das wird
: „Barrierefrei ist nicht bloß rollstuhlgerecht“

Der Musiker und Aktivist Felix Brückner über unzugängliche Clubs und den Vorzug von Festivals

Interview Alexander Diehl

taz: Felix Brückner, ein Auftritt wie jetzt in Bremen: Machen Sie so was gerne?

Felix Brückner: Doch, grundsätzlich schon. Weil er die beiden Dinge verbindet: das Musikmachen an sich, aber auch eine Art Aktivismus für mehr Sichtbarkeit von Menschen mit Behinderung auf der Bühne; das Entwickeln von Perspektiven für diese Menschen, so was auch machen zu können.

Wie willkommen fühlt sich ein Musiker mit Beeinträchtigung auf den Bühnen, so wie sie heute sind?

Weniger willkommen, ehrlich gesagt. Einfach weil die Veranstaltungsorte und -stätten größtenteils nicht bereit sind für Menschen mit Behinderung, vor allem mit Mobilitätseinschränkungen. Das betrifft den Zugang zur Bühne, aber es beginnt meist schon beim Zugang zum Club selbst. Da ist noch viel Luft nach oben, nicht nur infrastrukturell.

Ist die Livemusik-Branche, was das angeht, noch etwas weiter hinten dran als andere Kultursparten?

Bei allem, was quasi nicht in öffentlicher Hand ist, wo es zumindest ein paar gesetzliche Hebel gibt, um auch mal Druck ausüben: Da sieht es schlechter aus.

Foto: Sophie Schwarzenberger

Felix Brückner, Sänger der Hamburger Band Fheels, sitzt selbst seit einem Snowboard-Unfall mit 16 Jahren im Rollstuhl.

Der Fokus liegt morgen auf Festivals – bringen die eigene Probleme mit sich?

Das Gute daran ist, dass sie oft auf- und abgebaut werden und dabei also die Möglichkeit erst mal besteht, mehr Barrierefreiheit zu gewährleisten – verglichen damit, in einen Club, der vielleicht schon seit 50 Jahren da steht, Aufzüge einzubauen. Bei Festivals kann man die Zugänglichkeit von Beginn an mitdenken, und das macht den Aufwand relativ überschaubar.

Passiert dieses Mitdenken denn?

Es gibt einerseits Festivals, die solche Fragen quasi zum Schwerpunkt haben. Bei allen anderen wird Barrierefreiheit nur sehr selten ausreichend mitgedacht – nämlich dann, wenn man Künst­le­r:in­nen mit Behinderungen bucht, und dann sagt: Okay, dann müssen wir da was machen. Der Anspruch muss aber sein, grundsätzlich und immer diese Zugänge zu schaffen. Oftmals wird man als Künst­le­r*in mit Behinderung aufgrund fehlender Barrierefreiheit erst gar nicht gebucht.

Wie sehr schnurrt Barrierefreiheit da zusammen auf so etwas wie Rampen für Rollstühle? Barrieren können ja auch anders aussehen – und manchmal ganz unsichtbar sein.

„Ischa barrierefrei“ – Konzert der Band Fheels: Di, 9. 7., 19 Uhr, Bremen, Open Space Domshof. Ab ca. 20.30 Uhr Diskussion zum Thema Barrierefreiheit mit Felix Brückner, Iris Hinze (Clubverstärker e.V.) sowie David Bartusch und Finja Baum (Open Space)

Es ist eben das eingängigste Bild: Menschen mit Behinderungen, das sind Rollstuhlnutzende/Rollstuhlfahrer*innen. Barrierefrei bedeutet aber nicht bloß rollstuhlgerecht. Sondern zu sehen, wie sich auch darüber hinaus für andere Menschen mit anderen Behinderungen Zugänge zur Kultur gewährleisten lassen – auch bei Konzeption und Durchführung ihre Expertise in die Teams zu bekommen. Ein Problem ist, dass Maßnahmen für mehr Barrierefreiheit oft nur mit Förderungen umgesetzt werden. Und dann wegfallen, wenn die Förderung ausbleibt. Sie gehören stattdessen ganz normal ins Budget einer Veranstaltung.

Was müsste passieren?

Ich hatte lange die Hoffnung, dass es reicht zu sensibilisieren, aufzuklären und auf die Bereitschaft aller Beteiligten zu setzen. Aber da kommen wir zu langsam voran. Stattdessen sollten wir etwa, wenn man auf Förderung zurückgreift, gezwungen sein, Mindestanforderungen umzusetzen. Nicht nur Rampen und Podeste, sondern auch barrierefreie Kommunikation bis hin zu Homepages oder in den sozialen Medien. Bei der Einführung neuer, schärferer Datenschutzregelungen hat das ja auch geklappt.