Aufregung um Habeck-Vorschlag: Pause für Lieferkettengesetz?

Wirtschaftsminister Robert Habeck will das deutsche Lieferkettengesetz aussetzen. Unternehmensverbände und FDP freuen sich, SPD und Grüne nicht.

Automatische Containertransporter sind auf dem Gelände des Containerterminal Altenwerder in Hamburg unterwegs

Das Lieferkettengesetz verpflichtet Unternehmen, auf die Produktionsbedingungen bei ihren Zulieferern zu achten Foto: Christian Charisius/dpa

BERLIN taz | Rätselraten herrscht nach dem Vorstoß von Robert Habeck (Grüne) zum Lieferkettengesetz. Bei dessen Anwendung solle eine „Pause“ eingelegt werden, sagte der Bundeswirtschaftsminister am Freitag beim Kongress eines Wirtschaftsverbands. Während nicht klar ist, was er genau meint, äußerten sich Unternehmensverbände zustimmend, SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich und einige Grüne ablehnend, Entwicklungsorganisationen zornig.

Das deutsche Lieferkettengesetz ist vollständig in Kraft und gilt für Unternehmen ab 1.000 Beschäftigte. Diese sind mitverantwortlich für die Einhaltung der Menschenrechte der Beschäftigten ihrer weltweiten Zulieferfirmen. Kürzlich hat die Europäische Union außerdem ihre Lieferkettenrichtlinie beschlossen, die teilweise über das deutsche Gesetz hinausgeht. Die Mitgliedsländer müssen sie innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht übertragen, wobei zunächst nur große Unternehmen ab 5.000 Beschäftigte daran gebunden sind. In den folgenden Jahren soll die Schwelle auf 1.000 Ar­beit­neh­me­r:in­nen sinken.

Am Freitag sagte Habeck, „eine Pause an der Stelle“ sei möglich. „Ich habe vorgeschlagen, das deutsche Lieferkettengesetz, solange bis das EU-Recht umgesetzt ist, zu pausieren beziehungsweise deutlich zu reduzieren“, erläuterte er später. Der Schutz von Menschenrechten und Umweltstandards werde nur dann erfolgreich sein, wenn er bei den Unternehmen Akzeptanz fände.

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich lehnte die Idee ab. Habeck erweise den „langjährigen Bemühungen um eine an Menschenrechten und fairen Löhnen orientierte und gegen Ausbeutung gerichtete Wirtschaftspolitik einen Bärendienst“. Es sei eine „gewohnte Praxis, nationale Regelungen an EU-Recht anzupassen“, so Mützenich. „Bis dahin bleibt es aber beim gültigen Gesetz.“ In der Regierung zuständig ist SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil, der sich bisher nicht konkret äußerte.

Einfacherer Übergang zu EU-Regeln

Bei den Grünen herrscht Irritation. „Eine Pausierung oder Aussetzung des Gesetzes lehne ich als federführender Abgeordneter für das Thema in der grünen Fraktion ab“, erklärte Wolfgang Strengmann-Kuhn. Andere zuständige Abgeordnete sähen das ähnlich. „Ich kann mir schwer vorstellen, dass es eine Mehrheit in der Fraktion für die Pausierung gibt“, so Strengmann-Kuhn.

Die grüne EU-Abgeordnete Anna Cavazzini deutete den Vorschlag dahingehend, dass Habeck nicht die „Kernpflichten“ aussetzen wolle, die das Gesetz den Unternehmen auferlege. Es gehe ihm darum, den „Übergang“ von der deutschen zur europäischen Regelung „so einfach wie möglich zu machen“. Tatsächlich hatte Habeck schon vor geraumer Zeit angeregt, die Berichtspflicht der Firmen laut deutschem Gesetz vorübergehend aufzuheben, um ihnen Arbeit zu ersparen.

Die FDP begrüßte die Initiative. Ein Stopp des deutschen Lieferkettengesetzes wäre „ein wichtiger Beitrag für die Wirtschaftswende“, erklärte Fraktionschef Christian Dürr. Die Liberalen fordern, das Gesetz bis zum Inkrafttreten der EU-Regelung „vollständig auszusetzen“. „Habecks Vorstoß nährt nun eine neue Hoffnung, dass die Aussetzung in der Regierung mehrheitsfähig werden kann“, sagte FDP-Justizminister Marco Buschmann. Einige Wirtschaftsverbände äußerten sich ebenfalls zustimmend, etwa der Verband der Chemischen Industrie und Gesamtverband der Textil- und Modeindustrie. Ver­tre­te­r:in­nen von Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisation wie das katholische Hilfswerk Misereor und die Initiative Lieferkettengesetz kritisierten den Vorstoß des Wirtschaftsministers dagegen scharf.

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