Oma gegen Rechts: Gabriele Wölke-Rebhan: „Wir können uns nicht wegducken“

Gabriele Wölke-Rebhan gründete in Erfurt die Omas gegen Rechts mit. Warum sie dem AfD-Wahlerfolg trotzt und von der Antifa beeindruckt ist.

Gabriele Wölke-Rebhan Foto: privat

wochentaz: Wie wurden Sie Oma gegen Rechts, Frau Wölke-Rebhan?

Gabriele Wölke-Rebhan: Am 1. Mai 2019 waren Frauen aus Berlin und Hessen mit Schildern „Omas gegen Rechts“ auf der Demo in Erfurt. Das hat mich sofort neugierig gemacht. Früher sind wir Omas alleine auf Demos gegangen, das ist manchmal aber etwas entmutigend – vor allem, wenn man wie ich Witwe ist. Man kommt von der Demo und hat niemanden, mit dem man reden kann. Andere fanden die Idee auch gut, und dann haben wir die Omas gegen Rechts Erfurt gegründet. Inzwischen sind wir über 40 Leute.

Wofür stehen die Omas?

Wir kämpfen für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, eine gerechte und freie Gesellschaft mit Respekt und Achtung für alle Menschen, unabhängig von Herkunft, Religion, sexueller Identität. Wir setzen uns für Frauenrechte und Generationenverantwortung ein. Das ist mit einer rechten Regierung nicht zu machen, deshalb passt „Omas gegen Rechts“ gut zu uns. Und es fühlt sich gut an, mit diesem Namen Teil einer Gemeinschaft von inzwischen über 30.000 Mitgliedern zu sein.

Gabriele Wölke-Rebhan, geboren 1947 in Erfurt, ist Gründungsmitglied und im Vorstand der Erfurter Omas gegen Rechts. Seit 1990 engagiert sie sich in diversen Gremien zum Erhalt einer lebenswerten vielfältigen Innenstadt.

Was waren dann Ihre ersten politischen Aktionen?

2019 haben wir zuerst mit anderen aus der Zivilgesellschaft versucht, den Einzug der Rechten in den Landtag zu verhindern. Dann kam der Schock mit der Landtagswahl. Danach standen wir lange Zeit immer montags bis samstags eine Stunde vor der Staatskanzlei, um zu mahnen. Dort haben wir auch Demokratiegespräche mit Bür­ge­r*in­nen geführt, woraus sich unser samstäglicher Info-Stand mitten im Stadtzentrum entwickelte. Dann kam die Beratungsstelle Ezra auf uns zu und hat uns vom Ballstädt-Prozess erzählt.

2014 hatten Nazis eine Kirmesgesellschaft in Ballstädt im Landkreis Gotha überfallen und einige Leute schwer verletzt…

Das alte Urteil wurde aufgehoben und neu verhandelt. Die Leute aus dem Ort lebten Tür an Tür mit den Nazis und trauten sich nicht auszusagen, deshalb sollten wir als Unterstützerinnen kommen. Wie die Justiz hier agierte, schockierte mich. Die Betroffenen wurden von den Richtern mit Zynismus und ohne Empathie behandelt, die Täter mit Milde, wenn sie denn einfach gestehen würden.

Sie haben gesagt, sie seien sehr betrunken gewesen. Das reichte den Richtern.

Ja, sie pochten auf Gedächtnisverlust! Da dachten wir Omas: Jetzt erst recht! Als Reaktion auf den Prozess haben wir die Petition „Keine Deals mit Nazis“ gestartet und bundesweit über 55.000 Unterschriften gesammelt. Zu dieser Petition gab es dann eine öffentliche Anhörung im Landtag, und seit Herbst 2023 liegt sie dem Bundestag vor. Wir besuchen noch immer viele politische Prozesse. Die Betroffenen sollen sich nicht allein gelassen fühlen.

Sie sind als Omas auch im antifaschistischen Bündnis „Auf die Plätze!“, unter anderem mit der DGB-Jugend, der Seebrücke und Jugend ohne Grenzen. Unterstützen die politischen Parteien Sie auch?

Die Linke und die Grünen unterstützen uns. Die anderen nicht und das ärgert mich furchtbar. Wir werden immer in die linke Ecke gestellt, dabei sind wir ein parteienunabhängiger Verein. Wir sind zwischen Mitte 50 und über 80. Wir kommen aus dem Osten und aus dem Westen. Wir sind Christinnen und Atheistinnen. Wir vertreten humanistische, ethische und damit auch christliche Werte. Wir sind Demokratinnen – sonst nichts! Zu dieser Wahrnehmung trägt zum Teil aber auch die Presse bei. Die AfD-Aufmärsche haben dort immer viel Raum eingenommen im Gegensatz zu unseren Gegendemos, die oft viel größer waren. Damit wurde suggeriert, wir seien linke Radikale gegenüber dieser „bürgerlichen Mitte“ und so kamen wir in eine Schmuddel­ecke. Das hielt Leute davon ab, mit uns zu demonstrieren.

Für viele Christ­de­mo­kra­t*in­nen ist die Antifa der Feind.

Ich gebe zu, die jungen Leute der Antifa waren für mich anfangs schon gewöhnungsbedürftig. Wir Omas gegen Rechts sehen uns aber aufgrund unserer Lebenserfahrung auch ein wenig in der Aufgabe zu deeskalieren. Mir imponiert das enorme Engagement der jungen Leute für die Demokratie. Ich habe noch nie so viel Hilfsbereitschaft erlebt wie von der Antifa. Die kümmern sich um uns alte Frauen, als wären wir ihre eigenen Omas. Sie schützen uns vor verbalen, aber auch körperlichen Angriffen, denen wir teilweise ausgesetzt sind. Das macht sonst keiner!

Wie blicken Sie auf die kommenden Landtagswahlen?

Das letzte Wahlergebnis hat mich erschüttert. Aber wir können uns jetzt nicht wegducken, auch wenn vieles schwieriger, zum Teil gefährlicher wird. Ich könnte auch häkeln, demonstrieren ist anstrengend. Ohne meine Kytta-Salbe und die Wärmepflaster würde ich es nicht aushalten. Aber die Demokratie ist es mir wert! Wir müssen Haltung zeigen und, wie die Wahlen beweisen, uns verstärkt den jungen Menschen widmen. Mit unseren beiden Projekten zur Bücherverbrennung 1933 in Erfurt, wo wir seit vier Jahren mit der jungen Generation diesen Teil der Geschichte aufarbeiten, wollen wir sensibilisieren, damit sich so etwas nie wiederholt. Die AfD kann in bestimmten Positionen viel erreichen, aber sie kann nicht gleich das ganze Land kaputt machen.

Haben Sie einen Kampfspruch?

Meine Mutter hat immer gesagt: Ein Glück, dass ich das nicht mehr erleben muss. Ich möchte im Gegenteil sagen: Ein Glück, dass ich das noch erleben darf, dass wir De­mo­kra­t*in­nen in Thüringen uns gewappnet haben und den Siegeszug der Rechten stoppen konnten.

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