TV-Debatte der EU-Spitzenkandidaten: Von der Leyen unter Druck

Migration und Kooperationen mit Rechtsextremen: Bei einer TV-Debatte der Spitzenkandidaten muss sich die EU-Kommissionspräsidentin rechtfertigen.

Eine Frau ist auf einem Bildschirm groß zu sehen, davor stehen 5 Menschen an einem Pult

Ursula von der Leyen: Bleibt die CDU-Politikerin EU-Kommissionspräsidentin? Foto: Johanna Geron/rtr

BRÜSSEL taz | Bei einer offiziellen TV-Debatte im Europaparlament in Brüssel ist die konservative Spitzenkandidatin für die Europawahl, Ursula von der Leyen, am Donnerstag enorm unter Druck geraten. Die amtierende EU-Kommissionspräsidentin, die eine zweite Amtszeit anstrebt, mußte sich für ihre Zusammenarbeit mit Rechtspopulisten und für ein Kooperations- und Migrationsabkommen mit Tunesien rechtfertigen.

Frau von der Leyen, schaffen Sie endlich Klarheit“, forderte der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten, Nicolas Schmit. Die CDU-Politikerin müsse erklären, ob sie nach der Wahl am 9. Juni mit Rechtskonservativen von der EKR (Europäische Konservative und Reformer) oder Rechtsextremen von ID (Identität und Demokratie) kooperieren wolle. Bisher agiere sie in einer „Grauzone“.

Von der Leyen erwiderte, dass sie sich bei ihrer Arbeit von „sehr klaren Prinzipien“ leiten lasse. Wer mit ihr kooperieren wolle, müsse sich zur EU, zur Ukraine und zum Rechtsstaat bekennen. Die AfD und das französische Rassemblement National um Marine Le Pen kämen nicht infrage, da sie „Putin“ unterstützten. Beide Parteien waren bisher in der ID-Fraktion, die AfD wurde am Donnerstag ausgeschlossen.

Von der Leyen distanzierte sich jedoch nicht von Giorgia Meloni, der postfaschistischen Regierungschefin in Italien, und von der rechtskonservativen EKR. Meloni hatte angekündigt, im Europaparlament neue Mehrheiten rechts von der Mitte organisieren zu wollen. Ganz nach dem Vorbild ihrer eigenen Koalition in Rom. Dort arbeiten Konservative, Rechtspopulisten und Rechtsextreme zusammen.

Abkommen mit „hässlichen Diktaturen“?

Ausweichend antwortete die deutsche Politikerin auch auf Fragen nach Tunesien. Mehrere Medien, darunter der Spiegel und Le Monde, hatten berichtet, dass das islamisch regierte Land unerwünschte schwarzafrikanische Migranten zurück in die Wüste schicke und dabei EU-Mittel nutze. „Das ist nicht mit europäischen Werten vereinbar“, empörte sich Schmit. „Sie haben ein Abkommen mit einer hässlichen Diktatur geschlossen“, warf er von der Leyen vor.

„Wir müssen in Herkunfts- und Transitländer investieren, das ist die beste Politik“, erwiderte die Spitzenkandidatin der Europäischen Volkspartei EVP. Auf die detaillierten Berichte, die auf systematische Menschenrechtsverletzungen hinweisen, ging sie aber nicht ein. Vielmehr nutzte sie die fast zweistündige Debatte, die vom Parlament und der Europäischen Rundfunkunion (EBU) ausgerichtet wurde, um eine Erfolgsbilanz ihrer Brüsseler Arbeit zu ziehen.

Mit dem sogenannten Green Deal sei Europa zum Vorreiter im Kampf gegen die Klimakrise geworden, so von der Leyen. Die grüne Spitzenkandidatin Terry Reintke warf ihr hingegen vor, sich von diesem Deal zu verabschieden und das Klima gegen die Wirtschaft und die Wettbewerbsfähigkeit auszuspielen. Walter Baier von der europäischen Linkspartei forderte mehr Investitionen, vor allem in soziale Projekte. Ansonsten drohe der Green Deal zu scheitern.

Der Spitzenkandidat der Liberalen, Sandro Gozi, forderte mehr Geld für Rüstung und Verteidigung. Damit die Ukraine im Krieg gegen Russland obsiege, müsse die EU einen neuen, 100-Milliarden-Euro schweren Fonds auflegen, so Gozi. Dem widersprach der Linke Baier. Die EU-Mitglieder der Nato gäben jetzt schon doppelt so viel Geld für Rüstung aus wie Russland und China zusammen. Die EU müsse sich um eine politische Lösung bemühen, statt weiter aufzurüsten.

EKR und ID nicht zur Debatte eingeladen

Neue Vorschläge brachte die englischsprachige Debatte, an der Zuschauer aus mehreren EU-Ländern beteiligt wurden, nicht. Die Fragen der Moderatoren und die Antworten der Kandidaten gingen kaum über das hinaus, was der „Wahl-O-Mat“ bietet – sieht man von kurzen Show-Elementen ab, die wohl nicht zufällig an den „European Song Contest“ erinnern. Der ESC wird ebenfalls von der EBU ausgerichtet.

Für Ärger sorgte die Entscheidung, keine Vertreter der rechten EKR und der rechtsradikalen ID einzuladen. ID sprach von einer „Maskerade“. Die Debatte diene nur dazu, „die Kandidaten von extrem links bis Mitte zu bewerben und die Rechte auszuschließen“. Die Veranstalter erklärten, EKR und ID hätten keine Spitzenkandidaten aufgestellt und sich damit selbst von der Show ausgeschlossen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.