Haftbefehl nach Brandsatzwurf aufgehoben: Doch kein dringender Tatverdacht

Nach dem „Tag X“-Protest in Leipzig wurde ein 25-Jähriger wegen Brandsatzwürfen und versuchten Mord angeklagt. Nun hebt ein Gericht den Haftbefehl auf.

Ein Brandsatz lodert auf einer Wiese bei den Protesten zum "Tag X" in Leipzig

Flammen auf der Wiese: Ein brennender Brandsatz bei den „Tag X“-Protesten am 3. Juni 2023 in Leipzig Foto: M. Golejewski, AdoraPress

BERLIN taz | Es sah nach einem Erfolg der Ermittler aus: Schon vor Monaten hatten diese einen Fahndung nach Joris „Benni“ J. ausgerufen, weil dieser bei den „Tag X“-Protesten im Juni 2023 in Leipzig zwei Brandsätze geworfen haben soll. Im Januar stellte sich der 25-Jährige darauf selbst der Polizei und saß seitdem in Untersuchungshaft. Erst vor wenigen Tagen wurde Anklage gegen ihn erhoben, mit dem Maximalvorwurf des versuchten Mordes. Nun aber gibt es Zweifel, ob Joris „Benni“ J. tatsächlich der Brandsatzwerfer war.

Das Landgericht Leipzig bestätigte der taz, dass der Haftbefehl gegen „Benni“ J. aufgehoben wurde. Die Kammer habe Probleme bei der Identifizierung des Beschuldigten gesehen, sagte ein Sprecher der taz. Beschreibungen von Polizeibeamten und Videos zu dem Vermummten hätten sich teilweise nicht gedeckt. Für die Kammer sei daher derzeit nicht sicher feststellbar, dass der 25-Jährige der Brandsatzwerfer sei, so der Sprecher. Ein dringender Tatverdacht sei damit nicht mehr gegeben. Deshalb sei der Haftbefehl aufgehoben worden.

Laut den Anwälten von Benni J., Franziska Nedelmann und Ulrich von Klinggräff, erfolgte die Freilassung bereits am Freitag. Sie begrüßten den Schritt. Die Staatsanwaltschaft habe die Beweismittel bisher „einseitig“ bewertet, kritisierten sie. Der Haftbefehl hätte „von vornherein nicht erlassen werden dürfen“. Auch sei der Vorwurf des versuchten Mordes völlig überzogen. „Die Maßlosigkeit dieses Anklagevorwurfs verdeutlicht, dass die Staatsanwaltschaft in diesem politisch aufgeladenen Verfahren jede Verhältnismäßigkeit verloren hat.“

Staatsanwaltschaft prüft Rechtsmittel

Die Staatsanwaltschaft Leipzig wollte die Aufhebung des Haftbefehls nicht kommentieren. Es werde aber geprüft, ob dagegen Rechtsmittel eingelegt werden, sagte eine Sprecherin der taz.

Erst vor einer Woche hatte die Staatsanwaltschaft die Anklage gegen Joris „Benni“ J. bekanntgegeben – inklusive des Vorwurfs des versuchten Mordes. Sie wirft dem 25-Jährigen zwei Brandsatzwürfe auf Polizeibeamte bei der „Tag X“-Demonstration am 3. Juni 2023 in Leipzig vor. Die Brandsätze landeten auf einer Wiese und blieben folgenlos. Die Staatsanwaltschaft geht aber davon aus, dass die Beamten hätten tödlich verletzt werden können, wären sie getroffen worden.

Die Anklage wirft dem 25-Jährigen zudem gefährliche Körperverletzung in 18 Fällen vor, weil bei den damaligen Protesten 18 Polizeibeamte verletzt worden seien – und „Benni“ J. sich dies zurechnen lassen müsse, da er Teil einer „gemeinschaftlich“ handelnden, gewalttätigen Menge gewesen sei. Ob die Anklage trotz des runtergestuften Tatverdachts noch am Landgericht Leipzig zugelassen wird, ist offen. Dies werde noch geprüft, erklärte der Gerichtssprecher.

Eine Un­ter­stüt­ze­r*in­grup­pe für „Benni“ J. erklärte, sie sei „voller Freude darüber, unseren Gefährten, Freund und Mitstreiter endlich wieder außerhalb der Knast- und Gerichtsmauern zu sehen“. Das „massive staatliche Vorgehen“ gegen den 25-Jährigen stehe „sinnbildlich für die Repressionswelle der letzten Jahre, welche sich gegen große Teile der Linken Bewegung in Leipzig und darüber hinaus richtet“.

Die „Tag X“-Demonstration war damals ausgerufen worden, nachdem die Leipzigerin Lina E. und drei Mitangeklagte zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wurden, weil sie mehrere schwere Angriffe auf Rechtsextreme verübt haben sollen. Die Demonstration blieb vor allem in Erinnerung, weil die Polizei gut 1.300 Protestierende für bis zu elf Stunden in einem Kessel festgehalten hatte. Die Ermittlungen gegen diese laufen weiter. Nur in zwei Fällen wurden die Verfahren eingestellt, weil die Beschuldigten minderjährig waren.

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