, das Konflikte auch offen austrug. „Der Landesverband war lange gespalten, allerdings in zwei gleichermaßen rechtsextreme Fraktionen“, erklärt Christoph Schulze, Mitarbeiter am Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien. Die Brandenburger AfD bleibe damit „als Gesamtorganisation weiter klar auf rechtsextremem Kurs“. Der Verfassungsschutz hat den Landesverband als rechtsextremen Verdachtsfall eingestuft, einzelne Funktionäre als gesichert rechtsextrem.

DerNetzwerker

Schon 2015 stand Hans-Christoph Berndt, einst Labormediziner und Personalratsvorsitzender an der Charité Berlin, auf der Straße. Mit dem von ihm mitgegründeten Verein Zukunft Heimat demonstrierte er in seiner Heimatstadt Golßen in der Lausitz gegen Unterkünfte für Geflüchtete – und vernetzte sich früh in der rechtsextremen Szene. Berndt sprach als Redner bei Pegida in Dresden, saß auf Podien beim rechtsextremen Compact-Magazin und dem Institut für Staatspolitik von Götz Kubitschek. 2019 zog Berndt für die AfD in den Landtag ein und wurde kurz darauf direkt Fraktionschef.

Heute ist Berndt Spitzenkandidat zur Landtagswahl – und Einpeitscher. Auf Reden ätzte Berndt über eine „Invasion“ von Migranten und einen „multikriminellen Sumpf“ oder dass man diejenigen „verjagen“ müsse, die „Heimat und Identität zerstören“. Der Verfassungsschutz hat Berndt schon länger als gesichert rechtsextrem eingestuft.

Der Nachwuchs-Neurechte

Seine Nähe zu den Identitären oder Pegida versteckte Jean-Pascal Hohm nie. „Wir sind Teil einer Bewegung“, erklärte er schon 2017 – und zählte neben der AfD die beiden rechtsextremen Initiativen dazu. Hohm organisierte Anti-Merkel-Demos in Brandenburg, machte für das rechtsextreme Netzwerk Ein Prozent Videos und Infostände. Bei Pegida in Dresden trat er als Redner auf, reiste bis nach Italien zum neofaschistischen „Casa Pound“-Projekt in Rom.

2014 war Hohm, damals als 17-jähriger Gymnasiast, Mitgründer und Vorsitzender der Jungen Alternative in Brandenburg. Später beschäftigte ihn die Brandenburger AfD-Fraktion als Mitarbeiter – bis Hohm 2017 bei einem Fußballspiel mit rechtsextremen Hooligans gesehen wurde und ihn die Fraktion auf öffentlichen Druck hin rauswarf. Der Kontakt aber blieb: Wenig später dockte Hohm wieder als Mitarbeiter eines Abgeordneten an. Zudem ist er AfD-Vorsitzender in seiner Heimat Cottbus – und in der Region regelmäßiger Redner auf Demonstrationen, wo er eine „konsequente Remigration“ fordert. Gleichgesinnte forderte er auf: „Werdet wehrhaft und bildet Gemeinschaft, um euch im Ernstfall verteidigen zu können.“ Mit Listenplatz 9 dürfte Hohm der Einzug in den Landtag sicher sein. In der AfD ist er bestens vernetzt und könnte dort noch Karriere machen.

Der Dauerdemonstrant

Fotos: picture alliance, imago, privat

Seit 2019 sitzt Lars Günther für die AfD im Landtag, auf der Straße stand er schon vorher. Bereits 2014 tauchte der frühere Security-Mann bei den rechtsoffenen „Friedensmahnwachen“ in Berlin auf. Dort lernte er Jürgen Elsässer kennen und arbeitete später bei dessen rechtsextremem Compact-Magazin, als persönlicher Assistent der Geschäftsführung. Vor allem aber organisierte Günther Demonstrationen: erst „Merkel muss weg“-Proteste, bei denen teils auch die NPD mitmischte, später dann Demos gegen die Coronamaßnahmen.

Auch als die Polizei 2020 einen Querdenker-Protest vor dem Bundestag mit Wasserwerfern auflöste, war Günther dabei. Zuletzt sorgte eine AfD-Wahlkampfveranstaltung von ihm in einem Schülerklub in Bad Freienwalde für Wirbel. Der CDU-Bürgermeister hatte die Veranstaltung gegen den Willen der Schule durchgesetzt. Vor der Tür gab es Anti-AfD-Proteste, drinnen verteilte Günther „Remigration? Na klar!“-Sticker. Der Verfassungsschutz stuft auch ihn als erwiesenen Rechtsextremisten ein.

Der Parteienwechsler

Im Sommer 2023 trat Falk Janke in der Kreisstadt Seelow im Oderbruch als Bürgermeisterkandidat der AfD an, unterlag aber deutlich gegen den parteilosen Kandidaten. Es war eine von zahlreichen Etappen in Jankes langer politischer Karriere. In den 1990er Jahren war er kommunalpolitisch für die CDU tätig, 2001 ging er zur Schill-Partei. Bei deren Nachfolgepartei Offensive D wurde Janke Brandenburger Landesvorsitzender. 2005 gründete er eine eigene Wählervereinigung mit dem Namen Die Rechte – Mut zur Wahrheit. In der Seelower Stadtverordnetenversammlung bildete diese Wählervereinigung mit der CDU eine gemeinsame Fraktion. Im Kreistag schloss sich Janke mit der rechtsextremen DVU zusammen.

Sein Antrag, in die damals neue AfD-Fraktion aufgenommen zu werden, wurde 2014 aufgrund seiner rechtsextremen Umtriebe noch abgelehnt. 2017 durfte er dann doch zur AfD wechseln. Bei der Landtagswahl tritt er als Direktkandidat im Wahlkreis Märkisch-Oderland IV an.

Der Szenetreffbetreiber

Der Bunker 38 im Spremberger Ortsteil Schwarze Pumpe war in den 2000er Jahren einer der wichtigsten Szenetreffpunkte für Neonazis in Brandenburg. Bei einem Polizeieinsatz im Jahr 2008 wurden die Personalien von 84 Personen aufgenommen, von denen laut Polizei mehr als die Hälfte bereits mit rechtsextremen Delikten aufgefallen war. Eigentümer des Bunker 38 war Michael Hanko. Der gut vernetzte ­Spremberger Unternehmer saß damals als Parteiloser im Ortsbeirat und setzte sich dort für die Neonazis ein.

2018 trat Hanko in die AfD ein, 2019 zog er für die Partei in den Brandenburger Landtag ein. Nun tritt er im Wahlkreis Spree-Neiße II als Direktkandidat an. Seine Chancen stehen gut, schon 2019 konnte er diesen Wahlkreis mit 35,9 Prozent der Stimmen gewinnen. Neben seiner parteipolitischen Tätigkeit ist Hanko Vorsitzender der Spremberger Schießleistungsgruppe.

Mitarbeit: Luisa Ederle, Annika Glunz, Friederike Gräff, Heike Holdinghausen, David Muschenich, Konstantin Nowotny, Linda Nunn, Nathan Pulver, Johanna Treblin, Lilli Uhrmacher, Laura Verseck. Mit Hinweisen des Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin (apabiz), Rechercheportal Jena-Saale-Holzland-Kreis und Ostthüringer Divan.