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Ugandische Tanzgruppe Hyperskids AfricaTanzen, um zu leben

Die Waisen- und Straßenkinder der Tanzgruppe Hyperskids Africa wurden durch Social Media bekannt. Jetzt verdienen sie so ihre Schulgebühren.

Haben Spaß beim Training: Hyperskids in Kampala, Uganda Foto: Simone Schlindwein

Kampala taz | Schon von Weitem hört man Michael Jacksons Song „Billie Jean“ durch das Getto dröhnen. Hinter einem schwarzen Hoftor in einem der zahlreichen Armenviertel von Ugandas Hauptstadt Kampala sind drei große schwere Lautsprecher aufgestellt. Einer davon scheppert so sehr, dass es in den Ohren schmerzt.

Die rund ein Dutzend Kinder und Jugendlichen in diesem Hinterhof stört das nicht. In schmutzigen und zerrissenen Klamotten und Flipflops üben sie wilde Tanz- und Akrobatikeinlagen: waghalsige Flickflacks, wirbelnde Umdrehungen, fast unmögliche Verrenkungen und zwischendurch lustige Slapstickeinlagen. Dabei kicken sie gleichzeitig gekonnt einen Fußball hin und her, der nie den Boden berührt. Einige der Kinder sind erst sechs oder sieben Jahre alt.

Durch das Tanzen zur Schule

„Hyperskids Afrika“ nennt sich die in Uganda populäre Tanztruppe. Mittlerweile sind sie sogar weltweit berühmt. Unter den Fans, die den Kids auf den sozialen Medien folgen, sind Prominente wie Jennifer Lopez, Mitglieder der britischen Königsfamilie sowie der ehemalige brasilianische Fußballspieler Ronaldinho.

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Anfang März posteten die Hyperskids ein Video, in dem sie sich für die sechs Millionen Follower auf Instagram bedanken. Auf der Plattform Tiktok sind es über vier Millionen Likes. Über 2,5 Millionen Subscribers folgen ihnen auf ihrem Youtube-Kanal. Dafür bekamen sie im Oktober 2023 den goldenen Youtube-Award. Er wurde ihnen per DHL-Postversand ins ugandische Getto zugestellt.

Bei den Proben an diesem Samstagvormittag wirken die Kids aufgeregt. Trainer Marvin Seh im Jogginganzug und Schirmmütze, unter der kurze Rastas hervorgucken, seufzt und stellt die Musik ab. „Ihr müsst euch konzentrieren!“, mahnt er. „In einer Stunde geht es los, dann muss alles sitzen!“

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Die Hyperskids sollen am Nachmittag bei der Einweihung eines Einkaufszentrums auftreten. Dafür wird vorher noch geprobt, damit die Abläufe stimmen. Trainer Seh tippt auf sein Handy, worüber er die Musik steuert. Wieder dröhnt Michael Jacksons Stimme aus den Lautsprechern. Die zwölf Kinder stellen sich der Größe nach auf. Auf Sehs Handzeichen hin legen sie los.

Die Hyperskids sind keine jungen Tanztalente, sondern Straßenkinder, die sich mit ihren Tanzkünsten die Schulgebühren finanzieren. Einer von ihnen ist der 12-jährige Ivan Assimwe. Er trägt zerlumpte knielange Shorts, ein verwaschenes T-Shirt und Flipflops.

„Ich habe lange auf der Straße gelebt und täglich Schrott eingesammelt, den ich verkauft habe, um etwas Geld zu bekommen, wovon meine Mutter uns etwas zu Essen kochen konnte“, erzählt er. Als er dann auf der Straße die Tanztruppe sah, die gerade ein Handyvideo für die sozialen Medien drehten, „habe ich allen Mut zusammengenommen und sie gefragt, ob ich mich ihnen anschließen könne“, sagt Ivan. Nach einem Gespräch mit der Mutter zog er bei den Hyperskids ein. „Seitdem gehe ich zur Schule!“, freut sich der drahtige Junge.

Der FC Barcelona teilte ein Video

55 Kinder leben derzeit in diesem Haus hinter dem schwarzen Hoftor. In jedem Zimmer stehen viele Stockbetten, selbst die Garage ist zum Schlafzimmer umgebaut. Sie alle sind Waisen oder Kinder aus armen Familien, deren Eltern sie nicht zur Schule schicken können. Die meisten haben jahrelang auf der Straße gelebt – ohne Zukunftschancen. Mit ihren Tanzvideos, die in den vergangenen Jahren weltweit viral gingen, hat sich das radikal verändert.

Hyperskids-Gründer Moses Butindo bereitet derzeit knapp zehn der Kids darauf vor, nach Europa und in die USA zu reisen, sagt er. „Es ist für uns alle die erste Reise mit dem Flugzeug“, sagt Butindo. „Ich werde diesen Tag nie im Leben vergessen“, berichtet der kräftige junge Mann im Jogginganzug, dabei leuchten seine Augen voller Freude.

Als er zu Beginn des Jahres das erste Video mit den jonglierenden Bällen online stellte, hat er seinen Lieblingsverein FC Barcelona markiert. „Und Barcelona hat unser Video geteilt!“ Er nahm mit dem Klub direkt Kontakt auf, tauschte Nachrichten aus. Der spanische Fußballverein bat Butindo um die Erlaubnis, das Video auf der offiziellen Fanseite posten zu dürfen: „Wir sind durchgedreht vor Freude!“

Von da an ging alles sehr schnell: Der Fußballklub schickte ihnen Trikots ins Getto und drei Wochen später kam die Einladung, nach Barcelona zu reisen, um die Profispieler kennenzulernen und mit deren Jugendmannschaft zu spielen. Anschließend soll es dann weitergehen in die USA, wo die Hyperskids an einem internationalen Tanzwettbewerb teilnehmen. Auch dazu wurden sie eingeladen.

Der Gründer des Waisenhauses

Während Trainer Seh mit zehn der Kids zur Veranstaltung ins Einkaufszentrum fährt, sitzt der 26-jährige Gründer des Waisenhauses, Butindo, im Garten und erzählt seine Geschichte. Er ist selbst auf der Straße aufgewachsen. Sein großer Jugendtraum war es, Profifußballer zu werden und seine Familie damit aus der Armut zu retten.

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Doch beim Training in Ugandas Jugend-Fußballakademie brach er sich als 11-Jähriger das Bein. Es war das Aus seines Traums einer Karriere, denn er konnte sich die teure Operation am Bein nicht leisten: „Meine Straßenfreunde klauten irgendwo ein Telefon, verkauften es und bezahlten damit die Kranken­hausgebühren“, erinnert sich Butindo.

Dann schleppten sie ihn in ihre Unterkunft: eine alte Bauruine. Doch die Wunde entzündete sich. „Wir dachten, ich sterbe“, so Butindo. Einer seiner Freunde kam auf die Idee, ein Foto von seinem Bein mit einem Spendenaufruf ins Internet zu stellen. Ein Kanadier, der bei der Fußballakademie in Uganda tätig war und sich an Butindo erinnerte, bezahlte die Behandlungskosten. „Als es mir besser ging, hat er mir sogar Geld gegeben, um ein Zimmer zu mieten, wo ich mich erholen konnte.“

Um seinen Freunden zu danken, ließ Moses alle in seinem Zimmer schlafen. Zu zwölft teilten sie sich drei Matratzen auf dem Boden. In einer dieser Nächte entwickelten sie die Idee, im Internet weiter Geld zu generieren, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, so Butindo. „Ich hatte die Idee, Musikvideos herunterzuladen, um die Tanzschritte nachzuahmen.“

Kontakt zum Präsidenten

Sie fingen an zu üben. Die Hyperskids wurden in Uganda schnell berühmt und wurden auf Partys und Veranstaltungen eingeladen, um ihre Tanzeinlagen vorzuführen. Immer mehr Straßenkinder schlossen sich ihnen an.

2016 hatten sie den nationalen Durchbruch. Damals bestanden die Hyperskids aus 37 Jungen und Mädchen, die alle in Schichten in Butindos kleinem Zimmer auf den Matratzen schliefen. Zu jener Zeit war Wahlkampf in Uganda, der Präsident tourte durch das Land und hielt überall Veranstaltungen ab, wo auch Tanzgruppen auftraten.

Da hatte Butindo die Idee, vor dem Präsidenten zu tanzen. „Ich ging zu einem Internetcafé und wir fälschten eine Einladung mit dem Briefkopf des Präsidenten“, berichte Butindo und grinst dabei schelmisch.

Butindo kaufte gelbe T-Shirts, die Farbe der Präsidentenpartei. Zu Fuß marschierten sie die elf Kilometer zum Wahlkampf­event. Die Soldaten kontrollierten die Einladung und ließen sie passieren. „Als wir anfingen zu tanzen, waren alle sofort begeistert. Die ganze Menschenmasse tanzte mit, auch die Minister!“, berichtet Butindo mit leuchtenden Augen.

Danach wandte sich der Präsident direkt an die Straßenkids und sagte: „Diese Jungs sind sehr talentiert. Aber sie brauchen eine Hüpfburg, um sich nicht alle Knochen zu brechen.“ Präsident Yoweri Museveni wies seinen Assistenten an, die Kontaktdaten der Hyperskids zu erfragen, um ihnen eine Hüpfburg zu kaufen.

Mit dem Haus wurde alles anders

„Das war einfach genial!“, strahlt Butindo. Wenige Tage später erhielt er einen Anruf aus dem Präsidentenpalast. Aufgeregt musste er dem Assistenten klarmachen, dass sie keine Hüpfburg benötigten, sondern Betten und Schulgebühren. Nach Rücksprache mit dem Präsidenten passierte dann ein kleines Wunder, so Butindo.

Sie bekamen dieses Haus, in welchem sie sich alle niederlassen konnten, und etwas Startgeld, um die Kinder in die Schule zu schicken.

Reis und Bohnen –das ist das was Butindo den 55 Kids täglich serviert Foto: Simone Schlindwein

Von da an war alles anders, so Butindo. Er steht von dem Stuhl auf der Veranda auf, geht um das Haus herum und zeigt auf einen Holzverschlag, wo ein gewaltiger Kessel auf einem Holzkohleofen steht. Darin köchelt das Mittagessen. Vorsichtig hebt er den Deckel an, um zu sehen, ob die Bohnen gar sind.

Es hat angefangen zu regnen und die Kinder, die nicht zur Veranstaltung mitgegangen sind, haben sich nach dem Training in ihre Schlafsäle ­zurückgezogen, um sich auszuruhen.

Nur wenige schauen aus den Fenstern und Türen in den Hinterhof, um zu erfahren, was es denn zu essen gibt. Reis und Bohnen – das ist das einzige, was Butindo den 55 Kids täglich servieren kann.

Das Geld ist knapp

Zu mehr reicht das Geld einfach nicht, sagt er. Das Startgeld des Präsidenten ist lange aufgebraucht, und 55 hungrige Mägen zu füttern, Schulgebühren, Schuluniformen, Hefte, Stifte, Bücher, das alles braucht viel Geld.

Auch wenn die Kids mittlerweile weltweit berühmt sind, reicht es nie wirklich, alle Bedürfnisse zu stillen, sagt Butindo: „Wir benötigen pro Monat allein umgerechnet rund 1.500 Euro, um alle satt zu bekommen, der Rest geht für Schulgebühren drauf“, seufzt er. „Immerhin, unsere Onlinekanäle funktionieren ganz gut, wir erhalten Geld über Youtube, je nachdem wie viele Stunden unsere Abonnenten unseren Kanal anschauen.“

Für die Goldmedaille gab es kein Geld. Aber er hat nun eine Spendenseite eingerichtet, worüber etwas Geld reinkommt. „Dennoch“, sagt er, „reicht es nie wirklich aus, um alle Kosten zu decken.“ Die Reise nach Spanien und in die USA macht Hoffnung, dass bald mehr Spendengelder eintreffen oder die Hyperskids auf den sozialen Medien noch mehr Follower gewinnen, um in Zukunft davon leben zu können.

Täglich stehen weitere Straßenkinder vor dem schwarzen Hoftor und wollen sich den Hyperskids anschließen – doch Butindo hat kein einziges freies Bett mehr übrig.

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1 Kommentar

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  • Da zeigt sich mal wieder die Diskriminierung armer Länder durch Youtube.

    Bei 2,5 Millionen Follower sind weit mehr als 1500€ Werbeeinnahmen drin, wenn man in einem westlichen Land lebt.

    Youtube verdient mit dem Kontent gutes Geld und zahlt Kreativen aus armen Ländern nur Peanuts.