Vor Verhaftung sicher

Die iranische Journalistin Mahtab Gholizadeh ist mit dem Refugium-Stipendium für eine Auszeit in Berlin

Mahtab Gholizadeh: „Die Welt vergisst das Leid meiner Landsleute“ F oto: Kyaw Soe

taz: Warum haben Sie sich für das Auszeitprogramm der taz Panter Stiftung und Reporter ohne Grenzen beworben?

Mahtab Gholizadeh: Erstens durfte ich nicht mehr als Journalistin im Iran arbeiten. Zweitens spüren viele Ak­ti­vis­t:innen und Jour­na­list:in­nen, die sich mit Menschenrechten oder Frauenrechten beschäftigen, den Druck der Regierung. Die Revolutionären Garden kontrollieren alles und jeden. Aktivisten und Journalisten müssen jederzeit mit Verhaftung rechnen. Unter diesen Bedingungen konnte ich nicht mehr arbeiten.

Wie geht es den Journalist:innen?

Journalismus ist für Männer wie für Frauen schwierig. Iran ist ein großes Gefängnis für Journalisten. Frauen spüren allerdings noch mehr Druck. Wir müssen den Hidschab tragen, werden schlechter bezahlt als Männer und dürfen das Land nur mit der Erlaubnis des Vaters oder des Ehemannes verlassen.

Sie wurden verhaftet. Warum?

Ich wurde dreimal festgesetzt. Ein Grund war: Ich hatte Interviews für ausländische TV- und Radiostationen über Inhaftierungen in Iran gegeben. Außerdem veröffentlichte ich Beiträge in den sozialen Medien, was als Verbrechen angesehen wurde. Sie haben unser Haus durchsucht, sie stießen sogar meine Mutter zu Boden und haben mich verhört. Ich würde gerne weiter in Iran arbeiten, aber ich hatte keine andere Wahl.

Sie durften Iran nicht verlassen, aber nun sind Sie hier …

Meine Verurteilung zu drei Jahren Haft wurde geändert: Fünf Jahre auf Bewährung, Berufsverbot. Aber ich durfte ausreisen – unter der Bedingung, zurückzukehren.

Sind Sie zum ersten Mal in Berlin? Wie ist Ihr Eindruck?

Ja. Ich fühle mich hier vor Verhaftung sicher. Aber meine Gedanken sind bei meinen Leuten in Iran. Die Zahl der Inhaftierungen und Todesurteile ist extrem hoch. Die westlichen Länder haben den Regierungsgegnern nicht genug geholfen. Die Welt vergisst das Leid meiner Landsleute.

Sechs Monate lang können sie in Berlin eine Auszeit nehmen und sich erholen – ganz ohne Gegenleistung. Dieses Mal ist auch ein Journalist aus Ägypten dabei. Um sich und seine Familie zu schützen, verwendet er im Interview ein Pseudonym (siehe links).

Das Refugium-Stipendien wird allein durch Spenden finanziert (www.taz.de/spenden) – pro Stipendium benötigt die taz Panter Stiftung rund 25.000 Euro.

Gibt es etwas Besonderes, was Sie in Berlin tun möchten?

Ich will Artikel über Iran schreiben, vielleicht einen Sprachkurs machen, an Workshops teilnehmen.

Interviews von Andreas Lorenz, ehemaliges Kuratoriumsmitglied der taz Panter Stiftung

Mahtab Gholizadeh ist eine iranische Journalistin. Nachdem sie einige Nachrichten über Proteste in Iran veröffentlicht hatte, wurde sie 2021 verhaftet.