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AfD-Bundesparteitag in EssenRechtsaußen siegen vor Gericht

Die AfD darf ihren Ende des Monats geplanten Parteitag in der Essener Grugahalle stattfinden lassen. Das hat das Verwaltungsgericht Essen entschieden.

In und an der Grugahalle im Essener Stadtteil Rüttenscheid dürfte Ende Juni viel los sein Foto: Helge Toben/dpa

Gelsenkirchen/Essen dpa/afp/taz | Im Rechtsstreit um den geplanten Bundesparteitag der AfD Ende Juni in Essen hat die Partei einen ersten Sieg erreicht: Die Stadt muss der extrem rechten Partei die städtische Grugahalle zur Verfügung stellen – so hat es das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen am Freitag entschieden. Damit kippte das Gericht einen Beschluss des Essener Stadtrats.

Die AfD habe „einen Anspruch auf Gleichbehandlung bei der Zulassung zu öffentlichen Einrichtungen wie der Grugahalle, die für solche Veranstaltungen gewidmet ist“, heißt es in der Begründung der 15. Kammer. Sie dürfe nicht anders behandelt werden als andere politische Parteien.

Die Gerichtsentscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht in Münster einlegen. Wie eine Sprecherin der Stadt auf Anfrage erklärte, sollte es im Laufe des Freitags eine rechtliche Beratung zur Urteilsbegründung geben. Danach werde entschieden, wie es weitergehe – ein Zeitpunkt für die Entscheidung sei offen.

Auch der juristische Streit um den Bundesparteitag ist noch nicht abgeschlossen. Über die Zivilklage der AfD gegen die in der vergangenen Woche erfolgte Mietvertragskündigung durch die Messe Essen will das Landgericht Essen am Montag in mündlicher Verhandlung entscheiden.

Die AfD nannte die Verwaltungsgerichtsentscheidung in einer Erklärung am Freitag „nachvollziehbar und richtig“. Die Stadt Essen habe eine „lex AfD“ kreieren wollen, so der stellvertretende AfD-Bundessprecher Peter Boehringer. „Dem hat das Gericht nun einen Riegel vorgeschoben.“

AfD lehnt strafbewehrte Selbstverpflichtung ab

Die Stadt hatte die Vertragskündigung mit einer von ihr beobachteten „fortschreitenden Radikalisierung“ der AfD begründet und auf die Verurteilung des thüringischen Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke wegen der strafbaren Verwendung der SA-Losung „Alles für Deutschland“ verwiesen. Es gebe „konkrete Anhaltspunkte“, dass bei dem Parteitag ähnliche Äußerungsdelikte zu erwarten seien, so die Stadt, die sich dabei auf ein Gutachten des Soziologen Andreas Kemper stützt.

Um das beim Parteitag zu verhindern, verlangte der Essener Stadtrat auf Antrag Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) eine strafbewehrte Selbstverpflichtung von der AfD. Laut dem mit großer Mehrheit gefassten Ratsbeschluss sollte die Partei erklären, dass sie auf dem Parteitag strafbare Äußerungen wie etwa „Alles für Deutschland“ verhindern oder sofort unterbinden würde. Andernfalls sollte ihr bei jedem Verstoß eine Vertragsstrafe in Höhe von 500.000 Euro drohen.

Für die Abgabe der Erklärung hatte die Stadt der AfD eine Frist gesetzt, andernfalls sollte der Mietvertrag „unverzüglich außerordentlich fristlos“ gekündigt werden. Und genau so kam es. Nachdem sich die AfD verweigert hatte, kündigte die von der Stadt als Mehrheitsgesellschafterin betriebene Messe Essen den bereits im Januar 2023 geschlossenen Mietvertrag.

Die Essener Richter entschieden nun, die Nutzung der Grugahalle dürfe der AfD nur versagt werden, wenn die Gefahr strafbarer Handlungen bestehe. Bei der Beurteilung dieser Frage müsse allerdings im Fall von politischen Parteien ein strenger Maßstab angelegt werden. „Das Gericht konnte keine hinreichende Tatsachengrundlage erkennen, die die erforderliche hohe Wahrscheinlichkeit von Rechtsverletzungen hätte begründen können“, heißt es dazu wörtlich in der Begründung des Gerichts.

Eine weitere Klage der Essener AfD-Stadtratsfraktion, die sich unter anderem auf formale Bedenken wegen der Ladungsfristen für den entscheidenden Beschluss im Stadtparlament bezog, lehnte das Gericht hingegen ab.

Breite Proteste gegen AfD-Aufmarsch geplant

Die AfD hatte bereits 2015 einen Bundesparteitag in der Grugahalle in Essen abgehalten. Damals hatte die Partei ihren Mitbegründer Bernd Lucke abserviert und damit ihre erste Radikalisierungsphase beendet. Frauke Petry und Jörg Meuthen übernahmen gemeinsam die Parteiführung, auch sie sind inzwischen Geschichte.

Sollte der AfD-Bundesparteitag tatsächlich wie geplant in der Grugahalle stattfinden, erwartet Essen Ende Juni ein turbulentes Wochenende. Ein breiter Kreis von Stadt, Kirchen, Gewerkschaften, Parteien, Unternehmen und Initiativen mobilisiert gegen das Rechtsaußenevent.

Die AfD sei „eine im Kern faschistische Partei“ und „parlamentarischer Arm des rechten und rassistischen Terrors“, heißt es in einem gemeinsamen Aufruf. Als „Brücke zwischen Neonazis, rechtskonservativen und rechtslibertären Kräften“ sei sie „eine ernsthafte Gefahr für die gesamte Gesellschaft, insbesondere für alle, die nicht in ihr menschenverachtendes Weltbild passen“.

Beginnend mit einer Rave-Demo am Freitagabend sind vom 28. bis zum 30 Juni zahlreiche Protestveranstaltungen geplant. Der Höhepunkt soll am Samstag eine Großkundgebung auf dem Messeparkplatz P2 direkt an der Grugahalle sein, zu der mehrere zehntausend Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet erwartet werden. „Wir planen nichts Geringeres als den größten politischen Protest, den Essen bis dato gesehen hat“, so das antirassistische und antifaschistische Bündnis „Essen stellt sich quer“.

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10 Kommentare

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  • "Rechtsaußen siegen vor Gericht"

    Pacta sunt servanda - Quelle surprise

    Dieser Schmarn nachträglich noch Bedingungen zu stellen für die Verwendung und beim verständlichen "Nö" dann aus politischen Gründen zu kündigen, musste ja so offensichtlich scheitern.



    Nicht dass es zu der Gleichbehandlung der AfD in städtischen Räumen nicht auch schon Rechtssprechung gäbe.

    Ein Hoch auf das Virtue Signaling, das VG hatte sicher nix besseres zu tun!

  • Auf auf zum gegenprotest!

  • Nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts hat die AfD einen Anspruch auf Gleichbehandlung bei der Zulassung zu öffentlichen Einrichtungen wie der Grugahalle, die für solche Veranstaltungen gewidmet ist. Sie darf nicht anders behandelt werden als andere politische Parteien, die Zugang zur Grugahalle begehren. Der Zugang darf nur versagt werden, wenn bei Nutzung die Gefahr der Begehung strafbarer Handlungen besteht. An den Wahrscheinlichkeitsgrad für die Gefahr der Begehung strafbarer Handlungen durch Äußerungsdelikte auf einer Veranstaltung einer politischen Partei, deren Verfassungswidrigkeit das Bundesverfassungsgericht nicht festgestellt hat, sind im Rahmen der anzustellenden Gefahrenprognose strenge Anforderungen zu stellen. Denn eine darauf gestützte Versagung des Zugangs zu einer öffentlichen Einrichtung greift in den verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf Chancengleichheit politischer Parteien aus Art. 21, Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz ein. Das Gericht konnte keine hinreichende Tatsachengrundlage erkennen, die die erforderliche hohe Wahrscheinlichkeit von Rechtsverletzungen hätte begründen können.…“



    www.vg-gelsenkirch.../pressemitteilunge

    • @Lowandorder:

      Da gibt's auch nichts auszusetzen. Ich halte es für Schaumschlägerei hier unsinnige Verbote auszusprechen.

  • Zwar sind Gerichte völlig frei in ihrer Urteilsfindung, aber sie müssen sich an Gesetze halten. Zb. an das Parteiengesetz. Und wenn die Stadt in Berufung geht kommt wohl nicht anderes heraus wie in der 1. instanz.

  • Der wahre Gag ist doch die Klatsche gegen Kemper in der Urteilsbegründung: "der Ausarbeitung (d.h. Kempers Gutachten) fehlt bei genauerer Betrachtung jeglicher empirischer Gehalt."

    Einfach nur wunderschön 🤭

  • "Die AfD habe „einen Anspruch auf Gleichbehandlung bei der Zulassung zu öffentlichen Einrichtungen wie der Grugahalle, die für solche Veranstaltungen gewidmet ist“, heißt es in der Begründung der 15. Kammer. Sie dürfe nicht anders behandelt werden als andere politische Parteien."

    --> Überraschung! Bei den politischen Parteien herrscht für die öffentliche Hand Gleichbehandlungsgebot. Das lernt jeder Jurastudent im 4. Semester. Das gilt auch für Rechtsextreme und (bisher) nicht verbotene Parteien (dutzende NPD-Urteile bis hin zum Verfassungsgericht lassen grüßen). Trotzdem ergehen sich immer wieder Verwaltungen entweder in Aktionismus ("Wir machen das jetzt!" - Essen) oder Ignoranz ("Wir wissen wie es besser geht!" - Potsdam und Sellner). Das Resultat ist immer das Gleiche:

    Die Rechtsextremen bekommen vor Gericht Recht und nebenher noch kostenfreie PR, in Form von Medienberichterstattung und Schützenhilfe bei ihrer Erzählung sie seien immer die Opfer. Was sie in diesen Fällen - so ehrlich muss man sein - auch schlicht und ergreifend sind. Grundrechte gelten eben auch für die, die sie abschaffen wollen.

  • Diese Entscheidung war absehbar und entspricht dem, was mehrere Juristen der Stadt Essen vorhergesagt haben. "Haltung" zeigen funktioniert nicht, wenn man dabei geltendes Recht ignoriert bzw. bricht und so dem politischen Gegner sogar noch einen Erfolg und willkommene Wahlkampfmunition liefert.

  • Hat wirklich jemand erwartet, dass es ein anderes Urteil geben würde? Es ist schon fast peinlich wie manche hier vorgehen wollen. Hier werden Anwälte beschäftigt und Steuergelder zum Fenster raus geworfen. Die AfD ist gewählt und somit steht auch dieser Partei das zu, was für andere eine Selbstverständlichkeit ist.

  • Ja gut, war nicht anders zu erwarten. Was die Stadt Essen hier versucht hat, ist zwar aller Ehren wert und es wäre schön wenn es geklappt hätte, aber ehrlich gesagt ist es auch ein wenig peinlich. Es war ja klar, daß die AfD vor Gericht zieht und es war auch zumindest absehbar, daß das Gericht die Entscheidung kippt. Letzten Endes ist das nur wieder Werbung für die "arme gescholtene AfD". Wenn man sowas macht, sollte es zumindest Aussicht auf Erfolg haben.