Notlösung fürs Missmanagement: Bremer Jobcenter lebt auf Pump
Weil das Qualifizierungsbudget des Jobcenters aufgebraucht ist, soll Geld aus dem Haushaltsjahr 2025 Lücken stopfen. Doch da wird das Geld nicht mehr.
Jobcenter bundesweit hatten 2024 weniger Geld für die Qualfizierung zur Verfügung. Wie Ende Juni bekannt geworden war, hatte das Bremer Jobcenter versäumt, seine knappen Mittel gleichmäßig über das Jahr zu verteilen. Im ersten Halbjahr wurden von ursprünglich 62,9 Millionen Euro für Qualifzierungsmaßnahmen schon 34 Millionen Euro ausgegeben.
Für die Monate von Juli bis Dezember waren so nur noch 28,9 Millionen Euro übrig – nicht genug. Indem die Behörde am eigenen Verwaltungsbudget für den Rest des Jahres rumknappste – Fortbildungen aufschob, Dienstreisen strich, freigewordene Stellen nur verzögert wieder besetzen wird – konnten noch einmal 2,7 Millionen Euro eingespart und umgeschichtet werden, bevor die schlechten Nachrichten Ende Juni an die Öffentlichkeit gegeben wurden.
31,6 Millionen Euro stehen jetzt bereit für den Rest des Jahres – so schlecht klingt das erst mal nicht. Aber da die meisten dieser Mittel schon für langfristige Projekte verplant sind, bleibt für neue Jobcenter-Kund*innen und bestimmte Angebote kaum etwas übrig.
Ein-Euro-Jobs werden bevorzugt gerettet
Eine Arbeitsgruppe aus Jobcenter und den beiden Trägern – der Arbeitsagentur Bremen und der Stadt – soll ab nächster Woche priorisieren, wofür der Vorschuss aus der Zukunft eingesetzt werden darf. Das erklärten Vertreter*innen von Jobcenter, Arbeitsagentur und Stadt bei einer gemeinsamen Pressekonferenz.
Eine Finanzierungsentscheidung ist bereits getroffen: Einige „Arbeitsgelegenheiten“ (AGH), also 1-Euro-Jobs bei sozialen Trägern, sollen bis Ende des Jahres verlängert werden. Betroffen sind laut Torsten Spinn, Geschäftsführer des Jobcenters Bremen, 21 Maßnahmen mit 354 Teilnehmenden.
Der Grund für die Priorisierung: „Diese Stellen sind nicht nur wichtig für die arbeitslosen Menschen, sondern auch für die Quartiere“, so Staatsrätin Karin Treu, die für das Bremer Arbeits- und Sozialressort beim Pressegespräch sitzt. „Es gibt Maßnahmen, die auf die Arbeitsgelegenheiten angewiesen sind“ erklärt sie – und wirft damit ein Schlaglicht auf die Situation vieler sozialer Projekte.
Laut Gesetzeslage dürfen Ein-Euro-Jobber*innen eigentlich nur als zusätzliche Kräfte zugeteilt werden; dass Projekte von ihnen abhängen, ist nicht vorgesehen. Doch viele soziale Angebote in den Stadtteilen stehen ohnehin unter Spardruck – die Zusatzkräfte gewinnen dadurch an Bedeutung.
Durch die allgemeinen Kürzungen im Qualifizierungsbudget des Jobcenters 2024 hatten einige Projekte schon vor dem Haushaltsloch ihre Arbeitskräfte verloren: Bei der Stadtteilfarm in Huchting, einem Erlebnisangebot für Kinder in dem benachteiligten Stadtteil, waren bereits Ende April sieben Ein-Euro-Jobber*innen weggefallen.
Viele von ihnen kommen weiterhin, erzählt Farmleiterin Sigrun Bösemann – ehrenamtlich, allerdings für weniger Stunden als zuvor. „Das ist ein Riesenverlust“, so Bösemann. Es fehle Zeit für die Pflege des Geländes, für die Obsternte, bei der Fütterung der Tiere. Schulklassen könnten nicht mehr in Kleingruppen betreut werden, der Kontakt zu den Tieren sei so weniger intensiv. „Diese Menschen prägen unser Projekt“, so Bösemann.
Während die Farm schon weiß, dass sie keine neuen AGHs mehr finanziert bekommt, sind andere Bremer Träger noch unsicher, was der neue Beschluss für ihre Arbeit heißt. Küchenhilfen in der Strafffälligenbetreuung, Verkaufspersonal im Sozialkaufhaus, Mitarbeitende auf Recyclingstationen – sie alle haben noch keine dauerhafte Perspektive.
Eine langfristige Lösung fehlt
Denn die Mittel, die dieses Jahr eingesetzt werden, fehlen im nächsten. Noch ist unklar, wie viel Geld den Jobcentern durch den Bundeshaushalt 2025 zur Verfügung gestellt wird. Aktuell sieht es danach aus, dass eine faktische Kürzung auf die Jobcenter zukommt.
Joachim Ossmann, Geschäftsführer der Bundesagentur für Arbeit Bremen, wiegelt ab: Immerhin würden die Jobcenter 2025 auch entlastet. Qualifizierungsmaßnahmen sollen dann von den beitragsfinanzierten Bundesagenturen für Arbeit gezahlt werden. Für Bremen geht es dabei um eine Summe von ungefähr 15 Millionen Euro.
Vor allem aber will man versuchen, die knappen Mittel irgendwo anders herzuziehen. Bis Ende des Jahres hat sich die Stadt als Träger des Jobcenters dafür nun Zeit gekauft. Der Bremer Haushalt für 2025 ist noch nicht verabschiedet, bietet aber auch kaum Spielräume. Geprüft werden soll auch, ob sich einzelne Maßnahmen durch den Europäischen Sozialfonds finanzieren lassen. „Wir versuchen es auf allen Wegen“, so Staatsrätin Treu.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kritik an der taz
Wer ist mal links gestartet und heute bürgerlich?
Die Regierungskrise der Ampel
Schnelle Neuwahlen sind besser für alle
Bilanz der Ampel-Regierung
Das war die Ampel
SPD nach Ampel-Aus
Alles auf Olaf
Die Grünen nach dem Ampel-Aus
Grün und gerecht?
Angriffe auf israelische Fans
Sie dachten, sie führen zum Fußball