Brandsatzwurf auf „Tag X“-Demo: Vorwurf versuchter Mord

2023 protestierten Hunderte in Leipzig wegen der Verurteilung der Antifa-Gruppe um Lina E., Brandsätze flogen. Nun wurde Anklage erhoben.

Polizeibeamte und Demonstrierende im Juni 2023 bei der "Tag X" Demonstration in Leipzig

Rund 11 Stunden kesselten die Polizeibeamten im Juni 2023 die Demonstrierenden ein Foto: Sebastian Willnow/dpa

BERLIN taz | Es war eine Demonstration in Leipzig vor einem Jahr, nach der vor allem ein Polizeikessel in Erinnerung blieb, in dem für ganze elf Stunden mehr als 1.000 Linke festgehalten wurden, darunter auch Minderjährige: Proteste zum „Tag X“ nach der Verurteilung einer Gruppe Autonomer um die Studentin Lina E. Zuvor allerdings war es auch zu einem Brandsatzwurf der Protestierenden gekommen. Hierfür erhob die Staatsanwaltschaft Leipzig nun die maximale Anklage: mit dem Vorwurf des versuchten Mordes.

Bereits Anfang Januar hatte sich der 25-jährige Joris „Benni“ J. der Polizei gestellt – zuvor war er zur Fahndung ausgeschrieben worden. Seitdem befindet sich der Leipziger in U-Haft. Er soll sich an den Protesten am 3. Juni 2023 in Leipzig beteiligt und laut Anklage gleich zwei Brandsätze Richtung Polizeibeamte geworfen haben, danach auch noch zwei Steine und einen Böller. Trotz Vermummung wollen ihn die Ermittler identifiziert haben.

Tatsächlich landeten die Brandsätze damals auf einer Wiese und blieben folgenlos. Die Anklage konstatiert aber, „Benni“ J. habe mit den Würfen „zumindest billigend in Kauf genommen“, dass die Beamten tödlich verletzt werden könnten. Und laut Polizei wurden bei den Protesten insgesamt 18 Beamte verletzt. Auch diese Verletzungen werden nun dem Leipziger angerechnet, weil er „gemeinschaftlich“ aus der gewalttätigen Menge heraus gehandelt habe, so die Anklage.

Die Liste der Vorwürfe ist damit lang: Sie lautet auf versuchten Mord in zwei Fällen, Führen von verbotenen Gegenständen, Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion, Landfriedensbruch, gefährliche Körperverletzung in 18 Fällen, tätlichen Angriff und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Der Prozess soll vor dem Landgericht Leipzig verhandelt werden – das nun eine Zulassung der Anklage prüft.

Soli-Bündnis sieht „Racheakt der Justiz“

Ein Solidaritätsbündnis für „Benni“ J. bezeichnete die Anklage als überzogen, der Vorwurf des versuchten Mordes sei „hanebüchen“. Unter den damals Protestierenden habe es keine Bereitschaft gegeben, zu töten. Die Anklage wirke wie ein „Racheakte der Justiz“, die ein Exempel statuieren wolle, so das Bündnis. Es sei „eine weitere Eskalationsstufe der staatlichen Repression in Leipzig“. Kritisiert werden auch die Haftbedingungen von „Benni“ J.: Sein Postverkehr werde überwacht, Besuche würden erschwert.

Zu den anderen damals Eingekesselten oder anderweitig Festgenommenen laufen die Ermittlungen weiter. Laut den Behörden werden noch rund 1.300 Ermittlungsverfahren geführt. Nur zwei wurden bisher eingestellt, weil sie Minderjährige betrafen.

Die Proteste waren auf die Verurteilung der Leipzigerin Lina E. und drei Mitangeklagte zu mehrjährigen Haftstrafen im Mai 2023 vor dem Oberlandesgericht Dresden gefolgt. Das Quartett soll zuvor mit anderen Autonomen mehrere schwere Angriffe auf Rechtsextreme in Sachsen und Thüringen verübt haben. Die Anklage führte am Ende die Bundesanwaltschaft.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.