Widerspruchslösung bei der Organspende: Abgeordnete fordern neue Regeln

In Deutschland fehlen Spenderorgane. Eine Gruppe Bundestagsabgeordneter fordert eine Widerspruchslösung, um gegen den Mangel vorzugehen.

Operation in einem Krankenhaus.

Operation im Transplantationszentrum am Universitätsklinikum Leipzig Foto: Waltraud Grubitzsch/dpa

BERLIN taz | Eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten startet einen zweiten Versuch zur Widerspruchslösung bei der Organspende. Am Montag stellte ein fraktionsübergreifendes Bündnis einen entsprechenden Antrag vor. Die Gruppe will das Transplantationsgesetz ändern, um dem eklatanten Mangel an Organspenden zu begegnen: Wer nicht aktiv widerspricht, soll Or­gan­spen­de­r:in sein. 2020 war ein ähnlicher Antrag im Bundestag gescheitert.

Die Gesetzesänderung soll auch Nahestehende entlasten. Der Grünen-Abgeordnete Armin Grau sprach bei der Vorstellung aus seiner Erfahrung als Neurologe: „In einer traumatischen Situation auf der Intensivstation sind Angehörige im Zweifel überfordert und entscheiden sich dagegen.“ Bei der Widerspruchslösung ändere sich die Rolle der Angehörigen: Sie sind Boten und Mittler des Willens des Verstorbenen. Die geplante „einfache Widerspruchslösung“ sieht vor, dass nur der aktive Widerspruch des Betroffenen zu Lebzeiten entscheidend ist. Eine Beteiligung der Angehörigen ist nicht geplant.

Eine Mehrheit befürwortet die Organspende

In Deutschland warten aktuell mehr als 8.000 Menschen auf ein Spenderorgan. Die SPD-Parlamentarierin Sabine Dittmar sagte in Berlin: „Jeden Tag sterben drei Menschen, weil sie keine Organspende bekommen“. Als einen Grund dafür sieht die Gruppe die seit 2012 geltende Entscheidungslösung. Demnach ist eine Organentnahme nur nach Zustimmung der betreffenden Person zu Lebzeiten oder nach Zustimmung ihrer Angehörigen zulässig. Nach geltendem Recht müssen Angehörige im Zweifel eine Entscheidung nach dem mutmaßlichen Willen des Betroffenen treffen, wenn kein Organspendeausweis und kein Eintrag im Online-Register vorliegt.

Obwohl sich eine Mehrheit der Deutschen für eine Organspende ausspricht, dokumentiert nur eine Minderheit diesen Willen und kommt somit für eine Organspende infrage. Ein Einwand gegen den Widerspruch ist, dass die Persönlichkeitsrechte verletzt würden, weil die Bürgerinnen und Bürger zu einer Entscheidung gedrängt würden. Petra Sitte von der Linken sagte: „Das ist eine Gerechtigkeitsfrage.“ Es sei zumutbar, sich mit dem Thema Organspende einmal im Leben zu befassen. Auch Wartende sollten eine bessere Chance auf ein selbstbestimmtes Leben haben können, sagte sie.

Der Antrag wird laut Sabine Dittmar am Dienstag im Bundestag eingereicht. Die parlamentarischen Debatten sollten bis Ende 2024 abgeschlossen sein, sodass eine Entscheidung im ersten Quartal 2025 zu erwarten sei. Auch ein anderer Antrag werde wahrscheinlich gestellt. Frühestens 2027 wäre die Umstellung von der Entscheidungslösung zur Widerspruchslösung möglich. Der Eintrag der Bür­ge­r:in­nen zur Organspende ist laut der Initiative etwa über das Einwohnermeldeamt denkbar.

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