Abschiebungen nach Afghanistan: Fahrlässige Symbolpolitik

Geht es nach der Union, sollen Straftäter nach Afghanistan abgeschoben werden. Statt der Straftäter werden so Kriegsverbrecher resozialisiert.

Ein Sicherheitsmann in schwarzer Kampfmontur hält ein Auto an

Die neuen Freunde der Union: Ein Taliban kontrolliert den Straßenverkehr Foto: Saifurahman Safi/Xinhua/imago

Heute ist Weltflüchtlingstag und es kommen Meldungen wie diese: Im vergangenen Jahr sind weltweit rund 3,4 Millionen Menschen neu vertrieben worden, berichtet die Hilfsorganisation Oxfam. Der Hauptgrund: die sich weiter verschärfende Klimakrise. Am schlimmsten betroffen seien Teile Ostafrikas und Länder in Süd- und Ostasien gewesen. Zugleich habe sich die Zahl der hungernden Menschen in einigen Ländern fast verdreifacht.

Solche Nachrichten müssen alarmieren, sie fordern Antworten, zumal sich die Lage weiter verschärfen wird. Der heutige Tag wäre eine gute Gelegenheit, sich Gedanken über substanzielle Lösungen eines immer drängenderen globalen Problems zu machen. Doch hierzulande beschäftigt die Politik anderes.

Deutschlands Innenminister und Ministerpräsidenten kommen dieser Tage zusammen. Es geht um die Migrationspolitik, doch diskutiert wird, wie so oft, die reflexartige Reaktion auf das desaströse Abschneiden der Ampelparteien und den Teilerfolg der AfD bei den Europawahlen, also: mehr Härte gegen Flüchtlinge, auf dass der Zuspruch für die Rechtsextremen schwinde. Unter anderem soll es nun wieder Abschiebungen nach Afghanistan geben.

Die hatte der damalige Innenminister Horst Seehofer (CSU) im August 2021 ausgesetzt, nachdem die islamistischen Taliban die Herrschaft in dem Land übernommen hatten – ein Regime, das zu verhindern der Westen einen Krieg mit unzähligen Toten geführt hatte. Es sei „weder für die Rückzuführenden noch für die Begleitkräfte und die Flugzeugbesatzung“ verantwortbar, Straftäter nach Afghanistan abzuschieben, hatte Seehofer damals geschrieben.

Union will Zugeständnisse an Islamisten

Nun soll das anders sein, und auch Abschiebungen nach Syrien werden jetzt wieder gefordert. Dabei ist die Gruppe der dafür überhaupt infrage kommenden Straftäter nur sehr klein, der moralische Schaden aber ist umso größer.

Denn geht es nach der Union, soll für die Abschiebungen mit den Taliban kooperiert werden. Die Rücknahme wird man ihnen mit Zugeständnissen schmackhaft machen müssen. Genauso hatte vor einigen Jahren schon der sudanesische Diktator und Kriegsverbrecher Omar al Baschir einen Weg aus der internationalen Ächtung herausgefunden.

Für ein bisschen Symbolpolitik wird so der Rest der Welt in seinem Eindruck bestärkt, dass Europa gern von Menschenrechten spricht, solange es ihm in den Kram passt. Das ist keine gute Voraussetzung, um dem erstarkenden globalen Autoritarismus als überlegene Alternative entgegenzutreten. Und es zeugt von einer fahrlässigen Ignoranz gegenüber den echten Problemen.

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Seit 2006 bei der taz, zuerst bei der taz Nord in Bremen, seit 2014 im Ressort Reportage und Recherche. Im Ch. Links Verlag erschien von ihm im September 2023 "Endzeit. Die neue Angst vor dem Untergang und der Kampf um unsere Zukunft". 2022 und 2019 gab er den Atlas der Migration der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit heraus. Zuvor schrieb er "Die Bleibenden", eine Geschichte der Flüchtlingsbewegung, "Diktatoren als Türsteher" (mit Simone Schlindwein) und "Angriff auf Europa" (mit M. Gürgen, P. Hecht. S. am Orde und N. Horaczek); alle erschienen im Ch. Links Verlag. Seit 2018 ist er Autor des Atlas der Zivilgesellschaft von Brot für die Welt. 2020/'21 war er als Stipendiat am Max Planck Institut für Völkerrecht in Heidelberg. Auf Bluesky: chrjkb.bsky.social

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