Mutmaßlicher Machtmissbrauch in Berlin: Humboldt-Uni suspendiert Professor

Grund für die vorläufige Freistellung sind wohl Vorwürfe sexualisierter Gewalt. Der RefRat kritisiert die Hilfe-Strukturen für Betroffene.

Wegeleitsystem im Aufgang der Humboldt Universität zu Berlin vor beginn des Berliner Wintersemesters 2020/21.

Wegeleitsystem im Aufgang der Humboldt Universität zu Berlin vor beginn des Berliner Wintersemesters 2020/21 Foto: Britta Pedersen/ dpa

BERLIN taz | Die Humboldt-Universität (HU) hat einen Professor vorläufig und auf nicht absehbare Zeit vom Dienst suspendiert. Dies bestätigte eine Sprecherin der Universität auf Nachfrage der taz. Wie der Tagesspiegel am Mittwoch berichtet hatte, sind die Hintergründe der Suspendierung wohl Vorwürfe sexualisierter Gewalt. Die HU wollte das auf Nachfrage mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht bestätigen. Laut Tagesspiegel werfen Mitarbeiterinnen und Studentinnen dem Professor vor, sie bei verschiedenen Gelegenheiten bedrängt zu haben. Die vorläufige Suspendierung folgt laut Zeitung auf ein Disziplinarverfahren.

Grundsätzlich können Betroffene sexualisierter Gewalt sich in der HU an die zentrale sowie die dezentrale Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte wenden. Sie stünden „als Ansprechstellen für anonyme und namentliche Meldungen von Fehlverhalten zur Verfügung“, sagt eine Sprecherin. Außerdem seien auch der*­die jeweilige Vorgesetzte, der zuständige Personalrat, das Familienbüro, die Konfliktberatung, die Beratungsstellen des Refrats (der Studierendenvertretung), die Beauftragte für Beschwerden in Fällen von Diskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichstellungsgesetz (AGG), eine Beschwerdestelle für Mitarbeitende und die Präsidentin ansprechbar.

Der Refrat kritisiert diese Struktur. Häufig wüssten Betroffene gar nicht, welche Stelle für sie zuständig sei, sagt eine Sprecherin der taz. Betroffene müssten befürchten, dass ihr Fall von Stelle zu Stelle weitergereicht werde, weil sich niemand zuständig fühle. Erschwerend komme hinzu, dass die Gleichstellungsbeauftragten an den Instituten nebenamtlich tätig seien und oft eng mit mutmaßlichen Tä­te­r*in­nen zusammenarbeiteten oder im direkten Arbeitsverhältnis mit ihnen stünden. Der Refrat findet dies problematisch. Es könne Hemmungen geben, gegen Kol­le­g*in­nen vorzugehen. „Es gibt zwar Richtlinien zu einem respektvollen Miteinander und Instrumentarien wie Disziplinarverfahren und Abmahnungen“, sagt die Sprecherin. Eine klare Richtlinie zum Ablauf bei Vorwürfen sexueller Belästigung existiere trotz der Häufung bekannt gewordener Fälle nicht, kritisiert sie.

Ein universitäres Kulturproblem

Häufig seien es die Betroffenen selbst, die sich einschränken müssten, um Begegnungen mit Tä­te­r*in­nen zu vermeiden. Studierende könnten sich von Pflichtveranstaltungen befreien lassen, Mitarbeitenden bliebe manchmal nur die Kündigung. „Es handelt sich hier um ein universitäres Kulturproblem“, sagt die Vertreterin des Refrat. „Wir bekommen vor allem die Fälle mit, bei denen das System versagt. Die meisten Betroffenen fürchten negative Konsequenzen, wenn ihr Fall bekannt wird.“

Im Mai 2023 hatte die Wissenschaftlerin Dr. Aslı Vatansever in ihrem Text „Survival in Silence“ über Machtverhältnisse und Missbrauch in der Wissenschaft Vorwürfe gegen einen namentlich nicht genannten Kollegen erhoben. Er soll sie während eines Sommerfests in seinem Büro bedrängt und geküsst haben, darüber hinaus kritisierte sie den Umgang des akademischen Betriebs mit Vorwürfen sexualisierter Gewalt. Ob ein Zusammenhang zu dem nun suspendierten Professor besteht, hat sie nie bestätigt – aber auch nicht dementiert.

Auch in einen anderen Fall an der HU ist inzwischen – und auf das Betreiben von Betroffenen hin – Bewegung gekommen. Zum 30. Juni hat die HU laut einer Sprecherin das Arbeitsverhältnis mit einem Dozenten nach verbaler sexualisierter Gewalt beendet. Vorangegangen war demnach ein Vergleich vor dem Arbeitsgericht Berlin im Januar. Die Initiative „Keine Uni für Täter“ hatte der HU zuvor vorgeworfen, Hinweise auf problematisches Verhalten seinerseits mehr als 20 Jahre unbeachtet gelassen zu haben.

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