Anti-Gender-Volksinitiative wehrt sich: Schlechter Termin, Zwang zum Analogen

Die Hamburger Anti-Gender-Initiative verlangt, den Zeitraum ihres Volksbegehrens zu verschieben. Zudem soll eine Online-Stimmabgabe möglich sein.

Rote Aktenordner stehen auf einem Holzpult, daneben steht eine Frau in blauer Daunenjacke.

Juli 2023: Initiativen-Sprecherin Sabine Mertens legt Ordner mit 16.457 Unterschriften zur Übergabe an den Senat im Rathaus ab Foto: Markus Scholz/dpa

HAMBURG taz | Die Volksinitiative „Schluss mit Gendersprache in Verwaltung und Bildung“ hat einen Eilantrag beim Hamburgischen Verfassungsgericht eingereicht. Sie will damit verhindern, dass die Frist für die nächste Unterschriftensammlung komplett in die Hamburger Sommerferien fällt. Außerdem klagt sie dagegen, dass die Stimmabgabe bei diesem „Volksbegehren“ nicht online möglich ist, obwohl das Gesetz dies an sich vorsieht.

Über den Eilantrag, dessen Eingang das Gericht bestätigte, muss nun innerhalb von rund drei Wochen entschieden werden. Denn schon am 18. Juli, dem ersten Tag der Hamburger Sommerferien, beginnt der Versand der Briefwahlunterlagen für das Volksbegehren, das erreichen will, dass die staatliche Verwaltung eine „verständliche Sprache“ nutzt, „in der das Geschlecht nicht in den Vordergrund gestellt wird“.

Das Volksbegehren gilt als Nadelöhr im dreistufigen Hamburger Volksgesetzgebungsverfahren. Nur drei Wochen haben Ini­tiativen Zeit, um auf der Straße Unterschriften zu sammeln. In diesem Fall begänne diese Zeit am 8. August, mitten in den Ferien, und endete am 28. August, dem letzten Ferientag.

SPD, Grüne und Linke hatten im Frühjahr den Antrag der Ini­tiative abgelehnt, den Termin auf die Zeit nach den Sommerferien zu verschieben. Der Ferientermin hätte weniger Auswirkungen, wenn die Hamburger aus dem Urlaub heraus online abstimmen könnten, argumentieren die Vertrauenspersonen Anja Oelkers, Jens Jeep und Hans Kaufmann in ihrem Eilantrag. Doch der Senat schafft diese digitale Möglichkeit nicht.

Volksbegehren hat es lange nicht gegeben

Zwar sieht das Volksabstimmungsgesetz seit 2007 in Paragraf neun vor, dass auch „andere Verfahren“ zulässig sind, die den Anforderungen an eine rechtsverbindliche Authentifizierung genügen. Dazu zählt auch die Online-Unterschrift per Smartphone mit Personalausweis und PIN. Doch auf eine Anfrage des CDU-Politikers André Trepoll, warum der Senat das nicht schon längst eingeführt habe, antwortete dieser im Herbst 2023, man müsse „hinsichtlich der Entwicklung, Implementierung sowie Wartung und Pflege“ eines solchen Verfahrens berücksichtigen, dass es zuletzt vor neun Jahren ein Volksbegehren gegeben habe. Der Senat spricht von einem „temporären Einzelfall“.

Dass eine digitale Abstimmung technisch zu aufwendig sei, will die Volksinitiative so nicht stehen lassen. Das Gesetz stelle die digitale Form der Unterstützung nicht in das Ermessen des Staates, sagt Jens Jeep. „Geregelt ist vielmehr ein Rechtsanspruch der Bürger. Und der Senat ist zur Umsetzung verpflichtet“, so der Vertrauensmann, der von Beruf Notar ist.

Eine Online-Abstimmung wäre auch ein wichtiger Schritt zur Digitalisierung der Hamburger Verwaltung, ergänzt Initiatorin Claudia Guderian. Gerade jungen Menschen sei nicht zu vermitteln, „dass mit dem Handy gar nichts läuft und sie zwingend auf Papier unterschreiben müssen“. Technisch wäre das Ganze mit Hilfe der „Ausweis-App“ des Bundes leicht umsetzbar, so die Initiative. Die Verwaltung müsse lediglich eine Website zur Verfügung stellen.

Richtig ist aber auch, dass es seit der 2014 gescheiterten Volksinitiative zur Abschaffung des Turbo-Abiturs keine weitere mehr in diese zweite Runde geschafft hat. Rot-Grün hatte zunächst den Ehrgeiz, mit vielen Volksinitiativen bereits auf der ersten Stufe einen einvernehmlichen Kompromiss zu finden. Zuletzt wurden zahlreiche Initiativen vom Verfassungsgericht gestoppt, weil der Senat rechtliche Bedenken hatte. Die Anti-Gender-Initiative ist die erste seit Langem, bei der der Senat weder das eine noch das andere versucht hat.

Initiative setzt auf Briefwahl

Die Ablehnung im Regierungslager ist in dieser Frage jedoch groß. Die Pressestelle des Senats äußerte sich nicht zu der nun eingereichten Klage. Hamburgs Gleichstellungssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) hatte sich wiederholt gegen ein generelles Verbot der Gendersprache in Verwaltung und Behörden ausgesprochen. In Hamburg sei die Gendersprache weder in der Verwaltung noch in der Schule oder an der Universität vorgeschrieben – es müsse aber möglich sein, sie zu verwenden, so ihre Position. In der Bürgerschaft schließen sich neben der rot-grünen Regierungskoalition auch die Linken dieser Position an. CDU und AfD hingegen unterstützen die Initiative.

Die sieht sich benachteiligt. „Wenn der Bürgerwille nur von Interesse sein soll, wenn er der Bürgerschaftsmehrheit politisch genehm ist, dann können wir die direkte Demokratie auch gleich aus der Hamburgischen Verfassung streichen“, sagt Jan-Dirk Strauer, Vertreter der Initiative. „Wir wollen es eigentlich nicht glauben“, ergänzt Jens Jeep. „Die Politik versucht zu verhindern, dass die Hamburger ihre Meinung darüber zum Ausdruck bringen können, mit welcher Sprache sie vom Staat angesprochen werden.“

Auch der CDU-Politiker André Trepoll vermisst eine Gleichbehandlung gegenüber früheren Volksinitiativen. Mit denen sei die Bürgerschaft bisher „vom Verfahren her wohlwollend“ umgegangen. „Aus gutem Grund finden in den Ferien auch keine Wahlen statt“, sagt er. Er vermute, dass Rot-Grün Angst vor dem Erfolg der Initiative hat. Zugleich hält er es für fraglich, ob die nun eingereichte Klage Erfolg hat, weil es das Recht der Bürgerschaft sei, die Fristverlängerung abzulehnen.

Sollte es so kommen, setzt die Initiative auf die Möglichkeit, per Brief abzustimmen. Einen Link zum Antrag auf Zusendung der entsprechenden Unterlagen gibt es auf der Homepage der Ini­tiative.

Anmerkung der Reaktion: In der gedruckten Fassung dieses Artikels fehlte versehentlich im 7. Absatz vor dem Wort „Ermessen“ das Wort „nicht“. Das haben wir für die Online-Fassung korrigiert.

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