extreme rechte
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Die Glatzen waren nie weg

Der rassistische Angriff Jugendlicher auf eine Familie aus Ghana in Grevesmühlen geschah in einer Region, in der die rechte Szene seit Jahren aktiv ist

Von Andreas Speit

In Grevesmühlen ist der Oldschool-Look der Rechtsextremen wieder en vogue. Bomberjacke, Armyhose, Glatze und Springerstiefel – so sah die Kleidung von rund 20 Jugendlichen aus der rechten Szene aus, die in der Kreisstadt in Mecklenburg-Vorpommern vor einer Woche eine ghanaische Familie angegriffen hatten, der Fall sorgt überregional für Empörung.

Ein Video zeigt, wie die Mädchen von acht und zehn Jahren von den bedrohlich aussehenden Jugendlichen umringt wurden. Der Achtjährigen soll ein Rechtsextremer ein Bein gestellt haben, während sie mit einem Roller vorbei fuhr. Als die Eltern ihren Kindern helfen wollten, folgten rassistische Beleidigungen und körperliche Auseinandersetzungen. Der Vater wurde verletzt. „Wir waren schon rechts, bevor es cool wurde“, soll zuvor einer der Täter bei Facebook gepostet haben.

Im gleichen Look wie die Jugendlichen von heute lief in den 90er Jahren schon Sven Krüger in dieser Region herum. Der Mandatsträger prägt für die Wählergemeinschaft Heimatliebe aus Jamel hier bis heute die rechte Szene. Grevesmühlen liegt nur rund zehn Kilometer entfernt von Jamel. In dem Dorf leben fast nur Neonazis, die Dorfgemeinschaft versteht sich als „frei-sozial-national“ und richtet völkische Feste aus.

In Grevesmühlen unterhielt Krüger, der heute Glatze mit Bart trägt, über Jahre ein rechtsextremes Zentrum – das Thinghaus. Das Haus nutzte die Szene für Schulen, Tagungen, Feste, Konzerte, Kampfsporttrainings und Buchmessen. In einen Metallgrill auf dem Gelände war der Schriftzug „Happy Holocaust“ eingelassen. Erst 2022 schloss das Zentrum. Die Covid-19-Pandemie erschwerte die Nutzung. Rechte Aktivitäten liefen aber weiter.

Die Wählergemeinschaft von Krüger trieb 2023 auch die Proteste gegen eine Flüchtlingsunterkunft ins benachbarte Upahl mit an. Dort drangen Protestierende im Januar vergangenen Jahres fast in eine Sitzung des Nordwestmecklenburger Kreistages ein. Die Kommunalwahl am 6. Juni lief für die Szene erfolgreich. In Gägelow zog die Wählergemeinschaft Heimatliebe mit 16,1 Prozent in die Gemeindevertretung ein. In der Stadtvertretung Grevesmühlen holte die AfD 22 Prozent.

Aber nach dem jüngsten Angriff gibt es auch Widerspruch: Am Donnerstag hat das Bündnis für Grevesmühlen eine Menschenkette angekündigt. In Schwerin hat die Nordkirche unter dem Motto „Zeigt Euer Gesicht gegen Rassismus“ zu einer Lichterkette rund um den Dom und alle Kirchen im Bundesland aufgerufen.