Frankreich-Wahl im Deutschland: Exil-Franzosen ticken anders
Die Kandidatin des linken Nouveau Front Populaire bekommt in Berlin im ersten Wahlgang über 50 Prozent. Aber reicht das für die Stichwahl am Sonntag?
NFP-Kandidatin Asma Rharmaoui-Claquin von der Sozialistischen Partei La France insoumise holte im ersten Wahlkampf in Berlin 54 Prozent, im ganzen Wahlkreis 32 Prozent. Frédéric Petit, Abgeordneter für das Ensemble-Bündnis des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, kam auf 37 Prozent. Den RN wählten in Berlin 3,6, im ganzen Wahlkreis 7,7 Prozent – die rechtsextreme Kandidatin kann damit nicht an der Stichwahl am Sonntag teilnehmen.
Damit wählen die Auslandsfranzosen deutlich anders als die Inlandsfranzosen. In Frankreich bekam der RN am Sonntag 33 Prozent, gefolgt vom Linksbündnis (28). 38 Abgeordnete des RN sind direkt gewählt, weil sie die absolute Mehrheit hatten.
Die Wahlkämpfer von Rharmaoui-Claquin hängen sich nun für die Aufholjagd richtig rein. „Es ist ziemlich knapp, noch ist alles möglich“, sagt Anthony Perinucci Poinsard, Architekt aus Kreuzberg. Für den heutigen Mittwoch lädt das Bündnis zu einem „Pique-nique populaire“ in den Park am Gleisdreieck (19 Uhr) – allerdings ohne Rharmaoui-Claquin. Die 27-Jährige ist zur gleichen Zeit in Köln bei einem Wahlkampfauftritt, am Dienstag wurde sie abends in Frankfurt am Main erwartet. Vor einer Woche waren etwa 100 Menschen zu einer Veranstaltung mit ihr zum Oranienplatz in Kreuzberg gekommen. Die Französin mit marokkanischen Wurzeln lebt seit zehn Jahren in Berlin und war schon bei der letzten Wahl 2022 angetreten, unterlag damals aber dem Liberalen Petit.
Die „Gefahr von extrem rechts“
Im ganzen Wahlkreis 7 sind rund 130.000 Auslandsfranzosen aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. In Berlin haben sich 21.000 für die Wahl registrieren lassen, davon haben 12.000 vorigen Sonntag ihre Stimme abgegeben, Wahlort für sie ist das Französische Gymnasium, das Lycée Français, in Schöneberg. Eine Wahlbeteiligung von rund 56 Prozent mag in deutschen Ohren nicht hoch klingen, „aber das ist doppelt so viel wie beim letzten Mal“, sagt Poinsard.
Die „große Gefahr von extrem rechts“ – dass also der RN als haushoher Sieger der Wahl hervorgehen könnte – hat seiner Ansicht nach für eine hohe Mobilisierung bei den Auslands-Franzosen gesorgt. „Es haben sich in den vergangenen Wochen auch sehr viele gemeldet, um bei der Wahl mitzuhelfen“, berichtet er.
In ihrer Social-Media-Kampagne bemüht sich Rharmaoui-Claquin gezielt um binationale Franzosen in Deutschland. So verspricht sie im Falle eines Wahlsiegs, die Rechte von Franzosen mit doppelter Staatsbürgerschaft und ihren Familien zu verteidigen – etwa die zweisprachige Behördenkommunikation oder Stipendien zum Erlernen der französischen Sprache.
Das sei ein „großes Thema“, erklärt Poinsard, denn der RN habe erklärt, die „Bi-Nationalität“, also die Möglichkeit, neben der französischen eine weitere Staatsbürgerschaft zu haben, abschaffen zu wollen. Auch befürchtet Poinsard im Falle eines Wahlsiegs der Rechtsextremen, dass es künftig weniger Geld gibt für französische Auslandseinrichtungen wie Konsulate oder das Institut français.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel demoliert beduinisches Dorf
Das Ende von Umm al-Hiran
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Etgar Keret über Boykotte und Literatur
„Wir erleben gerade Dummheit, durch die Bank“
Lang geplantes Ende der Ampelkoalition
Seine feuchten Augen
Telefonat mit Putin
Falsche Nummer
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen