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Flugtrapez im Volkspark FriedrichshainDie durch die Lüfte fliegen

Umsonst und draußen lässt sich das Training am großen Flugtrapez mitten im Friedrichshainer Volkspark bestaunen. Am 29. und 30. Juni gibt es Shows.

Sieht so aus, als ob es ganz einfach wäre: beim Training auf dem riesigen Flugtrapez im Volkspark Friedrichshain Foto: Andreas Hergeth

Berlin taz | Da ist man ein paar Wochen wegen Urlaub und Krankheit nicht zum Walken oder Spazieren im Volkspark Friedrichshain gekommen, und schon fliegen dort Menschen durch die Luft. Im hohen Bogen! Sehr ästhetisch und sehr gewagt sieht das aus. Das müssen tolle Akro­ba­t:in­nen sein.

Im sogenannten Neuen Hain stehen auf einem mit Baugittern abgesperrten Stück Wiese ein überdimensionales Netz und ein riesiges Trapez. Eine Artistin hängt mit den Kniekehlen in einer Schaukel, an ihren Händen hält sie einen Kollegen, sie schwingen hin und her – dann fliegt der Artist plötzlich durch die Luft. Immer wieder geht das so. Das ist atemberaubend. Und eine Irritation: Akrobaten im Volkspark Friedrichshain?

Für einen Monat hat „the GOGO HOME project“ hier sein Flugtrapez aufgebaut. Es hat dafür vom Straßen- und Grünflächenamt eine Genehmigung für die Sondernutzung der Fläche erhalten und wird durch den Bezirkskulturfonds gefördert. Deshalb konnte man seit Ende Mai ganz ohne Eintritt der Artistencrew beim Training zuschauen und auch bei den Shows am Wochenende.

Das Flugtrapezprojekt haben die Geschwister Katja und Moritz Haase 2022 ins Leben gerufen. Die Idee dazu kam in der Pandemie, als auch Varietés geschlossen hatten, in denen Moritz Haase auftrat. Er ist seit 2015 staatlich geprüfter Artist, hat seinen Beruf an der Staatlichen Artistenschule Berlin im Prenzlauer Berg gelernt. Moritz Haase wollte draußen arbeiten, das ging ja in Pandemiezeiten, und auch eine neue Zielgruppe erschließen: Leute, die nicht ins Varieté gehen. Dank Fördermittel konnte er sich ein Flugtrapez in Frankreich bauen lassen.

Es sind 12 Meter bis oben

So ein Flugtrapez braucht viel Platz und viele Leute, sagt Haase, und viel Zeit, auch in der Ausbildung. „Das Wissen gibt es fast ausschließlich nur noch im traditionellen Zirkus“, sagt er. „Mir gefällt, dass wir diese traditionelle Kunst benutzen.“ Aber eben mit zeitgenössischen Mitteln und Open Air.

Wie man im Friedrichshainer Volkspark sieht, ist so ein Flugtrapez größer und ausladender, vor allem höher als das sogenannte statische Trapez, das man aus Varietés kennt. Es sind 12 Meter bis oben, die Plattform liegt auf etwa 7 Meter Höhe. „Beim Flugtrapez hat man klassischerweise einen Flieger, einen Fänger, man startet von der Plattform, macht einen Trick in der Luft, wird gefangen und geht wieder zurück zum Start – oder man hat mehrere Fänger wie bei uns“, erklärt Haase. Und da braucht man dann eben ein Sicherheitsnetz. Alles wird von starken Stahlseilen, Spanngurten und Erdnägeln gehalten, der Aufbau dauert bis zu zwei Tage.

Da das Training, es dauert zwischen vier und sechs Stunden, unter freiem Himmel stattfindet, haben die Akrobaten stets Zuschauer:innen. Familien mit Kindern bleiben staunend stehen, junge wie ältere Parkbesucher:innen, ganze Schulklassen. Die Irritation verfängt. „Ja, das ist toll“, sagt Haase, „mitten in der Stadt seine Zelte aufzuschlagen. Du kommst mit Leuten ins Gespräch. Mir gefällt, dass unser Angebot niederschwellig und für alle ist.“ Ihre Kunst, sagt Haase, ist eine Art „universelle Sprache“, die von allen verstanden wird.

Ein internationales Team

Das zehnköpfige Performanceteam ist international besetzt mit Artist:innen, die aus Argentinien, den USA, Frankreich und Deutschland kommen. Seit Ende Mai trainiert die Truppe nun schon im Friedrichshainer Volkspark öffentlich. Nach dem Finale an diesem Wochenende haben die Akrobaten einen Monat frei, bevor sie vier Wochen lang beim Zirkustheaterfestival in Dresden auftreten.

Zum krönenden Abschluss des Berliner Gastspiels in Friedrichshain gibt es am Wochenende drei Shows, die gut eine halbe Stunde lang sind; sie finden am Samstag um 15 und 18 Uhr und am Sonntag um 15 Uhr statt. Dann tragen die fliegenden Ar­tis­t:in­nen Kostüme. Und nur wenn es regnet, werden sie verschoben. „Wir brauchen trockene Hände“, sagt Moritz Haase bevor er wieder aufs hohe Trapez klettert und „fliegen geht“, wie er das nennt.

Wie sagt man bei Akrobaten? Hals und Beinbruch!

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