Die Wahrheit : Um die klare Ecke gedacht

Die Metaphysik des Kantholzes: Zum 300. Geburtstag alles über den Königsberger Heim- und Handwerkergott Immanuel Kant.

Ein Mann fräst Holz, Journalisten schauen zu

Bis zur Epoche der Aufklärung konnten ausschließlich Rund- und keine Knthlzr gedrechselt werden Foto: Sebastian Kahnert/dpa

Immanuel Kant würde in diesem Jahr seinen 300. Geburtstag feiern. Selbstverständlich war er auch als Philosoph recht erfolgreich, aber richtig bekannt sollte der Königsberger auf der Weltbühne erst durch die umwälzende Erfindung des Kantholzes werden. Besonders die junge aufstrebende Heimwerkergemeinde des 18. und 19. Jahrhunderts sollte Kant dafür hymnisch verehren.

Die weniger handwerklich- und baumarktorientierten Leser und Leserinnen werden fragen, was ist eigentlich ein Kantholz und wozu ist es gut? Zu Recht! Denn vor dem holzaffinen Visionär Kant waren auf dem Holzmarkt nur ganz einfache Rundhölzer bekannt, die sich leidlich zu gröberen Holzhäusern zusammenfügen ließen, durch deren grobe Ritzen allerdings der Wind pfiff.

Kant jedoch war schon früh für sein viereckiges Denken bekannt und erkannte intuitiv, dass sich eckige Hölzer weitaus besser zu einem stabilen Ganzen zusammenfügen lassen und erfand so das viereckige Kantholz, eine Revolution auf dem damaligen Heimwerkermarkt!

Als erstes legte der Meister fest, dass seine Kanthölzer als Schnittholz ein Mindestmaß von sechs Zentimetern Dicke aufweisen sollten. Jedes Maß darunter könnte man allenfalls als billiges Bauschnittholz auf den Baumarkt bringen, legte Kant fest. Er gab seinem Schnittholz die DIN-Norm 68252 – und siehe, es war gut so. In seiner Kritik der praktischen Holzschneidevernunft definierte er auch gleich, dass ein Kantholz ab 20 Zentimeter Querschnittseite schlicht „Balken“ genannt werden sollte.

Die rasch wachsende Gemeinde der Kantianer folgte diesen ehernen Gesetzen ehrfürchtig, Kritiker wie Schnittholz-Schelling sprachen dagegen abfällig von normiertem Denken und verbohrter Brett-vor-dem Kopf-Mentalität. Kant war das egal, wichtig war ihm hingegen die Unterscheidung von sägerohem, frischem und luftgetrocknetem Holz, und er mahnte früh: „Sägeroh macht nur den Pfuscher froh! Wenn man nämlich den Schnitt, also die Spuren der Sägeblätter sieht. Dagegen wohl dem, der trockenes Holz erwirbt und verbastelt und hobelt, dass die Späne fliegen.“ Gut gemahnt, Meister!

Was der ausgewiesene Kantianer Kantholz nennt, wird von Abweichlern, Renegaten und anderen Holzbanausen Bohle, Diele oder Latte genannt. Doch unangefochten steht der stolze Begriff Kantholz über diesen Weichholzbegriffen. Spätestens mit seiner „Metaphysik des Kantholzes“ hobelte der kluge Königsberger alle faulen Fachbegriffe fort. Der Begriff „klare Kante“ geht übrigens nicht, wie allgemein behauptet, auf den seinerzeitigen SPD-Chef Franz Müntefering, sondern auf den Meister aus Königsberg zurück.

Kant wurde zwar als einsilbig kritisiert, was auch zutraf, aber wenn er dann einmal etwas zum Besten gab, sollte er gewöhnlich den Nagel auf den Klotzkopf treffen. Das bekannteste geflügelte Wort des versierten Kantholzphilosophen ist sicherlich „Sapere aude lignum“. Mit anderen Worten, „Habe den Mut dich deines Kantholzes zu bedienen.“ Manchmal kann Philosophie richtig weh tun.

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