EU-Gesetz zur Renaturierung : Streit um Naturschutz

Die EU-Staaten wollen Umweltzerstörungen zurückdrehen. Das Vorhaben sorgt seit Monaten für Streit. Nun droht eine Regierungskrise in Österreich.

Wiederbewaldung des Harzes in Wernigerode

Mehr als 6.000 Bäume (u.a. Hainbuchen, Rotbuchen) werden gesetzt, um die die Aufforstung des Waldes weiter voranzubringen Foto: Matthias Bein/dpa

BRÜSSEL taz | Nach monatelangem erbittertem Streit haben die EU-Umweltminister am Montag in Luxemburg dem Gesetz zur Renaturierung zugestimmt. Es kann damit doch noch in Kraft treten, auch wenn der Gesetzestext zuvor entschärft worden war.

Tilly Metz, Grüne Europa­abgeordnete

„Nun ist die EU besser gerüstet, um Artensterben und Klimakrise zu bekämpfen“

Das Renaturierungsgesetz ist Teil des Green Deals, mit dem die EU die Wirtschaft klima­neutral machen will. Es verpflichtet die 27 Mitgliedsstaaten, nationale Ziele für die Wiederherstellung bestimmter Lebensräume und Arten aufzustellen, wodurch bis 2030 mindestens 20 Prozent der Land- und Meeresflächen renaturiert werden sollen.

Das Gesetz enthält auch praktische Ziele. So will die EU das Insektensterben stoppen. In Städten sollen unter dem Strich keine Grünflächen mehr verloren gehen. Trockengelegte Fluss­auen oder Moore sollen „wiedervernässt“ werden, die Flüsse sollen wieder frei fließen.

Für das Gesetz stimmte eine qualifizierte Mehrheit aus 15 der 27 Mitgliedstaaten und 65 Prozent der EU-Bevölkerung. Möglich wurde dies durch einen kurzfristigen Sinneswandel in Österreich. Die schwarzgrüne Regierung hatte das Gesetz lange abgelehnt. Doch am Montag stimmte die grüne Umweltministerin Leonore Ge­wessler zu.

Knappe Mehrheit für Naturschutz

Damit kam die nötige Mehrheit zustande, wenn auch knapp. Finnland, Ungarn, Italien, die Niederlande, Polen und Schweden stimmten gegen das Gesetz. Belgien enthielt sich. „Dies ist der letzte Schritt, bevor das Gesetz in Kraft treten kann“, teilte der belgische EU-Vorsitz mit.

Das Europaparlament hatte bereits Ende 2023 grünes Licht gegeben. Allerdings hat die konservative Europäische Volkspartei, der auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angehört, den Text verwässert. So wurde etwa eine „Notbremse“ für die Landwirtschaft eingeführt.

Das heißt, dass die Zielvorgaben unter bestimmten außergewöhnlichen Umständen ausgesetzt werden können. Dazu zählt, dass durch die Renaturierung die landwirtschaftliche Fläche stark verringert würde, die eigentlich nötig ist, um genug Lebensmittel in der EU zu erzeugen.

Trotz dieser Ausnahmeregelung waren viele Bauern gegen das Renaturierungsgesetz auf die Barrikaden gegangen. Bauernpräsident Joachim Rukwied sagte, mit ihrem Beschluss ignorierten die Umweltminister das Ergebnis der Europawahl.

Umweltverbände sind zufrieden

Zufrieden zeigten sich dagegen zahlreiche Naturschutz- und Umweltverbände. Der Deutsche Naturschutzring sprach von einem historischen Tag und einem wichtigen Signal an die ganze Welt.

„Mit dem EU-Renaturierungsgesetz ist die EU nun endlich besser gerüstet, um zwei große Krisen unserer Zeit zu bekämpfen: das Artensterben und die Klimakrise“, erklärte die grüne Europaabgeordnete Tilly Metz aus Luxemburg.

Weniger Freude kam bei den Grünen in Österreich auf, wo eine handfeste Regierungskrise droht. Die konservative Regierungspartei ÖVP will das „Ja“ der grünen Umweltministerin nicht hinnehmen und mit juristischen Mitteln dagegen vorgehen.

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) kündigte sogar eine Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof an. Das Votum Gewesslers „entspricht nicht dem innerstaatlichen Willen und konnte daher nicht verfassungskonform abgegeben werden“, erklärte das Kanzleramt in Wien.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.